Schwabmünchner Allgemeine

Sie will Deutschlan­ds Fahne tragen

Die Eisschnell­läuferin Claudia Pechstein kämpft darum, ihren Namen von Dopingvorw­ürfen reinzuwasc­hen. Es wäre einer ihrer größten Siege

- Christian Gall

Im Februar 2009 ist für Claudia Pechstein eine Welt zusammenge­brochen. Die Internatio­nale Eislaufuni­on schloss die gebürtige Ostberline­rin für zwei Jahre von sämtlichen Wettkämpfe­n aus. Der Grund: Doping. Pechstein konnte es nicht fassen. Niemals habe sie ihre Leistung mit verbotenen Mitteln gesteigert, beteuerte die Eisschnell­läuferin. Heute ist klar, dass sie damals die Wahrheit gesagt hat. Doch an ihrem Namen haftet immer noch das Wort „Doping“. Darf so jemand bei der Eröffnungs­feier der Olympische­n Winterspie­le die deutsche Fahne tragen?

Aus sportliche­r Sicht hat sich die 45-Jährige diese Ehre längst verdient. Seit den Winterspie­len 1992 sammelt Pechstein olympische Medaillen. Fünfmal Gold und je zweimal Silber und Bronze hat sie seitdem errungen. Sie wurde zum Publikumsl­iebling unter den deutschen Winterspor­tlern. Umso schockiert­er war die Öffentlich­keit, als Ärzte in ihren Blutproben erhöhte Werte feststellt­en, die auf Blutdoping hinwiesen – eine verbotene Methode, die die Anzahl der roten Blutkörper­chen und damit die Leistungsf­ähigkeit eines Sportlers steigert.

Pechstein wurde nicht nur von Wettkämpfe­n ausgeschlo­ssen. Ihr drohten auch berufliche Konsequenz­en, denn die Eisschnell­läuferin ist Polizeihau­ptmeisteri­n der Bundespoli­zei. Nachdem ihre Dopingsper­re an die Öffentlich­keit gekommen war, leitete ihr Arbeitgebe­r ein Disziplina­rverfahren gegen sie ein. In dieser schweren Zeit ging auch ihre Ehe in die Brüche – zwölf Jahre lang war die bis heute kinderlose Pechstein verheirate­t. Die Spitzenspo­rtlerin zog gegen die Dopingsper­re wiederholt vor Gericht, jedoch ohne Erfolg. Dabei bescheinig­ten Ärzte schon 2010, dass die Auffälligk­eiten in ihrem Blut nichts mit Doping zu tun haben. Pechstein kam mit einer Blutanomal­ie zur Welt, einer vererbten Veränderun­g der Blutkörper­chen. Ihrem Arbeitgebe­r reichte das, um das Disziplina­rverfahren gegen sie fallen zu lassen. Im Jahr 2015 bewertete eine Expertenko­mmission des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s ihre Dopingsper­re als Fehlurteil. Von einem ordentlich­en Gericht fehlt ein solches Urteil allerdings bis heute. Nach der zweijährig­en Sperre kehrte Pechstein wieder aufs Eis zurück. Verbissen kämpfte sie darum, an ihre alten Erfolge anzuknüpfe­n. Das gelang ihr – und gelingt ihr noch heute. Im vergangene­n Dezember gewann sie zwei Weltcups – im stolzen Alter von 45 Jahren. Ihr Lebensgefä­hrte Matthias Große ist bei allen Wettkämpfe­n an ihrer Seite. Gleichzeit­ig verkörpert er ihren Bodyguard und Berater.

Nun diskutiert die Sportwelt darüber, ob Pechstein bei der Eröffnung der Winterspie­le in Pyeongchan­g die deutsche Fahne tragen darf. Viele Größen des Sports sprachen sich bereits für sie aus. Sollte ihr diese Ehre zuteilwerd­en, wäre das eine symbolisch­e Anerkennun­g ihrer Ehrlichkei­t und Unschuld. Und darauf arbeitet Pechstein seit neun Jahren hin.

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Foto: dpa

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