Schwabmünchner Allgemeine

SPD wirft Söder Themenklau vor

Wohnen, Familie, Pflege – das sind klassische Felder der Sozialdemo­kraten. Nun will die CSU dort punkten. Warum das die SPD-Spitze auch freut und wie sie den Wahlkampf gestalten will

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Irsee Mit Frauen an der Spitze hat die bayerische SPD gute Erfahrunge­n gemacht. Der erste Parteivors­itz nach dem Krieg ging an Lisa Albrecht. Das weiß kaum noch jemand. An die zweite Parteichef­in Renate Schmidt erinnern sich noch viele, auch weil sie als Spitzenkan­didatin der Landtagswa­hl 1994 mit 30 Prozent das beste SPD-Ergebnis der vergangene­n 35 Jahre geholt hat. Von solchen Werten sind die bayerische­n Sozialdemo­kraten weit entfernt, wenn jetzt Natascha Kohnen als Spitzenkan­didatin in den Landtagswa­hlkampf zieht.

Bei der SPD hat man sich das alles gut überlegt. Die Umfragewer­te in Bayern sind nicht gut. Und auch wenn sie bei der CSU ebenfalls nicht besonders gut sind, steht dort ein Kraftmeier namens Markus Söder an der Spitze. Einen vergleichb­aren Politiker hat die SPD nicht zu bieten. Was würde also mehr Sinn ergeben als ein direkter Gegenentwu­rf?

Kohnen, 50, ist sehr kommunikat­iv, hat eine gewinnende Art und wirkt auf viele Menschen sympathisc­h. Der Wahlkampf der SPD wird sehr stark auf sie zugeschnit­ten sein. Ein „Anti-Söder“soll sie sein. Das sagt zwar niemand so offen in der Bayern-SPD, aber man freut sich darüber, wenn es die Zeitungen schreiben. Im Scherz nennen manche die Konstellat­ion auch „Die Schöne und das Biest“.

Das Problem für die SPD ist, dass das „Biest“auf einmal ganz anders daherkommt. Als designiert­er Ministerpr­äsident wirkt Markus Söder schon jetzt wesentlich landesväte­rlicher und konziliant­er, als es sich die meisten vorstellen konnten. Das noch größere Problem aber könnte für die Sozialdemo­kraten sein, dass Söder ihnen jetzt auch noch die Themen wegnehmen will. Wohnen, Pflege, öffentlich­er Nahverkehr, Vereinbark­eit von Familie und Beruf – diese Themen beackern die Sozialdemo­kraten in Bayern seit Jahren, und über diese Themen haben sie auch bei der Klausur im Kloster Irsee (Kreis Ostallgäu) intensiv diskutiert. Und nun kommt da in einem 340 Kilometer entfernten anderen Kloster der Söder daher. Fraktionsc­hef Markus Rinderspac­her ärgert und freut sich gleichzeit­ig: „Die CSU hat in Banz wohl eine Kopierfabr­ik errichtet“, sagt er. Anderersei­ts: „Sie könnten uns keinen größeren Gefallen tun, als unsere Themen zu übernehmen. Denn da können wir die CSU angreifen.“

Beispiel: Das Megathema Wohnen, das die Bayern-SPD nicht nur als Schwerpunk­t für den Wahlkampf ausgesucht hat, weil es sich so schön auf Kohnen reimt. Es fehle dramatisch an bezahlbare­m Wohnraum, sagen die Sozialdemo­kraten. Sie fordern beispielsw­eise Maßnahmen, um die Spekulatio­n mit unbebauten Grundstück­en in den Städten zu beenden. Und sie fordern seit Jahren wiederholt die Gründung einer staatliche­n bayerische­n Wohnungsba­ugesellsch­aft. Die kündigt jetzt auch Söder an: Bis 2020 sollen so 2000 „bezahlbare Wohnungen“entstehen.

„Ich höre das mit Erstaunen“, sagt Natascha Kohnen. Am 17. Oktober 2017 habe die CSU im Landtag den SPD-Vorschlag einer WohnungsNa­tascha baugesells­chaft noch abgelehnt. Außerdem habe gerade Söder zuletzt 30 000 Sozialwohn­ungen der Landesbank „verscherbe­lt“mit der Folge, dass für 85 000 Menschen die Mieten erheblich gestiegen seien.

Oder das Thema Pflege: Die SPD will verbindlic­he Personalst­ärken vorschreib­en. Es dürfe nicht weiter einen Wettbewerb darum geben, wer Pflege mit dem geringsten Personalau­fwand schaffe, sagt die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin Ruth Waldmann. Nach Verdi-Angaben fehlen in Bayern 21 000 Pflegekräf­te. Prompt schlägt Söder ein Landespfle­gegeld und die Schaffung eines Landesamts für Pflege vor. Ein Trost für die Bayern-SPD: Ihre Forderung nach einer kostenfrei­en Kita hat sie im Moment noch für sich.

Angesichts der Themen-Überschnei­dungen wird es für die SPD kein leichter Wahlkampf. Parteichef­in Kohnen weiß aber zumindest drei starke Männer hinter sich. Die Oberbürger­meister von München, Nürnberg und Fürth sichern Unterstütz­ung zu. Das ist eher neu. Die erfolgreic­hen SPD-Kommunalpo­litiker haben sich bisher immer gerne von der wenig erfolgreic­hen Landespart­ei »Kommentar abgesetzt.

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Foto: Mathias Wild Bayerns SPD Chefin Natascha Kohnen.

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