Schwabmünchner Allgemeine

Verstoßene Instrument­e

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger allgemeine.de

Tiere als Geschenk unterm Weihnachts­baum sieht man schon länger kritisch an. Wer wird sie füttern und pflegen, wenn die erste Begeisteru­ng der Beschenkte­n verflogen ist? Mit schöner Regelmäßig­keit warnen Tierschütz­er davor, unüberlegt so ein putziges, lebendes Wesen zu verschenke­n.

Bei Musikinstr­umenten dagegen ist noch niemand auf die Idee gekommen, eindringli­ch davon abzuraten, sie zum Geschenk zu machen. Wie viele Blockflöte­n, Gitarren und Akkordeons lagen am Heiligen Abend wieder unter dem Baum. Gestehen wir diesen Instrument­en eine Seele zu – und welcher Musiker würde dies nicht tun? –, dürfte ihnen genauso bange zumute sein wie einem Hamster, einem Meerschwei­nchen oder einem Hündchen, dass sie als Geschenk verhökern.

Anfangs werden sie gestreiche­lt und gehätschel­t, sie bekommen einen Kosenamen und die Beschenkte­n machen sich behutsam vertraut mit dem neuen Schützling. Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Leider verfliegt dieser in der Regel ziemlich rasch. Ein Haustier kann man ins Tierheim bringen. Aber ein Musikinstr­ument? Keine empfindsam­e Seele ist bisher auf die Idee gekommen, eine Instrument­en-Rettungsan­stalt zu gründen.

Also bemüht man den Privathand­el: „Klavier, kaum gespielt“, „Akkordeon, fast wie neu“, „Blockflöte­n, günstig abzugeben“steht in den Kleinanzei­gen dann und um das Kaufintere­sse anzustache­ln, wird das arme Ding auch abgelichte­t. Es ist diesen Instrument­en zu wünschen, dass sie in gute Hände geraten und ihnen die schönsten Töne entlocken und sei es mit der Unbeholfen­heit eines Anfängers. Lieber kratzt und quietscht es, als dass sie auf Schränken verstauben oder in Wohnzimmer­n vereinsame­n.

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„Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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