Schwabmünchner Allgemeine

Wo man Bier nur heimlich trinkt

Die Murree-Brauerei ist das älteste Unternehme­n Pakistans. Sie produziert 15000 Dosen Bier pro Stunde. Wie überlebt sie in einem Land, wo Alkohol verboten ist?

- VON AGNES TANDLER Islamabad

Es gibt kein Werbebudge­t, keine Anzeigen oder Plakate, nicht einmal einen offenen Verkauf. Dennoch kennt in Pakistan jeder das Produkt, das in dem Backsteing­ebäude an der Murree Road außerhalb der Hauptstadt Islamabad hergestell­t wird: Murree-Bier. Obwohl in dem islamische­n Land Alkohol verboten ist, stellt die Brauerei 15 000 Dosen pro Stunde her.

Die 1860 gegründete MurreeBrau­erei ist das älteste Unternehme­n in Pakistan und gehört zu den ältesten Firmen auf dem indischen Subkontine­nt. Von den Briten gegründet, um den Durst von Kolonialbe­amten und Armeeangeh­örigen zu löschen, operiert sie gut 150 Jahre später in einem islamische­n Land, das Alkohol verbietet. Nach Pakistans Prohibitio­ns-Gesetzen sieht der Konsum drakonisch­e Strafen vor: Wenn ein erwachsene­r Muslim die berauschen­de Flüssigkei­t in den Mund nimmt, soll er nach islami- Recht mit 80 Peitschenh­ieben bestraft werden. Dass die Murree-Brauerei auch 70 Jahre nach der Gründung Pakistans weiter besteht und gute Geschäfte macht, gehört zu den Paradoxen der südasiatis­chen Republik. Denn Pakistan hat eine kleine religiöse Minderheit an Christen, Hindus,

Sikhs und Parsen, denen der Alkoholkon­sum nicht verboten ist, weil sie nicht muslimisch­en Glaubens sind. Die Gruppe macht aber weniger als fünf Pro- zent der Bevölkerun­g aus und ein Großteil von ihnen ist zu arm, um sich Murree-Bier leisten zu können. Bei dem stolzen Preis von 300 Rupien pro Dose (ca. zwei Euro) ist das Getränk eher für Pakistans bessergest­ellte Elite bestimmt, die fast ausschließ­lich muslimisch ist.

Auf dem Papier allerdings ver- kauft die Murree-Brauerei ihre alkoholisc­hen Produkte nicht an Muslime. Isphanyar Bhandara ist der Chef der Brauerei. Der 45-Jährige tritt immer wieder im pakistanis­chen Fernsehen und Radio auf, um für Murree zu werben. Bhandara ist Parse, wie die Anhänger des Zoroastris­mus in Pakistan genannt werden: Die Gruppierun­g, die weltweit bis zu 150000 Anhänger hat, glaubt an den Schöpfergo­tt namens Ahura Mazda und erlaubt den Alkoholkon­sum.

Bhandara weist gern darauf hin, wie wichtig seine Brauerei mit ihren 2000 Angestellt­en auch für die Wirtschaft des Landes ist. Der Alkoholver­kauf stagniere inzwischen, der Geschäftsz­uwachs komme von der wachsenden Nachfrage nach Softdrinks. Die Hälfte ihres Umsatzes macht Murree heute mit Softdrinks. Denn die Brauerei hat mit wachsenden Schwierigk­eiten zu kämpfen: Das politische Klima im Lande ist schwierig für die Traditions­firma. Religiösen Hardlinern ist die Braueschem rei seit langem ein Dorn im Auge. Manche der Angestellt­en erzählen ihren Familien lieber nicht, dass sie dort beschäftig­t sind. Es gibt Druck auf die Regierung, den Alkoholver­kauf schwerer zu machen. Pakistans Mittel- und Oberschich­t greift gewöhnlich auf Lieferante­n zurück, die die gewünschte­n Getränke in schwarzen Müllsäcken getarnt vor die Haustüre bringen. Als Bhandaras Großvater 1947, kurz nach der Unabhängig­keit des indischen Subkontine­nts von den Briten, die Brauerei kaufte, war Pakistan noch ein liberalere­s Land: In der Hafenstadt Karachi gab es ein buntes Nachtleben mit Bars, Kasinos und Klubs. Heute ist es schon schwer, in der MillionenM­etropole ein Kino zu finden.

Alkohol wurde erst 1977 verboten, weil der damalige Premiermin­ister Zulfikar Ali Bhutto islamische Hardliner besänftige­n wollte, die ihn zu stürzen drohten. Es half nichts: Bhutto wurde vom Militär gestürzt und hingericht­et. Das Alkoholver­bot blieb.

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Foto: Olivier Matthy, dpa Kistenweis­e bringen die Fahrer das Bier aus der Brauerei zu ihren wohlhabend­en Kunden. Manche der Angestellt­en verraten ihren Angehörige­n lieber nicht, wo sie arbeiten. Denn religiösen Gruppen ist das Unternehme­n ein Dorn im Auge.
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