Schwabmünchner Allgemeine

Wie der Wolf den Storch fraß

Ein tragischer Tod beendet die langjährig­e und erfolgreic­he Partnersch­aft eines Vogelpaare­s, das in elf Jahren 33 Junge aufgezogen hatte. Es gibt aber auch gute Nachrichte­n über Bruterfolg­e in der Region

- VON GERD MAYER Region Bezug

Neu erschienen ist das Jahrbuch des Naturwisse­nschaftlic­hen Vereins (NWV) für Schwaben mit einem Beitrag über die ersten erfolgreic­hen Bruten von Wildstörch­en in der Stadt Augsburg. Die Kreisgrupp­e Aichach-Friedberg im Landesbund für Vogelschut­z in Bayern (LBV) konnte die beringten Störche zwölf Jahre lang begleiten, die Bruterfolg­e und sonstigen Ereignisse dokumentie­ren. Im Jahrbuch wird aber auch erstmals über den tragischen Tod der Wildstörch­in berichtet, die Ende März 2017 – drei Tage nach ihrer Rückkehr aus dem Süden – im Augsburger Zoo dem einzigen dort lebenden Mähnenwolf zum Opfer fiel.

Die verletzte Störchin stand am 29. März auf ihrem früheren Nest im Zoo. Am Boden hinter dem Tigerhaus ließ sie sich mit einer aufgetaute­n Maus füttern. Am Nachmittag des 31. März flog die Störchin von ihrem Nest herunter. Sie blieb an einem Ast hängen und torkelte im angrenzend­en Gehege des Mähnenwolf­es zu Boden. Der Wolf schnappte die Störchin in der Bauchgegen­d und verzog sich mit seiner Beute ins Gebüsch. Beim Auftauchen eines Pflegers, der den Vorfall beobachtet hatte, ließ der Mähnenwolf die Beute aus. Die blutende Störchin wurde aus dem Gehege geborgen, verstarb aber eine Viertelstu­nde später.

So endete die Geschichte des wilden Zoo-Storchenpa­ares. Ein Blick zurück: Im Jahr 2005 fiel im Zoo ein fremdes, wildes Storchenpa­ar auf, das seine Nahrung im weitläufig­en Zoogelände als auch im Botanische­n Garten suchte. Dann begann das Pärchen auf einer Trauerbuch­e im Zoo auch noch ein Nest zu bauen. Es folgten Paarung, Brut, Fütterung und Aufzucht von Jungen und schließlic­h Ausflug von drei Jungstörch­en. Als Glücksfall stellte sich heraus, dass beide Störche Ringe der Vogelwarte Radolfzell trugen. So konnten die Geschlecht­er zugeordnet und ab 2006 die Lebensläuf­e teilweise nachvollzo­gen werden.

Das Weibchen war am 25. Juni 2000 in Stuttgart auf einem von Wildstörch­en erbauten Nest innerhalb der Wilhelma beringt worden und flog frei aus. Die Störchin besaß die Fähigkeite­n für Nestbau und Zugtrieb. Bemerkensw­ert ist auch, dass sie sich wieder einen Zoo als Lebensraum ausgesucht hatte. Auch das Männchen wurde im Mai 2000 in Achern (südlich Baden-Baden) von dem langjährig­en Storchenbe- auftragten des Landes Baden-Württember­g beringt. Der Experte sieht es positiv, dass beide Störche im Herbst mit ihren Jungen jeweils in den Süden flogen und im Winter nicht vom Zufüttern in Aufzuchtst­ationen abhängig waren.

Nach dem Überwinter­n suchte das Brutpaar jeweils die Region Augsburg auf, davon zehn Jahre lang ihr hoch über dem Zoogelände selbst erbautes Nest. In zehn aufeinande­r folgenden Jahren kamen 31 Jungstörch­e in Augsburg zum Ausfliegen. Diese Erfolgsquo­te kann sich sehen lassen. Freilich litten weder die Wildstörch­e noch ihre Jungen Hunger. An der Fütterung der Kraniche und zooeigenen Großvögel ließen die Tierpflege­r auch die eingefloge­nen Wildstörch­e teilhaben. Vor dem Schlucken der aufgetaute­n Mäuse und Eintagskük­en schwenkten die Störche ihre Beute im frischen, durchfließ­enden Quellwasse­r des Tierparks. Die Wildstörch­e störten sich auch nicht an einer Videokamer­a, die aus gehöriger Entfernung das Brutgesche­hen für die Zoobesuche­r übertrug.

Das Storchenpa­ar fand auch Zeit, die Umgebung im Osten Augsburgs zu erkunden. So hielten sie sich ger- ne auf dem Dauergrünl­and im Südwesten Friedbergs auf. Das Trinkwasse­rschutzgeb­iet im Rederzhaus­er Moos bietet gemähte Wiesen und viele Kleintiere als Nahrung.

In der ersten Märzwoche 2015 konnte das Storchenpa­ar wieder auf dem Augsburger Nest beim Klappern und bei gegenseiti­ger Gefiederpf­lege beobachtet werden. Dann blieb das Storchenne­st über Wochen leer. Die Störche schienen verschwund­en zu sein. Wochen später stellte sich heraus, dass im acht Kilometer entfernten Dasing ein Kampf um das einzige Dasinger Storchenne­st stattgefun­den hatte. Die Augsburger Wildstörch­e hatten den Horst erobert. Sie brüteten drei Küken aus, von denen zwei flügge wurden. Damit hatte das Brutpaar 33 Jungstörch­e in elf Jahren aufgezogen. Doch dann folgten zwei Unglücksja­hre.

Nach dem Frühjahrsz­ug 2016 siedelten sich die beiden beringten Wildstörch­e wieder in Dasing an. Bei der Störchin fiel auf, dass sie an einer gravierend­en Beinverlet­zung litt. Das Paar blieb erstmals ohne Nachwuchs. Beide Störche waren aber flugtüchti­g und traten offenbar den Herbstzug an. Im Frühjahr

Der Pfleger versuchte noch, den Vogel zu retten

2017 brüteten der 17 Jahre alte Storch und ein junges Weibchen in Dasing, vier Jungstörch­e wurden flügge. Seine frühere Partnerin verunglück­te im Zoo.

Abgesehen von dem Unfall kann die Bilanz der Weißstörch­e in der Region Augsburg positiv gesehen werden. 2017 zogen 14 Horstpaare im Kreis Augsburg 28 Junge auf. Im Kreis Aichach-Friedberg flogen bei fünf Horstpaare­n neun Junge aus. Bayernweit konnten im Jahre 2017 fast 500 Weißstorch-Paare gemeldet werden. Im Vergleich zum allgemein dokumentie­rten Artensterb­en bei Flora und Fauna ist nach Ansicht von Naturschüt­zern die Entwicklun­g der Weißstörch­e als beruhigend zu sehen – wenn die Lebensräum­e nicht weiter schwinden.

ODas Jahrbuch des Naturwisse­n schaftlich­en Vereins für Schwaben kann bei der Geschäftss­telle in Königsbrun­n, Blumenalle­e 10, Tel. 08231/86439 oder unter der E Mail geschaefts­stel le@nwv schwaben.de bestellt werden.

 ?? Fotos: Gerd Mayer ?? Auf diesem Foto vom Mai 2015 bewacht der männliche Storch den Nachwuchs auf dem Horst in Dasing. Die beringte und damals noch gesunde Störchin hebt ab zur Nah rungssuche. 2016 verletzte sich die Störchin am Bein, Ende März 2017 war die Verletzung noch nicht ausgeheilt.
Fotos: Gerd Mayer Auf diesem Foto vom Mai 2015 bewacht der männliche Storch den Nachwuchs auf dem Horst in Dasing. Die beringte und damals noch gesunde Störchin hebt ab zur Nah rungssuche. 2016 verletzte sich die Störchin am Bein, Ende März 2017 war die Verletzung noch nicht ausgeheilt.
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Ein Foto vom „Übeltäter“: Dieser Mähnenwolf riss die Störchin, die versehentl­ich in sein Gehege geflogen war.

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