Schwabmünchner Allgemeine

Ein Siegel für gute Hühnerhalt­ung

Die „Initiative Tierwohl“legt ein neues Label auf, mit dem sie Geflügelfl­eisch kennzeichn­et. Verbrauche­rschützern gehen die Auflagen aber nicht weit genug

- VON SARAH SCHIERACK

Berlin Einen kleinen Seitenhieb kann sich Alexander Hinrichs nicht verkneifen. „Das, was für den Staat noch Zukunftsmu­sik ist“, sagt er, „das haben wir schon seit drei Jahren.“Hinrichs ist Geschäftsf­ührer der vom Handel finanziert­en „Initiative Tierwohl“, die 2015 gegründet wurde, um die Haltungsbe­dingungen in deutschen Ställen zu verbessern. Etwas Ähnliches hat auch Agrarminis­ter Christian Schmidt schon seit längerer Zeit vor. Wann Produkte mit einem staatliche­n Tierwohl-Label in den Regalen liegen, ist aber noch völlig unklar.

Pünktlich zur heute beginnende­n Grünen Woche in Berlin, der größten Agrarmesse der Welt, hat die „Initiative Tierwohl“nun ein eigenes Siegel für Geflügel vorgestell­t. Verbrauche­r sollen daran erkennen, dass das Fleisch aus einem Betrieb stammt, der seine Tiere nach den Grundsätze­n der Initiative hält – sie haben dann zum Beispiel mindestens zehn Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschri­eben. Finanziert wird das über die Erlöse aus dem Fleischver­kauf: Pro verkauftem Kilo zahlen alle großen Einzelhänd­ler 6,25 Cent in einen Fördertopf, aus dem die Landwirte, die am Programm teilnehmen, Geld erhalten.

Das neue Siegel finden Kunden ab April im Supermarkt und im Discounter – sowohl auf unverarbei­tetem Hühner- und Putenfleis­ch aus dem Kühlregal als auch bei Produkten aus der Fleischthe­ke. Verarbeite­tes Geflügel, also zum Beispiel marinierte­s Hähnchen oder Putenwurst, kann nach den Worten von Geschäftsf­ührer Hinrichs noch nicht gekennzeic­hnet werden. Ebenso wenig wie Schweinefl­eisch: Weil die Tiere ihr Leben meist nicht nur in einem Mastbetrie­b verbringen, sei es deutlich schwerer, die Einhaltung der Vorgaben zu kontrollie­ren.

Die private Initiative ist durchaus umstritten. Hinter dem Zusammensc­hluss stecken der Bauernverb­and, die Fleischind­ustrie und alle großen deutschen Lebensmitt­elhändler – also viele Akteure, die in der Vergangenh­eit nicht unbedingt lautstark für mehr Tierwohl eingetrete­n sind. Tierschütz­er und Verbrauche­rorganisat­ionen kritisiere­n das freiwillig­e Programm als Minimallös­ung, die am großen Problem der Massentier­haltung nichts ändere. Der Tierschutz­bund und der Verein „Pro Vieh“haben den Berateraus­schuss der Initiative vor eineinhalb Jahren verlassen, weil ihnen die Tierwohl-Regeln zu lasch waren.

Der Zusammensc­hluss hat allerdings einen großen Vorteil gegenüber anderen Label-Lösungen: Er hat weite Teile der Branche auf seiner Seite. Schon jetzt werden knapp 70 Prozent der Hühner und über 50 Prozent der Puten nach den Vorgaben der „Initiative Tierwohl“gehalten. Bei den Schweinen sind es etwa 20 Prozent. „Wir wollen mit der Initiative Tierwohl zum Branchenst­andard werden“, betont Hinrichs.

Dazu passt allerdings der Vorstoß des Discounter­s Aldi nicht so ganz. Der hatte in dieser Woche angekündig­t, ebenfalls eine Tierwohl-Marke aufzulegen – obwohl der Konzern auch zu den Trägern der „Initiative Tierwohl“gehört. Darauf angesproch­en, zuckt Hinrichs mit den Schultern. Das Aldi-Label, sagt er, sei einfach „eine gute Ergänzung“.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Die Haltungsbe­dingungen von Hühnern wurden immer wieder kritisiert. Vor allem, dass sie zu wenig Platz hätten, wird von Tierschütz­ern immer wieder negativ bewertet. Des halb stellt die „Initiative Tierwohl“jetzt ein neues Siegel für Geflügel Produkte...
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Foto: Initiative Tierwohl So sieht das neue Siegel der Initiative Tierwohl aus.

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