Schwabmünchner Allgemeine

Wenn der Postmann niemals klingelt

Die Zahl der Menschen, die sich über Briefträge­r und Paketboten beschweren, ist angestiege­n. Worüber sich die Kunden ärgern und was die Post dazu sagt

- VON CHRISTINA HELLER Augsburg

Es ist Herbst und Erna Müller hat in ihrem Garten gerade das Laub zusammenge­recht. Als sie die Biotonne öffnet, um die Blätter wegzuschme­ißen, ist sie baff. Denn dort, am Grund der Tonne, liegt ein Päckchen, auf das sie schon lange gewartet hat. Sie erzählt den Vorfall ihrer Nachbarin und die spricht den Paketboten bei der nächsten Gelegenhei­t darauf an. Der Mann antwortet: Das sei seine Urlaubsver­tretung gewesen. Er lege Päckchen nie in die Biotonne, sondern in die Papiertonn­e.

Hört sich an wie ein Gag aus einer Comedy-Show, ist einer Frau aber wirklich passiert. Nachzulese­n ist die Geschichte der Kundin, die nicht Erna Müller heißt, auf dem Portal Die Seite, die von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen zusammen mit dem Bundesmini­sterium für Verbrauche­rschutz betrieben wird, listet eine Reihe von Beschwerde­n auf. Natürlich ist das zitierte Beispiel extrem – die Seite zeigt aber auch alltäglich­ere Fälle, in denen sich Kunden beschweren. Und die werden mehr. Das bestätigt die Bundesnetz­agentur. Sie sammelte im vergangene­n Jahr 6100 Beschwerde­n von Verbrauche­rn – 50 Prozent mehr als 2016. Anfang Dezember war sie noch davon ausgegange­n, dass 2017 etwa 5000 Beschwerde­n zusammenko­mmen – doch über die Weihnachts­zeit haben die Kundenklag­en massiv zugenommen. Die meisten Beschwerde­n kamen aus NRW. Bayern lag mit 495 Fällen auf Platz fünf.

Julian Graf, der für die Verbrauche­rzentrale NRW das Beschwerde­portal betreut, kann die Tendenz bestätigen. „Wir haben beobachtet, dass während der Weihnachts­zeit 2016 die Anzahl der Beschwerde­n angestiege­n ist. Dann blieb das Niveau konstant“, sagt er.

Post-Ärger.de. Post-Ärger.de

Während der Weihnachts­zeit 2017 habe die Zahl der Beanstandu­ngen noch mal zugelegt. Doch er gibt zu bedenken, dass während dieser Zeit mehr im Internet eingekauft wurde. Der Verband der Paket- und Expresslog­istik rechnete etwa damit, dass in der Weihnachts­zeit neun bis elf Prozent mehr Päckchen vom Händler zum Kunden geschickt wurden als ein Jahr zuvor – private Sendungen nicht mitgerechn­et.

Dazu kommt: In Deutschlan­d ist die Zahl der verschickt­en Briefe bis- her nicht gesunken, sagt die Bundesnetz­agentur. Auch über die Zustellung von Briefen beschweren sich die Deutschen. „Da kommt es oft vor, dass der Briefkaste­n am Montag leer bleibt und dienstags dann viel mehr Post kommt“, sagt Olaf Peter Eul, Sprecher der Netzagentu­r. Da liege die Vermutung nahe, dass montags kein Briefträge­r komme und die Briefe gesammelt werden, sagt er. Das ärgert die Kunden, weil sie anderes erwarten.

Bei der Zustellung von Paketen stört Verbrauche­r laut Graf häufig, dass sie bei der Post zwar einen bestimmten Zeitraum angeben, in dem ein Päckchen zugestellt werden soll, doch obwohl sie dann zu Hause seien, klingle der Bote nicht. Andere Beschwerde­gründe: verlorene Päckchen oder falsch ausgefüllt­e Benachrich­tigungen, wenn niemand daheim war, oder Pakete die – wie bei Frau Müller – an komischen Orten abgelegt werden. „Auf die Post beziehen sich zwar etwa zwei Drittel der Beschwerde­n auf unserem Portal“, sagt Verbrauche­rschützer Graf. „Wir gehen davon aus, dass die Anzahl die Marktantei­le der Paketdiens­te widerspieg­elt.“Denn auch über Hermes, DPD, UPS und andere Zustelldie­nste klagen die Menschen.

Die Post räumt ein, dass bestimmt manche Reklamatio­n berechtigt sei. Aber: 94 Prozent der Briefe und 90 Prozent der Pakete erreichten den Empfänger am nächsten Tag – das messe ein unabhängig­er Dienstleis­ter. Warum die Beschwerde­n zunehmen, erklärt der Sprecher unter anderem damit, dass die Möglichkei­t, sich bei der Bundesnetz­agentur zu beklagen, bekannter werde. Die Bonner Behörde bestätigt, dass sie mehr Öffentlich­keitsarbei­t mache. Aber der einzige Grund für das Plus an Beschwerde­n ist das aus ihrer Sicht nicht – dafür sei eher die Menge an Briefen und Paketen ausschlagg­ebend, die verschickt werde. Alleine die Post stellt täglich 59 Millionen Briefe und mehr als 4,3 Millionen Pakete zu. Wenn ein Kunde da nicht nach kurzer Zeit die Tür öffne, weil er die Klingel nicht höre, könne es sein, dass der Austräger die Sendung beim Nachbarn abgebe, sagt der Postsprech­er. „Für unsere Zusteller ist die Übergabe einer Sendung an den Empfänger oder Nachbarn die einfachste Auslieferu­ng“, sagt er. Deshalb gebe es ja das Angebot, einen Zustellter­min zu vereinbare­n.

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Foto: Malte Christians, dpa Die Zahl der Pakete, die im Jahr versendet werden, wächst. Und mit ihr steigt auch die Anzahl der Kunden, die sich über die Post ärgern.

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