Experten beraten Schuldner
Mechthild Förg und Susanne Grußler von der Diakonie Augsburg beraten Menschen, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Wie sie Hoffnung machen und was sie empfehlen / Serie (4)
Zwei Schuldnerberaterinnen der Diakonie Augsburg geben im Interview Tipps, wie man sich aus der Schuldenfalle lösen kann. Es gibt viele Wege.
Landkreis Augsburg Ein Schicksalsschlag, belastende Kredite und Ratenzahlungen oder steigende Mietkosten: Wege in die Verschuldung gibt es viele. Um sich aus der Schuldenfalle zu befreien oder erst gar nicht in deren Fänge zu geraten, beraten sechs Experten der Diakonie Augsburg Landkreisbürger, die in finanzielle Not geraten sind. Über 700 Gespräche werden in der Einrichtung pro Jahr geführt. Die beiden Expertinnen Mechthild Förg und Susanne Grußler berichten aus ihrer täglichen Arbeit.
Das Diakonische Werk bietet seit Jahrzehnten eine Schuldnerberatung für Landkreisbürger an. Welche Menschen kommen zu Ihnen beiden?
Mechthild Förg: Die meisten Schuldner, die wir im Landkreis Augsburg beraten, sind zwischen 28 und 60 Jahre alt. Im Schnitt haben sie 20 Gläubiger, denen sie insgesamt zwischen 1000 bis zu 50000 Euro schulden.
Susanne Grußler: Generell ist es wichtig zwischen verschuldet und überschuldet zu unterscheiden. Verschuldet ist eigentlich jeder, der eine Hypothek hat oder Raten abbezahlt. Wer seine Ausgabe durch die eigenen Einnahmen nicht mehr decken kann, der gilt als überschuldet. Zwei Gruppen sind zunehmen betroffen. Zum einen sind das ältere Menschen. Bei uns in der Beratung ist der Anteil der über 60-Jährigen in den vergangenen zehn Jahren von zwei auf zehn Prozent angestiegen.
Förg: Auch ehemals Selbstständige, die eine Gaststätte oder einen kleinen Handwerksbetrieb geführt hatten, sind verstärkt betroffen. Im Prinzip kann es aber jeden treffen.
Die Auslöser für Schulden sind ganz unterschiedlich. Gibt es dennoch typische Gründe?
Grußler: Oft sind die Erwerbsbiografien unstet, das führt schnell zu finanziellen Problemen. Befristete Arbeitsverhältnisse und immer wieder Zeiten von Arbeitslosigkeit haben außerdem eine mangelnde Rentenvorsorge zur Folge. Das ist dann gerade im Alter ein Problem.
Förg: Seit zwei, drei Jahren sind au- ßerdem die Mietkosten im Landkreis Augsburg deutlich angestiegen. Das treibt viele Menschen an den Rand der Armutsgrenze. Eine angemessene Wohnung zu finden ist oft nicht leicht. Und für viele Lebenskrisen kann man selbst nichts dafür. Mit hohen Arztkosten etwa oder einem Todesfall in der Familie rechnet man ja nicht. Dann kann schnell durch solche äußere Ereignisse aus einer Verschuldung eine Überschuldung werden.
Kommen die Menschen gleich zu Ihnen?
Schulden sind immer noch ein Tabuthema und mit Scham behaftet. Die Schuldner wollen sich oft nicht eingestehen, dass das Geld nicht reicht. Vor allem, wenn man sein Leben lang gearbeitet hat. Ergänzende Sozialleistungen zu beantragen fällt dann dementsprechend schwer. Die eigenen finanziellen Probleme werden meist lieber verschwiegen und weder bei Freunden noch der Familie offen thematisiert. Für viele Menschen ist es das Gefühl, ihr Leben nicht richtig im Griff zu haben. Das erste Gespräch mit dem Betroffenen ist aber oft schon das Wichtigste.
Nicht nur das fehlende Geld macht den Betroffenen zu schaffen. Gibt es andere negative Folgen einer Überschuldung?
Grußler: Schulden sind vor Ort oft ein unsichtbares Phänomen. Zuneh- mend erwischt es die Mitte der Gesellschaft. Fehlt das nötige Geld, um sich die Wohnung noch leisten zu können, kann ein Umzug schnell mit Schulwechsel, längeren Anfahrtwegen zur Kinderbetreuung oder Freizeitangeboten verbunden sein. Können beispielsweise Vereinsbeiträge nicht mehr bezahlt werden, dann schwingt schnell die Frage mit, wie stark man in der Gesellschaft noch teilhaben kann. Gerade auf dem Land spricht es sich schnell herum. Das hat für die Identität dieser Menschen große Auswirkungen. Man möchte sein Gesicht nicht verlieren.
Wie sieht eine typische Beratung bei Ihnen aus?
Grußler: Wir legen Wert auf verschiedene Aspekte. Die Schuldfrage stellen wir nie. Wir unterliegen der Schweigepflicht und unterhalten uns ganz offen. Die Beratungen sind kostenlos. Inhaltlich bieten wir nicht nur die soziale, finanziell-wirtschaftliche und rechtliche Beratung an, sondern können auch auf kurzem Weg innerhalb der Diakonie weitere Hilfe anbieten. Unser Ziel ist es, die Lebenssituation der Schuldner zu stabilisieren und die finanzielle Situation zu normalisieren.
Förg: Wir beraten intensiv, auch längerfristig, um Rückfälle zu verhindern. Es gibt viele Chancen und Wege, die Situation in den Griff zu bekommen.
Der Bedarf im Landkreis für diese Hilfe scheint nicht zurückzugehen. Im Gegenteil.
Grußler: Vor allem die Erstaufnahmen sind deutlich gestiegen, in zehn Jahren laut unseren Zahlen um 68 Prozent. Im Vergleich zur Schuldnerquote in Deutschland mit rund 10 Prozent liegen wir im Landkreis Augsburg mit 6,55 Prozent zwar darunter. Die Zahlen gehen aus dem jährlich erscheinenden Schuldneratlas hervor. Aber allein in den vergangenen vier Jahren ist die Überschuldung in der Region weiter angestiegen.
Förg: Wir können den steigenden Bedarf auch im Haus belegen. Die Schuldnerberatung begann 1989 mit einem Mitarbeiter und ist dank der bedarfsorientierten und engagierten Finanzierung des Kostenträgers, des Landkreises Augsburg, stetig gewachsen.
Was empfehlen Sie Menschen, die Schwierigkeiten im Umgang mit dem eigenen Geld haben?
Förg: Am schlimmsten ist es, nichts zu tun. Generell sollte man sich immer fragen, was man sich wirklich leisten kann. Die Miet- und Stromkosten müssen bei Zahlungen generell an erster Stelle stehen, um Wohnungslosigkeit und Stromsperren zu vermeiden. Wenn möglich sollten Rücklagen für kurzfristige Reparaturen, etwa für das Auto oder die Waschmaschine, gebildet werden. Verträge sollten nicht sofort unterschrieben werden. Es ist notwendig, regelmäßig und sorgfältig die Post zu bearbeiten. Auch ein Kassensturz, selten mit Karte zu zahlen, Quittungen aufzubewahren, das Konto im Blick zu haben, eine Einkaufsliste und einen Haushaltsplan zu führen sind einfache, aber bewährte Ansätze.