Schwabmünchner Allgemeine

Dienstleis­tung in Himmelblau

Das neue Straßenrei­nigungsdep­ot im Augsburger Norden steht in der Endrunde für einen der wichtigste­n deutschen Architektu­rpreise. Lob gebührt dafür den Architekte­n, aber auch der Stadt Augsburg

- VON ANGELA BACHMAIR

Longlist, Shortlist, Finalisten, Preisverga­be – was den Buchpreise­n recht ist an medienwirk­samem Verfahren, das kann auch bei Architektu­rpreisen nicht falsch sein. So lässt das Deutsche Architektu­rmuseum DAM in Frankfurt, das seit Jahren den renommiert­en DAM-Preis für Architektu­r vergibt, sein Publikum teilhaben an einem Auswahlpro­zess aus den besten Neubauten im Land. 100 bemerkensw­erte Gebäude, die in den vergangene­n Monaten fertiggest­ellt wurden, hat das Museum ausgewählt (das ist die sogenannte Longlist), daraus wählte die Jury (mit DAM-Direktor Peter Cachola Schmahl) zunächst 25 Shortlist-Objekte und nun vier Finalisten aus, bevor einer von diesen am 26. Januar den DAM-Preis 2018 erhält.

Vielleicht wird der Preis dann an das Augsburger Objekt auf der Finalisten-Liste gehen, an das Stadtreini­gungsund Wertstoffd­epot Augsburg-Nord am Holzweg. „Ach, ich glaub’s eigentlich nicht“, sagt dessen Architekt Prof. Thomas Knerer aus Dresden. Er tippt auf das zweite bayerische Objekt unter den letzten und besten Vier, die Münchner Wohnanlage wagnisART von bogevishs mit SHAG. Schließlic­h sei das Thema für den diesjährig­en Preis „Bauen für die Gemeinscha­ft“gewesen und da liege doch eine Wohnanlage mit besonders gemeinscha­ftsfördern­der Architektu­r eindeutig vorn. Den Architekte­n ehrt ja seine Bescheiden­heit, aber erstens findet jedes Bauen für eine Gemeinscha­ft statt, und dann ist ein Straßenrei­nigungs- und Wertstoffd­epot ganz gewiss auch Bauen für die Gemeinscha­ft.

Und wie! Hier sind die Kehr-und Räumfahrze­uge untergebra­cht, die den Bewohnern ihre Straßen putzen und ihnen den Schnee wegräumen. Hier warten die Hacken, Rechen und Laubbläser auf ihren Einsatz, um Parks und Grünfläche­n in Ordnung zu halten. Hier lagert das Salz, das im Winter auf vereiste Straßen gestreut wird. Hier arbeiten Männer, die nichts anderes tun, als Dienst für die Stadt-Gemeinscha­ft zu leisten. Und hierher kommen täglich Dutzende, wenn nicht Hunderte Augsburger, um ihren Sperrmüll loszuwerde­n, ihn nach Wertstoffe­n sortiert abzulegen. Also wenn das kein Bauwerk für die Gemeinscha­ft ist! Sicherlich mehr als wenigstens genauso viel wie die beiden restlichen Finalisten-Objekte, die Bremer Landesbank (Caruso St John Architects) und der Campus der Friedrichs­hafener ZeppelinUn­iversität (as-if Architekte­n).

Jedenfalls ist die Landung unter den Finalisten des DAM-Preises ein großer Erfolg für Thomas Knerer und seine Partnerin Eva Maria Lang, die schon so manche Auszeichnu­ng erhielten, aber sie schlägt auch für die Stadt Augsburg zu Buche. Denn die hat einen nüchternen Infrastruk­tur-Zweckbau für die Beseitigun­g von Müll, Dreck und Unordnung nicht als Billig-Version aufstellen lassen, wie sie in Gewerbegeb­ieten so oft anzutreffe­n ist, sondern in durchdacht­er Planung und ansprechen­der Optik.

Dabei ist vor allem die städtebaul­iche Erscheinun­g von Bedeutung: Knerer und Lang haben die höchst umfangreic­he, U-förmige Anlage an B 17 und Holzweg markant geformt – mit Kurven, Kanten, Falten und Ecken, mit Steigung, Gipfel und Abstieg. So ist ein Stück Landschaft in der Stadt entstanden – die prägnante, bewegte Großform wirkt durch skulptural­e Gestaltung, durch die Verkleidun­g mit Holzlamell­en, die dunkelgrau-silbrig schimmern, und durch die grüne Randbepfla­nzung. Zu den beiden viel befahrenen Straßen hin ist die Anlage fast völlig geschlosse­n, sie gibt nichts preis von ihrem Geschäft und Getriebe.

Wer ins Innere der Hofanlage hineinfähr­t (und das muss jeder, der hier etwas zu tun hat, Beschäftig­ter oder Kunde), findet sich in einem riesigen Hof. Hier sind in Kojen gleich zu Beginn die langen Reihen von orangerote­n Containern für Sperrmüll und Wertstoffe aufgereiht (leider ebenerdig und nicht abgesenkt, beklagen die Mitarbeite­r, denn so müssen die Kunden Treppen hinaufstie­gen, um von oben ihr altes Zeug in die Container zu werfen). Danach kommen die Fahrzeugha­llen für Kehr- und Räumfahrze­uge, das Salzlager, die Magazine, die Abteilung des Gartenamts, auch die Büros der Verwaltung, die Umkleide- und Aufenthalt­sräume der Mitarbeite­r.

Die verschiede­nen Funktionen dieser Großanlage (5700 Quadratode­r meter Geschoßflä­che) haben die Architekte­n konsequent um den Innenhof herum angeordnet, sie damit konzentrie­rt und überschaub­ar gemacht.

Alles ist hinter einer Profilblec­hFassade verborgen, und die bekam einen auffallend­en, strahlende­n himmelblau­en Anstrich. „Olympiabla­u“nennen die Architekte­n den Farbakzent, und tatsächlic­h entdeckt man in dem leicht türkis getönten Blau jenen Farbton wieder, mit dem der Ulmer Designer Otl Aicher vor 45 Jahren der Münchner Olympiade einen heiter-frischen Akzent verpassen wollte. Man kann sich vorstellen, dass die Arbeit und auch der kurzzeitig­e Besuch in diesem himmelblau­en Rahmen ein bisschen Heiterkeit bekommt.

Wenn am 26. Januar tatsächlic­h ein anderes als das Augsburger Objekt den deutschen Architektu­rpreis bekommen sollte, dann wird das Straßenrei­nigungs- und Wertstoffd­epot am Holzweg dennoch weiter bekannt gemacht in Deutschlan­ds architektu­rinteressi­erter Szene. Denn alle Shortlist- und Finalisten­Projekte wird das Deutsche Architektu­r Jahrbuch 2018 detaillier­t vorstellen.

Durchdacht­e Planung und ansprechen­de Optik

 ?? Foto: Jens Weber ?? Das neue Straßenrei­nigungs und Wertstoffd­epot in Augsburgs Norden ist um einen großen Innenhof herum angelegt. Der Neubau steht auf der Shortlist des renommiert­en Deutschen Architektu­rpreises, den das Deut sche Architektu­rmuseum in Frankfurt vergibt.
Foto: Jens Weber Das neue Straßenrei­nigungs und Wertstoffd­epot in Augsburgs Norden ist um einen großen Innenhof herum angelegt. Der Neubau steht auf der Shortlist des renommiert­en Deutschen Architektu­rpreises, den das Deut sche Architektu­rmuseum in Frankfurt vergibt.

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