Diese Mieterin kämpft um ihre Wohnung
Eine Immobilienfirma will aus einem Mehrparteienhaus ein Hostel machen. Gas und Wasser hat sie abgestellt, doch die letzte Bewohnerin wehrt sich. Der Fall ist auch ein Beispiel dafür, wie die Stadt Wohnraum verliert
In der Wohnung von Zsuzsanna Palffy-Wood ist es kalt. Nicht nur ein wenig kühl, wie es im Winter halt mal sein kann, sondern regelrecht frostig. Ganz so, als hätte hier seit Wochen oder Monaten niemand mehr richtig geheizt. Was freilich auch der Fall ist. Die 50-Jährige lebt aktuell in ihrer Wohnung ohne Gas und Wasser. Beides wurde von der Eigentümerin des Gebäudes in der Ulmer Straße abgestellt, einer Firma namens Bavaria Vermögensconsulting und Verwaltungs-GmbH mit Sitz in München. Wenn Zsuzsanna Palffy-Wood duschen will, geht sie ins Alte Stadtbad; zum Heizen verwendet sie zwei elektrische Heizkörper, deren wärmespendende Wirkung aber überschaubar ist.
Palffy-Wood ist mittlerweile die einzige Mieterin in dem Haus. Alle anderen sind im Lauf der vergangenen Monate ausgezogen. Mussten ausziehen, da der Vermieter ihnen gekündigt hatte. Die Firma will das Gebäude in Oberhausen sanieren und zu Hostel und Jugendherberge umfunktionieren. Die Genehmigung der Stadt dazu hat sie. Zsuzsanna
Die Chance, etwas Vergleich bares zu finden, ist klein.
Palffy-Wood will jedoch um ihre Wohnung kämpfen. Seit zehn Jahren lebt sie hier, die Wohnung ist günstig – und nicht klein: 83 Quadratmeter, 480 Euro warm. PalffyWood arbeitet als Zeitungsausträgerin und stockt auf, sie hat nicht viel Geld. Die Chance, eine vergleichbare Unterkunft zu finden, dürfte angesichts des angespannten Marktes in Augsburg gen null tendieren. „Ich liebe diese Wohnung“, sagt sie.
Auch wenn es aktuell mehr als nur ungemütlich ist. Die Eigentümerfirma hat ihr vor einigen Monaten eine Räumungsklage geschickt. Palffy-Wood ist mithilfe ihrer Anwältin Julia Starke juristisch dagegen vorgegangen, und das mit Erfolg. Die Eigentümerfirma Bavaria, heißt es in dem Urteil des Augsburger Amtsgerichtes, habe „keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung“. Die bereits zum 30. November 2016 ausgesprochene Kündigung sei unwirksam. Der Grund: Das Kündigungsschreiben sei mangelhaft. Es gehe daraus nicht ausreichend hervor, dass die Firma „erhebliche Nachteile“erleiden würde, müsste sie von dem geplanten Umbau absehen. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, die Firma ist in Berufung gegangen, der Fall liegt nun beim Landgericht. Zsuzsanna Palffy-Wood darf weiter in der Wohnung leben, aber die Stimmung zwischen Mieterin und Vermietern ist vergiftet. Zuletzt sahen sich die Parteien öfter vor Gericht. PalffyWood erwirkte, dass erst einmal mehr keine Baumaßnahmen durchgeführt werden dürfen, „welche die vertragsgemäße Nutzung der Wohnung“beeinträchtigen. Kurz vor Jahreswechsel stritt man sich nun darüber, wann und in welchem Ausmaß in der Wohnung die Handwerker arbeiten können. Mit dem Ergebnis, dass sie am heutigen Montag damit beginnen sollen, neue Rohre zu verlegen, sodass in der Wohnung wieder geheizt werden kann und Wasser fließt. Man habe eine komplett neue Zentralheizung installiert, sagte der Geschäftsführer der Bavaria im Gerichtssaal. Man müsse in die Wohnung, um den Kreislauf zu schließen. Die Arbeiten dauerten vielleicht zweieinhalb Wochen.
Schikane sei es keineswegs, dass man Wasser und Heizung abgestellt habe, heißt es von der Firma auf Anfrage. Das sei schlicht notwendig gewesen, um die Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Bei der Bavaria empfindet man es so, dass eine einzelne Mieterin ein Bauprojekt blockiert. Mit den anderen Mietern, heißt es, sei es schließlich unproblematischer abgelaufen.
Das allerdings ist eine Frage des Blickwinkels. Die nunmehr ehemaligen Bewohner des Hauses hatten früh das Gefühl, dass man sie vertreiben wollte. Bereits im Februar des vergangenen Jahres berichteten Mieter, sie seien einmal zehn Tage im Kalten gesessen, ehe eine defekte Heizung im Winter repariert worden sei. Bei anderen Problemen sei es schwierig gewesen, den Eigentümer oder die Hausverwaltung überhaupt zu erreichen. Eigentlich, berichtet nun Serap Özer, eine ehemalige Mieterin, hatten sie und ihr Lebensgefährte nicht vor, die Wohnung in der Ulmer Straße aufzugeben. Sie gefiel ihnen. Als sie nach der Kündigung aber eine bezahlbare Wohnung in Oberhausen fanden, zogen sie um. Özer hatte einen Artikel aus der von 2011 gelesen, in dem Mieter eines Hauses in München schilderten, wie eine neue Eigentümerin, eben jene Bavaria Vermögensconsulting- und Verwaltungs-GmbH, mit ihnen umsprang. Aus Sicht der Bewohner versuchte die Firma, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen, um sie rauszubekommen. Die
Süddeutschen Zeitung
Rede war von abmontierten Toiletten, abgedrehten Gashähnen und gekappten Wasserleitungen. Auf ähnliche Zustände hatten Özer und ihr Freund keine Lust.
Um Fälle wie in der Ulmer Straße zu verhindern, fordert der Mieterverein, dass die Stadt Mieter besser schützen soll. Seit 2007 dürfen Kommunen etwa eine eigene Satzung für ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen. Augsburg nutzt diese Möglichkeit bislang nicht. Hostel und Jugendherberge sollen also nach Wunsch der Firma kommen. Auch dann, wenn das Landgericht entscheiden sollte, dass Zsuzsanna Palffy-Wood in ihrer Wohnung bleiben kann. Kommt es so, plant das Unternehmen offenbar, die Wohnung auszuklammern und das restliche Haus umzugestalten. Erst einmal aber wird der Fall erneut ein Gericht beschäftigen.