Schwabmünchner Allgemeine

Die Welt ist eine Drehscheib­e

In seiner letzten Inszenieru­ng bewegt der scheidende Intendant Andreas von Studnitz seine Zuschauer auch wörtlich

- VON MARCUS GOLLING Ulm Weitere Termine

Menschen, die Höhenangst haben, klaustroph­obisch veranlagt sind oder schnell seekrank werden, werden auf der Website des Theaters Ulm gewarnt. Dazu kommt vor der Vorstellun­g von „Die lächerlich­e Finsternis“eine Sicherheit­seinweisun­g einer Theater-Stewardess, als stünde kein Stück auf dem Spielplan, sondern ein Kunstflug. Doch die Sensiblen können aufatmen: Sie werden physisch nur sanft durchgesch­üttelt – und bekommen dazu einen gelungenen Theaterabe­nd, der ins Dunkel der Globalisie­rung führt.

Für seine letzte eigene Inszenieru­ng schickt der scheidende Intendant Andreas von Studnitz maximal 100 Zuschauer auf die Drehbühne im Großen Haus. Die fährt vor, zurück, rauf, runter und rotiert langsam, wodurch man tatsächlic­h ein bisschen die Orientieru­ng verliert. Es passt zur Handlung: „Die lächerlich­e Finsternis“ist eine Bearbeitun­g von Joseph Conrads „Herz der Finsternis“beziehungs­weise von Francis Ford Coppolas Film „Apocalypse Now“. Es handelt von zwei Bundeswehr­soldaten, die den – vom Autor zum Fluss ernannten – Hindukusch hinaufschi­ppern, um einen angeblich durchgedre­hten Oberstleut­nant zur Strecke zu bringen.

Am Anfang schildert ein Somalier (Aglaja Stadelmann) vor einem deutschen Gericht, wie er zum Diplom-Piraten wurde. Dann beginnt die Reise der Soldaten (Stefan Maaß und Benedikt Paulun). Sie begegnen seltsamen Typen, gespielt von Frauen. Der italienisc­he Blauhelm (Tänzerin Beatrice Panero) erzählt von Drogeneska­paden seiner Kindergart­enzeit. Der serbische Händler (Christel Mayr), der vom Kanu aus laktosefre­ien Ziegenkäse verkauft, berichtet geschäftsf­ördernd vom Kollateral-Tod seiner Familie. Der amerikanis­che Missionar (Julia Baukus) preist die Befreiung der muslimisch­en Frau von ihrem Zwangsgewa­nd, weil ihr sexy Körper endlich zur Geltung kommt.

„Die lächerlich­e Finsternis“des 36-jährigen Wolfram Lotz bildet die Wirklichke­it nicht ab, sondern macht sie durch die teils absurde Handlung erfahrbar: die Logik einer postkoloni­alen, kapitalist­ischen Welt, in der der Westen in Panik vor Terrorismu­s und Massenzuwa­nderung zittert, aber kein Problem damit hat, in der sogenannte­n Dritten Welt die Bodenschät­ze auszubeute­n. Das überzeugt in dieser konzentrie­rten, in den richtigen Momenten auch überdrehte­n und albernen Produktion dank der sehr eindringli­ch agierenden Darsteller. Ein würdiger Abschied für den Regisseur Andreas von Studnitz, der sich selbst einen großen Auftritt spendiert: Der gesuchte Oberstleut­nant ist der Intendant selbst – als riesige Videoproje­ktion.

Oam 11., 13., 22. und 24. Januar, Vorstellun­gen bis April. hat in den Büros in Frankfurt, München und Wien gut 30 Mitar beiter und verfügt über ein Netzwerk von 30 Referenten. Horx ist Dozent für Trend und Zukunftsfo­rschung an mehreren Universitä­ten. Das Insti tut arbeitet in der Vi sions Ent wicklung für große Un ternehmen. (dpa)

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Foto: Martin Kaufhold Stefan Maaß als Soldat auf dem Hindu kusch.

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