Hinein in die Schichten der Erinnerung
Das Jüdische Kulturmuseum präsentiert bald Ritualgegenstände, die während des Novemberpogroms in Augsburg geraubt wurden. Die Vorarbeit war enorm
Eine Ausstellung in dieser Größenordnung gab es im Jüdischen Kulturmuseum bislang noch nicht. Die Leihgeber für die neue Ausstellung „Eine Erinnerung ist eine Erinnerung ist eine Erinnerung?“kommen aus der ganzen Welt – aus Jerusalem, aus den USA, aus Europa. Um an die Objekte zu kommen, war es nötig, dass sich das Augsburger Museum einen Ruf erarbeitet hat. Es kamen lange Verhandlungen hinzu und – nicht zuletzt – eine lange Recherche, wie Benigna Schönhagen, die Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums, kurz vor der Eröffnung der Ausstellung erzählt. „Für uns stellt die Schau den Abschluss des Jubiläumsjahrs dar“, sagt sie.
Vergangenes Jahr feierte das Jüdische Kulturmuseum gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde das Jubiläum der Synagoge an der Halderstraße. Diese wurde 1917 eingeweiht.
Die Ausstellung „Eine Erinnerung ist eine Erinnerung ist eine Erinnerung?“findet aber nicht dort, sondern in der Museums-Dependance in Kriegshaber statt. Es geht in der Schau unter anderem um Ritualgegenstände der ehemaligen Synagoge. Um Objekte, die mit der Auflösung der jüdischen Gemeinde in Kriegshaber 1917 in den Besitz der Augsburger Gemeinde übergingen. Beim Novemberpogrom, am 9. November 1938, wurde der Tora- der Gemeinde aufgebrochen und die wertvollen Ritualgegenstände wurden geraubt. „An diesem Tag verwischen sich die Spuren der Objekte“, sagt Schönhagen. Erst später tauchen einige von ihnen in Privatsammlungen oder in Museumsbeständen wieder auf.
Schönhagen möchte mit der Ausstellung und den Objekten auf die Geschichte der jüdischen Umlandgemeinden in Kriegshaber, Pfersee, Steppach und etwas später auch Schlipsheim hinweisen, die sich ge- bildet haben, nachdem die Juden nach 1438 vollständig aus Augsburg vertrieben worden sind. Einige der Juden in Kriegshaber brachten es als Hoffaktoren, als Kaufleute an höfischen Herrschaftszentren, zu Wohlstand und traten als Stifter in ihren Gemeinden in Erscheinung. In Kriegshaber gab es deshalb zum Beispiel 31 Torarollen, die meisten von ihnen seien gestiftet worden, wie Schönhagen sagt.
Ein großes Problem im Vorfeld der Ausstellung bestand darin, Obschrein jekten nachzuspüren, von denen niemand wusste, ob und wo es sie noch gab. Denn es gibt keine Inventarlisten der ehemaligen Synagoge in Kriegshaber oder der jüdischen Synagoge an der Halderstraße vor dem Pogrom. Was alles geraubt worden ist, weiß man heute nicht mehr genau. Die Ausstellungskuratoren – mit Schönhagen sind es Felicitas Heimann-Jelinek aus Wien und Souzanna Hazan vom Kulturmuseum – sind trotzdem fündig geworden. 23 Objekte werden vom 30. Januar an im Jüdischen Kulturmuseum in Kriegshaber zu sehen sein.
Dazu wird ein 180 Seiten langer Katalog erscheinen, in dem weitere Objekte, die zum Beispiel aus konservatorischen Gründen nicht in Augsburg gezeigt werden können, erläutert werden. Ein wichtiges Anliegen der Ausstellungsmacher ist es, zu zeigen, wie viele Schichten an Erinnerungen ein Objekt trägt – von den Produzenten über die Stifter, die Gemeinde, das Pogrom bis zum Museum oder den privaten Sammlern heute. Die Ausstellung stellt einen Programmschwerpunkt des Jüdischen Kulturmuseum in diesem Jahr dar. Daneben wird es eine neue Vortragsreihe geben, die die europäische Dimension des Holocausts ausleuchten will.
ODie Schau „Eine Erinne rung ist eine Erinnerung ist eine Erin nerung?“wird am 30. Januar im Jüdischen Kulturmuseum in Kriegshaber eröffnet. Laufzeit ist bis 17. Juni.