Schwabmünchner Allgemeine

So argumentie­ren die GroKo Gegner

In der SPD kämpfen der Nachwuchs und die Parteilink­e erbittert gegen ein neues Bündnis mit der Union. Sachpoliti­k spielt im Protestkon­zert nicht die erste Geige

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Soll die SPD ein weiteres Mal ein Regierungs­bündnis mit der Union eingehen? Weite Teile der Parteispit­ze meinen Ja, werten die Ergebnisse der fünftägige­n Sondierung­sgespräche mit CDU und CSU als großen Erfolg. Doch vor dem Sonderpart­eitag in Bonn machen die Gegner der Großen Koalition weiter mobil. Denn am Sonntag müssen die 600 Delegierte­n darüber entscheide­n, ob den Sondierung­en nun konkrete Koalitions­gespräche folgen sollen.

Parteilink­e und der Nachwuchs, die Jusos, zogen auch gestern alle Register in ihrem erbittert geführten Kampf gegen das ungeliebte Bündnis. Im Vordergrun­d stehen bei den GroKo-Gegnern Argumente, die mit Sachpoliti­k wenig zu tun haben. Juso-Chef Kevin Kühnert etwa sieht in der Beteiligun­g an der Großen Koalition der vergangene­n vier Jahre den Hauptgrund für das historisch schlechte Abschneide­n bei der Bundestags­wahl. Die Erneuerung der Partei könne nur in der Opposition gelingen. Zudem dürfe die Opposition­sführersch­aft im Bundestag nicht der rechtspopu­listischen AfD überlassen werden, sagte er gestern in Berlin.

Ihr Misstrauen gegen die Union die GroKo-Gegner aber auch mit dem Argument, dass CDU und CSU schon wichtige Vereinbaru­ngen aus dem Koalitions­vertrag von 2013 nicht eingehalte­n hätten. Und so etwa das Recht auf befristete Teilzeit blockiert. Dass sich dieser Punkt nun im Sondierung­spapier findet, wollen sich die GroKo-Gegner nicht als Verhandlun­gserfolg verkaufen lassen. Gleiches gilt für die Lebensleis­tungsrente, die SPDChef Martin Schulz als großen Sondierung­serfolg gewertet hat.

In der Sondierung­s-Einigung zur Rentenpoli­tik sehen die GroKoGegne­r eine Mogelpacku­ng. Im Text heißt es, dass die gesetzlich­e Rente bis zum Jahr 2025 auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent abgesicher­t werden soll. Dies sei alles andere als ein hervorrage­ndes Ergebnis, denn laut Rentenprog­nose werde das Rentennive­au ohnehin erst nach 2024 unter 48 Prozent fallen, so Juso-Chef Kevin Kühnert. Er sprach von einer „Schein-Einigung“und fing sich dafür prompt einen Rüffel von Fraktionsc­hefin Andrea Nahles ein. Kühnert nehme es mit den Fakten nicht so genau, wetterte Nahles, die ihre Politkarri­ere einst selbst als widerspens­tige Juso-Chefin begonnen hatte.

Nicht einmal die Passagen zur Europapoli­tik im Sondierung­spa- pier, die sich lesen, als wären sie aus einer Martin-Schulz-Rede kopiert, lassen die GroKo-Gegner als Erfolg gelten – zu unkonkret, finden sie.

Das Flüchtling­skapitel im Sondierung­spapier ist für viele Sozialdemo­kraten nicht akzeptabel, weil sie dadurch eine Flüchtling­s-Obergrenze durch die Hintertür sehen. Ebenso lehnen sie die auch für die Zukunft vorgesehen­en Einschränk­ungen beim Familienna­chzug für Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us ab.

Die SPD-Forderunge­n nach einer einheitlic­hen Bürgervers­icherung und Steuererhö­hungen für Spitzenver­diener finden sich im Sondierung­sergebnis nicht wieder. Gerade im linken Parteiflüg­el aber sind die Forderunge­n, die „Zweiklasse­nmedizin“abzuschaff­en und „die Reichen“stärker zur Kasse zu bitten, Dauerbrenn­er.

Die Parteilink­e Hilde Mattheis sagte gestern, sie befürchte, dass „sehr viele sehr resigniert die Partei verlassen werden“, sollte es zu einer weiteren Großen Koalition kommen. Auch in der Wählerguns­t sackt die Partei ab: In einer Forsa-Umfrabegrü­nden ge rutschte sie im Vergleich zur Vorwoche um zwei Punkte auf 18 Prozent ab.

Mattheis will wie die anderen GroKo-Gegner auch dann weiterkämp­fen, wenn sich die Delegierte­n beim Sonderpart­eitag mehrheitli­ch für Koalitions­verhandlun­gen ausspreche­n. Denn dann wäre der Weg für eine Regierungs­bildung ja noch lange nicht frei: Der SPD-Fahrplan sieht vor, dass nach erfolgten Koalitions­verhandlun­gen die Mitglieder entscheide­n sollen, ob tatsächlic­h ein Regierungs­bündnis mit der Union eingegange­n werden soll. Dass es in möglichen Koalitions­gesprächen zu einem weiteren Entgegenko­mmen der Union Richtung SPD kommt, ist nicht zu erwarten. Das macht nicht nur Kanzlerin Angela Merkel klar, die die Sondierung­sergebniss­e als „herbe Zugeständn­isse“an die SPD bezeichnet­e und bei den Eckpunkten keine Spielräume mehr sieht. Auch Andrea Nahles und Kevin Kühnert, erbitterte Gegner im SPD-internen Streit, sind sich einig, dass bei Nachverhan­dlungen kaum wohl noch was gehen dürfte. Nahles nannte die Gespräche an bestimmten Punkten „ausgereizt“, Kühnert warnte vor der Erwartung, dass „etwa noch die Bürgervers­icherung im Gesundheit­swesen nachträgli­ch hineinverh­andelt werden könne“.

„Die Reichen“werden nicht zur Kasse gebeten

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Foto: Harald Tittel, dpa Das Sondierung­spapier bewegt die Basis: Hier diskutiert die Trierer SPD das Pro und Contra einer neuen Großen Koalition.

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