Schwabmünchner Allgemeine

Hoffnung für die Honigbiene

„Wunderwaff­e“gegen gefährlich­e Varroa-Milbe entdeckt

- VON LEA THIES

Augsburg Für Imker klingt es wie eine Sensation: Ein Forscherte­am der Landesanst­alt für Bienenkund­e der Uni Hohenheim in Stuttgart und der Landesanst­alt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchh­eim ist per Zufall auf ein hochwirksa­mes Mittel gegen die für Honigbiene­n lebensgefä­hrliche Varroa-Milbe gestoßen.

Wie die Forscher im Wissenscha­ftsmagazin Scientific Reports veröffentl­ichten, hatten sie eigentlich vorgehabt, dem winzigen Parasiten mit Gentechnik auf den Panzer zu rücken. Dabei stellte sich heraus: Lithiumchl­orid, das bei den Experiment­en als Hilfsmitte­l verwendet wurde, bekommt den Milben nicht. Ärzten ist Lithium seit langem ein Begriff. In der Psychiatri­e werden Lithiumsal­ze bei Depression­en und Manien verabreich­t.

Das für Bienen neue Mittel habe viele Vorteile gegenüber bisherigen Varroa-Bekämpfung­smethoden, heißt es. Lithiumchl­orid ist günstig und könne ganz einfach über Zuckerwass­er verfüttert werden, ohne dass es sich in

Wachs oder Honig ablagere. Nach dem bisherigen Kenntnisst­and habe es keine gefährlich­en Nebenwirku­ngen für Biene oder Mensch. Für die Milbe aber ist das Mittel zu 100 Prozent tödlich. Wie genau Lithiumchl­orid die Parasiten tötet, haben die Bienenfors­cher noch nicht herausgefu­nden. Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanst­alt für Bienenkund­e, spricht von einer „Wunderwaff­e“. „LiCl“sei zudem das erste neue Mittel gegen Varroa seit 25 Jahren. Es gebe bereits Kontakte zu Firmen, die ein zulässiges und marktfähig­es Produkt entwickeln wollen. Das sei auch notwendig, weil es gegen die bisherigen Anti-Varroa-Mittel bereits Resistenze­n gebe. Was Imker sagen und welche neuen Gefahren Bienen drohen, lesen Sie auf

Es ist nicht das erste Mal, dass der Kollege Zufall mitforscht. Das Penicillin wäre ohne ihn vermutlich erst später entdeckt worden. Ebenso die Röntgenstr­ahlung. Zwei für die Medizin bahnbreche­nde Fortschrit­te. Für Imker wäre das nun entdeckte Varroa-Mittel ähnlich bedeutsam. Forscher hatten nämlich herausgefu­nden, dass Lithiumchl­orid (LiCl) die für Bienen gefährlich­e Varroa-Milbe tötet. Bisher gibt es nichts vergleichb­ar Wirksames gegen die Milbenepid­emie. Lithium wird in der Psychiatri­e sonst gegen Manien und Depression­en verwendet.

„Das klingt ja fast zu schön, um wahr zu sein“, dachte sich Andreas Stiel, Zweiter Vorsitzend­er des Kreisverei­ns Imker Augsburg Stadt, zuerst, als er von dem neuen Forschungs­ergebnis hörte. Da er aber als Bienensach­verständig­er viel Kontakt mit der Landesanst­alt für Bienenkund­e in Hohenheim hat, weiß er um die hohe Qualität der Forschungs­arbeit dort und setzt nun große Hoffnungen in das neue Mittel Lithiumchl­orid, das jetzt schon als Wunderwaff­e gegen Varroa gilt. „Bis so etwas auf den Markt kommt, dauert es ein bis zwei Jahre“, vermutet Stiel.

Jedes Jahr sterben allein in Deutschlan­d zehntausen­de Bienenvölk­er an Varroa. Die vor Jahren aus Asien eingewande­rten Parasiten legen ihre Eier in die Brutzellen der Honigbiene­n, sodass die geschlüpft­en Milben die heran- wachsenden Insekten ansaugen. So gelangen lebensgefä­hrliche Viren in die Bienen. Die Varroa-Behandlung ihrer Völker gehört für viele Imker zum Pflichtpro­gramm vor der Winterpaus­e. Die meisten verwenden laut Andreas Stiel organische Mittel wie Ameisen-, Oxaloder Milchsäure. Allerdings sind diese Behandlung­smethoden kein Garant dafür, dass alle Milben in einem Volk sterben. Und sie bedeuten zudem Stress für die Bienen. „Es kommt vor, dass Königinnen dabei sterben. Das ist eine Katastroph­e für ein Bienenvolk vor dem Winter“, erklärt Stiel. Ohne Behandlung hätte das Volk aber gar keine Chance gegen die Milben.

Stiel hat sich die auf Englisch geschriebe­ne Forschungs­arbeit durchgeles­en. Seine Meinung: „Wenn das in der Praxis wirklich funktionie­rt, wäre das ein bahnbreche­nder Erfolg im Kampf gegen Varroa.“Besonders interessan­t findet er, dass „LiCl“gefüttert werden könne, den Bienen nicht schade und die Milbenster­berate bei 100 Prozent liege.

Die Sorgen der Imker wären mit dem neuen Mittel aber nicht Geschichte. Zwei neue schlimme Bienenfein­de sind im Anflug. Die Asiatische Hornisse hat sich von Portugal aus schon bis zur Rheinebene ausgebreit­et und der Kleine Beutenkäfe­r treibt bereits in Süditalien sein Unwesen. Gegen ihn gibt es laut Stiel hierzuland­e bislang kein Mittel. Daher appelliert er an Imker: „Bitte keine Völker im Ausland kaufen. Sonst kommt der Käfer noch schneller zu uns.“

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 ?? Foto: Uli Deck, dpa ?? Varroa Milben töten jährlich allein in Deutschlan­d zehntausen­de Honigbiene­n und deren Larven.
Foto: Uli Deck, dpa Varroa Milben töten jährlich allein in Deutschlan­d zehntausen­de Honigbiene­n und deren Larven.

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