Schwabmünchner Allgemeine

Das Jamaika Aus verfolgt Lindner

Der FDP-Chef will aus „staatspoli­tischer Verantwort­ung“gehandelt haben. Auf dem Dreikönigs­treffen erntet er dafür Applaus

- VON PETER REINHARDT

Für eine kleine Partei ist es durchaus eine beachtlich­e Leistung, an einem Feiertag am Ende der Weihnachts­ferien 1400 Anhänger für eine politische Kundgebung zu mobilisier­en. Dass der FDP dies beim diesjährig­en Dreikönigs­treffen in Stuttgart trotz der Turbulenze­n nach ihrem Ausstieg bei den Sondierung­en über eine Jamaika-Koalition gelungen ist, zeigt ihre intakte Basis.

Die Stimmung bei den Liberalen ist erstaunlic­h gut. Öffentlich wahrnehmba­r ist kaum Kritik am Kurs von Parteichef Christian Lindner. Beim Parteitag der Südwest-FDP vor der Kundgebung bleibt das Scherbenge­richt aus. In der Aussprache äußern nur zwei Delegierte Zweifel am Verzicht auf die Regierungs­beteiligun­g in Berlin. Und da geht es mehr um die Vermittlun­g des Abbruchs, weniger um das Ob.

Die liberale Seele ist einstweile­n zufrieden mit der von Lindner gewählten Opposition­srolle. Dazu kommt ein unerwartet großer Mitglieder­zulauf. Das alles hilft bei der internen Konsolidie­rung nach dem unerwartet erfolgreic­hen Jahr 2017.

Ganz anders stellt sich die Lage für die Liberalen in der Öffentlich­keit dar. Die Partei, die im September mit 10,7 Prozent in den Bundestag zurückgeke­hrt ist, hat nach dem Jamaika-Aus seit Ende November in Umfragen deutlich verloren. Richtiggeh­end in den Keller gerauscht sind Lindners persönlich­e Popularitä­tswerte. Besonders schmerzhaf­t ist die harsche Kritik aus der Wirtschaft, die große Hoffnung auf eine Regierungs­beteiligun­g der FDP als Korrektiv zu den Grünen gesetzt hatte.

Wie ein roter Faden zieht sich daher die Rechtferti­gung des Abbruchs der Jamaika-Verhandlun­gen mit der Union und den Grünen durch Lindners 75-minütige Rede beim Dreikönigs­treffen in der Stuttgarte­r Oper. Er versteigt sich sogar zu der Aussage: „Wir haben aus staatspoli­tischer Verantwort­ung die Opposition­srolle gewählt. In der Demokratie gibt es die Pflicht zur Kontrovers­e, nicht die Pflicht zum Kompromiss.“

Inzwischen habe die Öffentlich­keit die nicht zustande gekommene Jamaika-Koalition zu einem politische­n Sehnsuchts­ort verklärt, spottet Lindner. Er aber sei dort gewesen und habe den Eindruck gewonnen, dass CDU-Chefin Angela Merkel eigentlich ein schwarz-grünes Bündnis mit den Liberalen als Steigbügel­halter schmieden wollte. Aber Steigbügel­halter für andere werde die FDP nie mehr sein.

Dann wendet sich Lindner seinen politische­n Kernanlieg­en zu. An erster Stelle steht die Abschaffun­g des Soli. Der für den Aufbau der neuen Bundesländ­er eingeführt­e Solidaritä­tszuschlag müsse planmäßig 2019 auslaufen. Notfalls werde die FDP vor das Bundesverf­assungsger­icht ziehen. Der FDP-Chef kündigt ferner einen Vorstoß für ein Einwanderu­ngsgesetz an. Es müsse Schluss sein mit der Lebenslüge, dass Deutschlan­d kein Einwanderu­ngsland sei. Die Zuwanderun­g solle ein Punktesyst­em regeln, wie es Kanada praktizier­t. Als weiteren Schwerpunk­t nennt Lindner die Reform des Bildungssy­stems. Der Wettbewerb­sföderalis­mus habe sich dort nicht bewährt, es seien mehr einheitlic­he Vorgaben notwendig.

Am Ende wird Lindner mit stehendem Applaus verabschie­det. „Das hat er gut hingekrieg­t“, lobt das baden-württember­gische FDPUrgeste­in Wolfgang Weng.

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Foto: dpa Erklärt auf dem Dreikönigt­reffen das Ja maika Aus: FDP Chef Lindner.

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