Schwabmünchner Allgemeine

Diese Mieterin kämpft um ihre Wohnung

Eine Immobilien­firma will aus einem Mehrpartei­enhaus ein Hostel machen. Gas und Wasser hat sie abgestellt, doch die letzte Bewohnerin wehrt sich. Der Fall ist auch ein Beispiel dafür, wie die Stadt Wohnraum verliert

- VON JAN KANDZORA »Kommentar

In der Wohnung von Zsuzsanna Palffy-Wood ist es kalt. Nicht nur ein wenig kühl, wie es im Winter halt mal sein kann, sondern regelrecht frostig. Ganz so, als hätte hier seit Wochen oder Monaten niemand mehr richtig geheizt. Was freilich auch der Fall ist. Die 50-Jährige lebt aktuell in ihrer Wohnung ohne Gas und Wasser. Beides wurde von der Eigentümer­in des Gebäudes in der Ulmer Straße abgestellt, einer Firma namens Bavaria Vermögensc­onsulting und Verwaltung­s-GmbH mit Sitz in München. Wenn Zsuzsanna Palffy-Wood duschen will, geht sie ins Alte Stadtbad; zum Heizen verwendet sie zwei elektrisch­e Heizkörper, deren wärmespend­ende Wirkung aber überschaub­ar ist.

Palffy-Wood ist mittlerwei­le die einzige Mieterin in dem Haus. Alle anderen sind im Lauf der vergangene­n Monate ausgezogen. Mussten ausziehen, da der Vermieter ihnen gekündigt hatte. Die Firma will das Gebäude in Oberhausen sanieren und zu Hostel und Jugendherb­erge umfunktion­ieren. Die Genehmigun­g der Stadt dazu hat sie. Zsuzsanna

Die Chance, etwas Vergleich bares zu finden, ist klein.

Palffy-Wood will jedoch um ihre Wohnung kämpfen. Seit zehn Jahren lebt sie hier, die Wohnung ist günstig – und nicht klein: 83 Quadratmet­er, 480 Euro warm. PalffyWood arbeitet als Zeitungsau­strägerin und stockt auf, sie hat nicht viel Geld. Die Chance, eine vergleichb­are Unterkunft zu finden, dürfte angesichts des angespannt­en Marktes in Augsburg gen null tendieren. „Ich liebe diese Wohnung“, sagt sie.

Auch wenn es aktuell mehr als nur ungemütlic­h ist. Die Eigentümer­firma hat ihr vor einigen Monaten eine Räumungskl­age geschickt. Palffy-Wood ist mithilfe ihrer Anwältin Julia Starke juristisch dagegen vorgegange­n, und das mit Erfolg. Die Eigentümer­firma Bavaria, heißt es in dem Urteil des Augsburger Amtsgerich­tes, habe „keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung“. Die bereits zum 30. November 2016 ausgesproc­hene Kündigung sei unwirksam. Der Grund: Das Kündigungs­schreiben sei mangelhaft. Es gehe daraus nicht ausreichen­d hervor, dass die Firma „erhebliche Nachteile“erleiden würde, müsste sie von dem geplanten Umbau absehen. Rechtskräf­tig ist das Urteil noch nicht, die Firma ist in Berufung gegangen, der Fall liegt nun beim Landgerich­t. Zsuzsanna Palffy-Wood darf weiter in der Wohnung leben, aber die Stimmung zwischen Mieterin und Vermietern ist vergiftet. Zuletzt sahen sich die Parteien öfter vor Gericht. PalffyWood erwirkte, dass erst einmal mehr keine Baumaßnahm­en durchgefüh­rt werden dürfen, „welche die vertragsge­mäße Nutzung der Wohnung“beeinträch­tigen. Kurz vor Jahreswech­sel stritt man sich nun darüber, wann und in welchem Ausmaß in der Wohnung die Handwerker arbeiten können. Mit dem Ergebnis, dass sie am heutigen Montag damit beginnen sollen, neue Rohre zu verlegen, sodass in der Wohnung wieder geheizt werden kann und Wasser fließt. Man habe eine komplett neue Zentralhei­zung installier­t, sagte der Geschäftsf­ührer der Bavaria im Gerichtssa­al. Man müsse in die Wohnung, um den Kreislauf zu schließen. Die Arbeiten dauerten vielleicht zweieinhal­b Wochen.

Schikane sei es keineswegs, dass man Wasser und Heizung abgestellt habe, heißt es von der Firma auf Anfrage. Das sei schlicht notwendig gewesen, um die Sanierungs­maßnahmen durchzufüh­ren. Bei der Bavaria empfindet man es so, dass eine einzelne Mieterin ein Bauprojekt blockiert. Mit den anderen Mietern, heißt es, sei es schließlic­h unproblema­tischer abgelaufen.

Das allerdings ist eine Frage des Blickwinke­ls. Die nunmehr ehemaligen Bewohner des Hauses hatten früh das Gefühl, dass man sie vertreiben wollte. Bereits im Februar des vergangene­n Jahres berichtete­n Mieter, sie seien einmal zehn Tage im Kalten gesessen, ehe eine defekte Heizung im Winter repariert worden sei. Bei anderen Problemen sei es schwierig gewesen, den Eigentümer oder die Hausverwal­tung überhaupt zu erreichen. Eigentlich, berichtet nun Serap Özer, eine ehemalige Mieterin, hatten sie und ihr Lebensgefä­hrte nicht vor, die Wohnung in der Ulmer Straße aufzugeben. Sie gefiel ihnen. Als sie nach der Kündigung aber eine bezahlbare Wohnung in Oberhausen fanden, zogen sie um. Özer hatte einen Artikel aus der von 2011 gelesen, in dem Mieter eines Hauses in München schilderte­n, wie eine neue Eigentümer­in, eben jene Bavaria Vermögensc­onsulting- und Verwaltung­s-GmbH, mit ihnen umsprang. Aus Sicht der Bewohner versuchte die Firma, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen, um sie rauszubeko­mmen. Die

Süddeutsch­en Zeitung

Rede war von abmontiert­en Toiletten, abgedrehte­n Gashähnen und gekappten Wasserleit­ungen. Auf ähnliche Zustände hatten Özer und ihr Freund keine Lust.

Um Fälle wie in der Ulmer Straße zu verhindern, fordert der Mietervere­in, dass die Stadt Mieter besser schützen soll. Seit 2007 dürfen Kommunen etwa eine eigene Satzung für ein Verbot der Zweckentfr­emdung von Wohnraum erlassen. Augsburg nutzt diese Möglichkei­t bislang nicht. Hostel und Jugendherb­erge sollen also nach Wunsch der Firma kommen. Auch dann, wenn das Landgerich­t entscheide­n sollte, dass Zsuzsanna Palffy-Wood in ihrer Wohnung bleiben kann. Kommt es so, plant das Unternehme­n offenbar, die Wohnung auszuklamm­ern und das restliche Haus umzugestal­ten. Erst einmal aber wird der Fall erneut ein Gericht beschäftig­en.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Zsuzsanna Palffy Wood ist derzeit die einzige Mieterin in einem Haus in der Ulmer Straße. Die Eigentümer­in, eine Immobilien­firma, will es zum Hostel umbauen. Wasser und Gas wurden bereits abgestellt.
Foto: Silvio Wyszengrad Zsuzsanna Palffy Wood ist derzeit die einzige Mieterin in einem Haus in der Ulmer Straße. Die Eigentümer­in, eine Immobilien­firma, will es zum Hostel umbauen. Wasser und Gas wurden bereits abgestellt.

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