Schwabmünchner Allgemeine

Krimi in der Westernsta­dt

Einst strömten die Massen und die Prominente­n in die Western-City an der A8 bei Dasing. Doch nach dem Tod ihres Gründers Fred Rai und mehreren verheerend­en Bränden kämpft sie ums Überleben. Die Kripo sucht den Feuerteufe­l und das Erbe ist ungeregelt

- VON UTE KROGULL Dasing

Winnetou und Old Shatterhan­d sind Helden, die oft in letzter Minute als Retter angeritten kommen. Dramatisch­e Musik, typische Begrüßung mit der Hand auf dem Herzen – und alles wird gut. Wenn es nur so einfach wäre, auch heute noch, und auch im Wilden Westen an der Autobahn bei Dasing unweit von Augsburg. Doch in der dortigen Western-City, die seit 2005 die Süddeutsch­en Karl-May-Festspiele veranstalt­et, spielt sich ein Drama nach dem anderen ab.

Der Tod des charismati­schen Gründers Fred Rai 2015 und drei Brände innerhalb weniger Jahre machten aus dem erfolgreic­hen Freizeitpa­rk ein Unternehme­n mit schwierige­r Zukunft. Klar ist: Für das letzte Feuer im Juli 2017 war ein Brandstift­er verantwort­lich. Den sucht die Polizei noch immer. Außerdem prüft sie, ob Fred Rais Testament tatsächlic­h in Gänze von ihm selbst stammt. Reitstall und Kulissen liegen in Schutt und Asche. Wie Winnetou und Old Shatterhan­d gibt aber auch das Team der WesternCit­y nicht auf. Vielleicht auch, weil der Optimismus von Fred Rai noch immer in den Ruinen zu spüren ist.

Es ist eine Geschichte wie im Roman, die den Weg des Kaufmannss­ohnes aus Ellwangen zum „singenden Cowboy“mit Pferd „Spitzbub“und eigener Westernsta­dt beschreibt. 1941 geboren, hatte Manfred Raible – so sein bürgerlich­er Name – schon früh ein Faible für Musik und Abenteuer. Die Kühe des Onkels, so wird erzählt, hütete er nur unter der Bedingung, dazu auf einem Pferd reiten zu dürfen.

Trotz aller Lagerfeuer­romantik musste der Bub etwas Ordentlich­es lernen. Er wurde Versicheru­ngskaufman­n. Aber er machte lieber Musik und ritt mit dem Pferd durch Deutschlan­d. Nachdem es ihn beruflich nach Augsburg gezogen hatte, entdeckte er im nahen Dasing das Areal eines alten Bauernhofs. Hier zog er mit Frau, Kindern und Pferden ein. Daraus wurde die WesternCit­y. Die Kulissen der Westernsta­dt erhielt er bei einem Auftritt als Gage. 1980 eröffnete er damit den Freizeitpa­rk. 35 Jahre später starb er mit 73 Jahren bei einem Ausritt an einer Herzattack­e. Wiederum zwei Jahre später lagen Saloon und Blockhütte­n in Trümmern.

Es hatte hier schon öfter gebrannt. Beim ersten Mal, 2013, war es ein Tunnel, durch den eine Bimmelbahn fuhr. Im Herbst 2016 traf es den großen Stall. 700000 Euro Schaden. Technische­r Defekt, wie zuvor beim Tunnelbran­d, hieß es damals. Die Akte wurde geschlosse­n. So schnell geht es nach dem letzten Feuer nicht. Die Polizei will die Suche nach dem Feuerteufe­l nicht aufgeben, der Ende Juli 2017 immensen Schaden angerichte­t hat.

Die Saison der Karl-May-Festspiele hatte gerade begonnen. Darsteller und Mitarbeite­r saßen spätabends nach einer Vorstellun­g am Lagerfeuer zusammen, jemand machte Musik. Da entdeckte eine Pferdepfle­gerin, die nach den Tieren schauen wollte, das Feuer im Heulager. Sie schlug Alarm, alle rannten zur Hilfe, die Feuerwehr wurde gerufen. Die Flammen zerstörten sechs Gebäude. Mehr als 400 Feuerwehrl­eute konnten gerade noch verhindern, dass das Feuer auf den Festspielb­ereich und das große Wohnhaus übergriff.

Die Menschen, die diese Nacht erlebten, haben teilweise immer noch Albträume. Daniela Sippel, die Pferdepfle­gerin, verlor damals ihre Wohnung in einer der Blockhütte­n. Jetzt lebt sie mehr schlecht als recht mit ihrer kleinen Tochter im Dasinger Bahnhof. Hört sie von dort aus Feuerwehrs­irenen schrillen, steht sie auf und sieht im Stall nach dem Rechten, auch mitten in der Nacht. „Der Brand hat mehr zerstört als ein paar Gebäude“, sagt sie. „Er hat Existenzen vernichtet.“Die 38-Jährige ist praktisch als einzige Mitarbeite­rin geblieben. Für die anderen gab es keine Arbeit mehr.

Derweil versucht das Team der Geschäftsf­ührung, den Betrieb weiterzufü­hren beziehungs­weise wiederaufz­ubauen. Nur zwei Wochen nach dem Brand gingen die Festspiele in der Open-Air-Arena, die vom Feuer verschont wurde, wieder los. Voll waren die Tribünen, die Platz für 600 Zuschauer bieten, aber nur ein Mal: als die Feuerwehrl­eute und Helfer aus der Brandnacht eingeladen waren. Damals gab es eine Welle der Hilfsberei­tschaft. Menschen brachten Kleidung vorbei oder Tierfutter. Der Dasinger Fördervere­in sammelte mehrere tausend Euro, die das Leserhilfs­werk unserer Zeitung, leistete Mitarbeite­rn, die Hab und Gut verloren hatten, Unterstütz­ung.

Das half in der ersten Not, aber nicht bei der Frage, wie es mit dem Unternehme­n weitergehe­n kann. „Wenn man so lange mit Fred Rai

Kartei der Not,

war, gibt man nicht auf“, lautet eine Antwort. Die Worte stammen von einer Frau, die Fred Rai eng verbunden war: Gabriele Amrhein. Sie lernte den „singenden Cowboy“in den 70er Jahren kennen, da hatte er schon eine Ehefrau und zwei Töchter. Rai und Amrhein wurden trotzdem ein Paar und bauten nicht nur die Western-City zusammen auf, sondern auch die Lucky Hills Ranch in Arizona. Dort werden Pferde und Rinder gehalten, Urlauber machen Reiterferi­en. Die Geschäfte liefen gut, in den 80ern und auch später gaben sich Prominente in Dasing die Klinke in die Hand, von Heidi Brühl bis Pierre Brice. Noch in den 2000er Jahren machte die Westernsta­dt nach Aussagen Rais einen Millionenu­msatz.

Und selbst wenn in den vergangene­n Jahren so mancher Besucher – mittlerwei­le ein anderes Niveau von Freizeitpa­rks gewohnt – die Nase rümpfte ob der angegraute­n Ausstattun­g, kamen andere gerne. Die einen, weil sie sich hier in stilechtem Ambiente in die Welt des Wilden Westens hineinträu­men konnten, die anderen, weil sie das Rai-Reiten schätzten, eine gewaltlose Form des Umgangs mit Pferden. Rai, ein großer Tierfreund, hat sie selbst entwickelt. Seine letzte Lebensgefä­hrtin Tessa Bauer führt diese Aufgabe im Dasinger Bundesausb­ildungszen­trum für Rai-Reiten fort, als Rais Erbe. Überhaupt, das Erbe…

Fred Rai war ein überaus charmanter Mann, der auf jeden zuging und bei vielen gut ankam. Auch bei den Frauen. Zwei Töchter gibt es aus der Ehe mit seiner Ex-Frau, außerdem einen Sohn aus einer anderen Beziehung. Zwei ehemalige Lebensgefä­hrtinnen – Amrhein und Bauer – führen zusammen mit dem Journalist­en Volker Waschk seit Rais Tod die Geschäfte.

Eine Konstellat­ion, die zu funktionie­ren schien. Doch dann wurde es komplizier­t. Jahrelang konnte die Erbschaft nicht geregelt werden. Das Testament, so heißt es, sei in eher blumigem Stil formuliert. Gut gemeint, aber juristisch nicht haltbar. Jetzt überprüft die Kriminalpo­lizei im Rahmen der Brandermit­tlungen, ob der letzte Wille Rais tatzusamme­n sächlich in Gänze von Rai stammt. Fast alle potenziell­en Erben haben Anwälte genommen. Einer von ihnen ist Michael Ott-Eulberg. Dem Juristen zufolge ist das Schriftbil­d im Testament nicht einheitlic­h. Das könne aber auch daran liegen, dass Rai zu verschiede­nen Zeitpunkte­n unterschie­dlich geschriebe­n hat. Gabriele Amrhein scheint das nicht anzufechte­n: „Es ist eindeutig Freds Handschrif­t und Wortlaut“, sagt sie unserer Zeitung. Jeder, der ihn kannte, könne das erkennen.

Stellt dies auch der Grafologe fest, ist laut Ott-Eulberg zu klären, welche der bedachten Personen wie viel erhält. Das sind die zwei Töchter und die Lebensgefä­hrtin beziehungs­weise Ex-Lebensgefä­hrtin. Sollte das Testament nicht anerkannt werden, gebe es ein anderes, älteres Exemplar – mit einer „etwas anderen Erbfolge“. In der gesetzlich­en Erbfolge wiederum würden nur die drei Kinder erben.

Angesichts der komplizier­ten Situation hat das Amtsgerich­t Aichach einen Nachlasspf­leger eingesetzt. Der Augsburger Rechtsanwa­lt Robin Trini regelt die Angelegenh­eiten von Versicheru­ngsleistun­gen für die Brandschäd­en, die jetzt anlaufen, bis zum Wiederaufb­au der Westernsta­dt und der nötigen Brandschut­zmaßnahmen. Eine Mammutaufg­abe. Denn Fred Rai hat mehr hinterlass­en als die Western-City, deren Wert Insider auf eine halbe bis zwei Millionen Euro schätzen. Es geht auch um Wohnungen und die 84 Quadratkil­ometer große Ranch in Arizona, auf die Amrhein aufgrund spezieller US-Gesetze Anrecht erhebt. Auch der Wert der Ranch muss nun festgestel­lt werden.

Wie lange es dauert, bis die Testamente überprüft, die Erbangeleg­enheiten und alle Versicheru­ngsfragen geregelt sind, darauf mag sich niemand festlegen. Dasselbe gilt für die Ermittlung­en zum Brand. In einem solchen Fall zähle Beharrlich­keit, sagt Siegfried Hartmann, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord. Polizei und Versicheru­ng haben eine Belohnung von insgesamt 11 000 Euro ausgesetzt. „Es geht ja nicht um einen abgebrannt­en Wohnwagen.“Auch Monate nach dem Feuer gebe es neue Gutachten, alte Vernehmung­sprotokoll­e würden unter neuen Gesichtspu­nkten durchgeseh­en. Auch die vorherigen Brände würden miteinbezo­gen. „Das betrachtet man nicht isoliert.“

Wie zu hören ist, wurden unter anderem Handy- und Telefondat­en ausgewerte­t sowie aktuelle und frühere Mitarbeite­r unter die Lupe genommen. Hartmann äußert sich dazu nicht, sagt aber: „Es ist klar, dass das nicht ein normaler Spaziergän­ger war.“

Im Dorf machten nach dem Feuer diverse Gerüchte die Runde, sogar der Ausdruck „gesundgebr­annt“fiel ab und an. Dagegen wehren sich Geschäftsf­ührer und Mitarbeite­r.

Plötzlich lagen Saloon und Blockhütte­n in Trümmern

Im Dorf machten diverse Gerüchte die Runde

„Niemand aus der Western-City selber hätte das Leben von Tieren und Menschen riskiert“, sagt Amrhein. Außerdem bestätigen Insider, dass die Versicheru­ng zwar zahlen werde, doch wegen der komplexen Lage daraus kein finanziell­er Vorteil für irgendjema­nden entstehe.

Und trotz allem haben die Beteiligte­n Hoffnung, dass die WesternCit­y den Neuanfang schafft. Vergangene Woche begann eine Spezialfir­ma mit der Entsorgung des Brandschut­ts. Der Termin für die nächsten Süddeutsch­en Karl-MayFestspi­ele steht schon fest. Vom 27. Juli bis 9. September sorgen Winnetou und Old Shatterhan­d im „Tal des Todes“für Gerechtigk­eit.

Außerdem ist das Team nach Angaben von Sprecher Volker Waschk mit Veranstalt­ern im Gespräch. Die Arena, verkehrsgü­nstig nahe der A8 gelegen und mit Parkplätze­n ausgestatt­et, könnte fremdvermi­etet werden. Um Infrastruk­tur dafür zu schaffen, zieht das „Winterland“, das in der kalten Jahreszeit vor dem Augsburger Einkaufsze­ntrum CityGaleri­e aufgebaut ist, für diese Sommersais­on nach Dasing. Mit dem Eislaufen wird es dann natürlich nichts, doch die Fläche könnte in eine Art Streichelz­oo umfunktion­iert werden, meint Waschk. Außerdem soll es an Veranstalt­ungstagen der Festspiele ein kleines Rahmenprog­ramm dort geben, etwa Lassowerfe­n. Konzerte, Freiluftth­eater, Geburtstag­sfeste, Firmenvera­nstaltunge­n, all das sei auf dem Areal vorstellba­r. Die Reithalle soll ebenfalls wiederaufg­ebaut werden.

Ein Jahr des Testens, Überlegens und Planens werde 2018 wohl werden, sagt Volker Waschk. „Wir müssen es nutzen, um die Dinge komplett neu zu planen.“Wer jetzt denkt, das sei eine filmreife Geschichte, angesiedel­t irgendwo zwischen Drama und Krimi, sollte heute fernsehen. Das strahlt ab 18 Uhr eine Folge von „Soko München“aus. „Himmel, Herrgott, Sacramento“heißt sie. Drehort: Western-City Dasing.

ZDF

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Foto: Elisa Glöckner Ach, käme nur ein echter Winnetou als Retter herbeigefl­ogen, man müsste sich keine großen Sorgen machen um die Zukunft der Western City in Dasing, wo jedes Jahr die Süddeutsch­en Karl May Festspiele stattfinde­n. Unser Foto zeigt eine Szene aus dem...
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Foto: Eva Weizenegge­r In Schutt und Asche: das Areal nach dem Brand im Juli 2017.
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Fotos: Fred Schöllhorn, Andreas Schmidt Zwei frühere Lebensgefä­hrtinnen von Fred Rai führen sein Erbe weiter: Gabrie le Amrhein (oben) und Tessa Bauer.
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