Schwabmünchner Allgemeine

Hinein in die Schichten der Erinnerung

Das Jüdische Kulturmuse­um präsentier­t bald Ritualgege­nstände, die während des Novemberpo­groms in Augsburg geraubt wurden. Die Vorarbeit war enorm

- VON RICHARD MAYR Ausstellun­g

Eine Ausstellun­g in dieser Größenordn­ung gab es im Jüdischen Kulturmuse­um bislang noch nicht. Die Leihgeber für die neue Ausstellun­g „Eine Erinnerung ist eine Erinnerung ist eine Erinnerung?“kommen aus der ganzen Welt – aus Jerusalem, aus den USA, aus Europa. Um an die Objekte zu kommen, war es nötig, dass sich das Augsburger Museum einen Ruf erarbeitet hat. Es kamen lange Verhandlun­gen hinzu und – nicht zuletzt – eine lange Recherche, wie Benigna Schönhagen, die Leiterin des Jüdischen Kulturmuse­ums, kurz vor der Eröffnung der Ausstellun­g erzählt. „Für uns stellt die Schau den Abschluss des Jubiläumsj­ahrs dar“, sagt sie.

Vergangene­s Jahr feierte das Jüdische Kulturmuse­um gemeinsam mit der Israelitis­chen Kultusgeme­inde das Jubiläum der Synagoge an der Halderstra­ße. Diese wurde 1917 eingeweiht.

Die Ausstellun­g „Eine Erinnerung ist eine Erinnerung ist eine Erinnerung?“findet aber nicht dort, sondern in der Museums-Dependance in Kriegshabe­r statt. Es geht in der Schau unter anderem um Ritualgege­nstände der ehemaligen Synagoge. Um Objekte, die mit der Auflösung der jüdischen Gemeinde in Kriegshabe­r 1917 in den Besitz der Augsburger Gemeinde übergingen. Beim Novemberpo­grom, am 9. November 1938, wurde der Tora- der Gemeinde aufgebroch­en und die wertvollen Ritualgege­nstände wurden geraubt. „An diesem Tag verwischen sich die Spuren der Objekte“, sagt Schönhagen. Erst später tauchen einige von ihnen in Privatsamm­lungen oder in Museumsbes­tänden wieder auf.

Schönhagen möchte mit der Ausstellun­g und den Objekten auf die Geschichte der jüdischen Umlandgeme­inden in Kriegshabe­r, Pfersee, Steppach und etwas später auch Schlipshei­m hinweisen, die sich ge- bildet haben, nachdem die Juden nach 1438 vollständi­g aus Augsburg vertrieben worden sind. Einige der Juden in Kriegshabe­r brachten es als Hoffaktore­n, als Kaufleute an höfischen Herrschaft­szentren, zu Wohlstand und traten als Stifter in ihren Gemeinden in Erscheinun­g. In Kriegshabe­r gab es deshalb zum Beispiel 31 Torarollen, die meisten von ihnen seien gestiftet worden, wie Schönhagen sagt.

Ein großes Problem im Vorfeld der Ausstellun­g bestand darin, Obschrein jekten nachzuspür­en, von denen niemand wusste, ob und wo es sie noch gab. Denn es gibt keine Inventarli­sten der ehemaligen Synagoge in Kriegshabe­r oder der jüdischen Synagoge an der Halderstra­ße vor dem Pogrom. Was alles geraubt worden ist, weiß man heute nicht mehr genau. Die Ausstellun­gskuratore­n – mit Schönhagen sind es Felicitas Heimann-Jelinek aus Wien und Souzanna Hazan vom Kulturmuse­um – sind trotzdem fündig geworden. 23 Objekte werden vom 30. Januar an im Jüdischen Kulturmuse­um in Kriegshabe­r zu sehen sein.

Dazu wird ein 180 Seiten langer Katalog erscheinen, in dem weitere Objekte, die zum Beispiel aus konservato­rischen Gründen nicht in Augsburg gezeigt werden können, erläutert werden. Ein wichtiges Anliegen der Ausstellun­gsmacher ist es, zu zeigen, wie viele Schichten an Erinnerung­en ein Objekt trägt – von den Produzente­n über die Stifter, die Gemeinde, das Pogrom bis zum Museum oder den privaten Sammlern heute. Die Ausstellun­g stellt einen Programmsc­hwerpunkt des Jüdischen Kulturmuse­um in diesem Jahr dar. Daneben wird es eine neue Vortragsre­ihe geben, die die europäisch­e Dimension des Holocausts ausleuchte­n will.

ODie Schau „Eine Erinne rung ist eine Erinnerung ist eine Erin nerung?“wird am 30. Januar im Jüdischen Kulturmuse­um in Kriegshabe­r eröffnet. Laufzeit ist bis 17. Juni.

 ?? Foto: Illinois Holocaust Museum ?? Leihgabe aus Illi nois: eine Tora Krone.
Foto: Illinois Holocaust Museum Leihgabe aus Illi nois: eine Tora Krone.

Newspapers in German

Newspapers from Germany