Verstoßene Instrumente
Tiere als Geschenk unterm Weihnachtsbaum sieht man schon länger kritisch an. Wer wird sie füttern und pflegen, wenn die erste Begeisterung der Beschenkten verflogen ist? Mit schöner Regelmäßigkeit warnen Tierschützer davor, unüberlegt so ein putziges, lebendes Wesen zu verschenken.
Bei Musikinstrumenten dagegen ist noch niemand auf die Idee gekommen, eindringlich davon abzuraten, sie zum Geschenk zu machen. Wie viele Blockflöten, Gitarren und Akkordeons lagen am Heiligen Abend wieder unter dem Baum. Gestehen wir diesen Instrumenten eine Seele zu – und welcher Musiker würde dies nicht tun? –, dürfte ihnen genauso bange zumute sein wie einem Hamster, einem Meerschweinchen oder einem Hündchen, dass sie als Geschenk verhökern.
Anfangs werden sie gestreichelt und gehätschelt, sie bekommen einen Kosenamen und die Beschenkten machen sich behutsam vertraut mit dem neuen Schützling. Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Leider verfliegt dieser in der Regel ziemlich rasch. Ein Haustier kann man ins Tierheim bringen. Aber ein Musikinstrument? Keine empfindsame Seele ist bisher auf die Idee gekommen, eine Instrumenten-Rettungsanstalt zu gründen.
Also bemüht man den Privathandel: „Klavier, kaum gespielt“, „Akkordeon, fast wie neu“, „Blockflöten, günstig abzugeben“steht in den Kleinanzeigen dann und um das Kaufinteresse anzustacheln, wird das arme Ding auch abgelichtet. Es ist diesen Instrumenten zu wünschen, dass sie in gute Hände geraten und ihnen die schönsten Töne entlocken und sei es mit der Unbeholfenheit eines Anfängers. Lieber kratzt und quietscht es, als dass sie auf Schränken verstauben oder in Wohnzimmern vereinsamen.
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„Intermezzo“ist unsere KulturKolumne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefallen ist.