Schwabmünchner Allgemeine

Herrn Bocks Gespür für Wild

Roland Bock, der Vorsitzend­e der Jägerverei­nigung Schwabmünc­hen, gewährt einen Blick in den Jagdkalend­er. Und er erklärt, warum das Fleisch heutzutage nicht mehr unangenehm riecht / Serie (28)

- VON STEFFI BRAND Schwabmünc­hen

Winterzeit. Wildzeit. Was mit Blick auf die Speisekart­en vieler Restaurant­s ganz normal klingt, ist – mit Blick in den Wald – kaum nachzuvoll­ziehen, denn: Das Wild, das es aktuell auf die Wildkarte schafft, wurde vermutlich nicht gerade erst erlegt. Das hat etwas mit dem Jagdkalend­er zu tun, in den Roland Bock, der Vorsitzend­e der Jägerverei­nigung Schwabmünc­hen, einen Blick gewährt. Die Jagdsaison auf Rehwild beginnt am 1. Mai. Bis zum 15. Oktober werden männliche Rehböcke geschossen. Vom 1. Mai bis zum 15. Januar dürfen Schmalrehe geschossen werden. So werden weibliche Rehe bezeichnet, die noch kein Kitz gesetzt haben. Ab dem 1. September beginnt die Schusszeit für Geißen und Rehkitze.

Für Roland Bock ist die Jagdsaison jetzt schon beendet. Ab der Sonnwende am 21. Dezember ist für ihn die Zeit vorbei, in der er Rehe schießt. Der Grund liegt in der Fortpflanz­ungsgeschi­chte der Tiere, erklärt der Grundschul­lehrer. Erst ab dem 21. Dezember beginnt der Embryo im Körper des Rehs zu wachsen – und das, obgleich die eigentlich­e Befruchtun­g bereits in den Sommermona­ten Juli und August stattgefun­den hat. Von Juli bis Dezember herrscht die sogenannte Eiruhe. Dieser Fachbegrif­f aus der Wildbiolog­ie beschreibt die Zeit, in der die Rehgeiß zwar befruchtet ist, die Entwicklun­g des Embryos allerdings unterbroch­en ist. Erst danach beginnt der Embryo sich zu entwickeln. Die Rehkitze kommen dann ab April zur Welt.

Wie viele Rehe Roland Bock, der gemeinsam mit seiner Frau, seinem Sohn und einem weiteren Jäger ein rund 300 Hektar großes Jagdrevier im Landkreis Günzburg betreut, erlegen muss, ist im Abschusspl­an dokumentie­rt. Dieser wird nach dem sogenannte­n Verbissgut­achten erstellt. Für das aktuelle Jagdjahr sind darin 22 Rehe ausgewiese­n. 16 Tiere wurden bereits erlegt. Zu den 22 Tieren, um die der Bestand heuer reduziert werden soll, zählen auch die Individuen, die nicht durch Jäger zu Tode kommen, sondern beispielsw­eise überfahren werden oder bei der Wiesenmahd zu Tode kommen.

Mehrmals wöchentlic­h ist Roland Bock als Jäger im Wald unterwegs. Schießt er ein Reh, hängt das Tier maximal eine halbe Stunde später im Schlachtha­us des 58-Jährigen. Dort wird es „aufgebroch­en“, was bedeutet, dass das Tier aufgeschni­tten wird.

Noch im Wald hat die erste Fleischbes­chau stattgefun­den, ein Vorgang, den auch ein Schlachter vornimmt. Dabei wird zunächst äußerlich geprüft, ob es sich um ein krankes oder gesundes Tier gehandelt hat. Detaillier­t wird das Tier dann begutachte­t, wenn die Innereien entnommen werden. Gibt es keinerlei Verletzung­en oder gar vergrößert­e Innereien, war das Tier gesund. Bei etwa vier Grad hängt das Tier dann für vier bis fünf Tage samt Fell in der Kühlung. „Diese Zeit der Fleischrei­fe ist nötig, sonst wird das Fleisch zäh“, erklärt der Vereinsvor­sitzende, der 2003 seinen Jagdschein gemacht hat. Danach wird dem Tier das Fell abgezogen. Der Schusskana­l, der meist von einem Hämatom umgeben ist, wird ausgeschni­tten.

Nun zerteilt Roland Bock das Reh, das je nach Alter zehn bis 20 Kilogramm wiegt, in seine Einzelteil­e. Aus dem Fleisch um Schulter und Rippen werden etwa zweieinhal­b bis drei Kilogramm Hackfleisc­h. „Daraus wird die beste Bolognese“, schwärmt der Jäger. Zudem gibt es im Hause Bock auch Wildburger aus Reh-Hackfleisc­h. Einmal im Jahr, pünktlich zum Jagdessen, darf die Jagdgenoss­enschaft diese kosten. Aus Rücken und Schlegel werden je zwei Kilogramm Fleisch gewonnen. Aus Keule, Oberschale, Unterschal­e und Nuss wird Grillfleis­ch. Auch Medaillons – mariniert mit Olivenöl und Rosmarin – landen auf dem Grill.

Roland Bock vergleicht den Fleischgeh­alt des Rehs mit dem eines Rinds – „nur eben viel kleiner“. Geschmackl­ich ist Rehfleisch deutlich zarter und erinnert an Kalbfleisc­h. Der Fettgehalt ist gering. Das edelste Fleisch des Rehs, das vielleicht bei manch einem an den Festtagen auf den Tisch kam, ist der Rückenstra­ng, der oft als Filet bezeichnet wird.

Erlegt Roland Bock ein Wildschwei­n, verarbeite­t er dieses nicht selber weiter, sondern gibt es an einen örtlichen Metzger. Dort wird aus dem Tier Kochsalami, Geräuchert­es und Grillwurst. Das Lebendgewi­cht eines Wildschwei­ns ist sehr variabel. „Ein Tier kann zwischen 15 und 115 Kilogramm wiegen.“

Aus einem 50 Kilogramm schweren Tier entfallen 20 Kilogramm auf Schwarte und Kopf, fünf Kilogramm auf weitere Knochen und der Rest – weitere 25 Kilogramm – lassen sich zu Wurst verarbeite­n. Im Vergleich zum Hausschwei­n sei der Geschmack des Wildschwei­ns „nussiger“, erklärt der erfahrende Jäger. Einen Abschusspl­an für Wildschwei­ne gibt es nicht. Sein Ziel ist es, jährlich zehn Tiere zu erlegen, doch die Jagd ist schwierig, denn Wildschwei­ne sind nachtaktiv­e Tiere.

Das größte Vorurteil, das nach wie vor stark in den Köpfen der Konsumente­n verankert ist, ist der Gedanke an den unangenehm­en Wild-Geschmack. „Schmeckt Wildfleisc­h streng nach Wild, ist das ein Zeichen dafür, dass der Reifegrad überschrit­ten ist“, erklärt Bock und ergänzt: „In der Vergangenh­eit war dies auf die mangelhaft­e Kühlung zurückzufü­hren.“Heutzutage ist die Technik deutlich besser, frisches Fleisch hat – ebenso wie frisch eingeschwe­ißtes und tiefgefror­enes Wildfleisc­h – einen neutralen Geruch. Ganz egal, zu welcher Jahreszeit es zubereitet wird.

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Fotos: Marcus Merk Roland Bock ist der Vorsitzend­e der Jägerverei­nigung Schwabmünc­hen und betreut ein etwa 300 Hektar großes Revier.
 ??  ?? Auch aus Wildfleisc­h kann man Kochsalami, Hackfleisc­h und Grillwurst herstellen. Und köstliche Bolognese, sagt Roland Bock.
Auch aus Wildfleisc­h kann man Kochsalami, Hackfleisc­h und Grillwurst herstellen. Und köstliche Bolognese, sagt Roland Bock.
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Schießt Roland Bock ein Reh, hängt das Tier maximal eine halbe Stunde später im Schlachtha­us.

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