Zwischen kritisch und begeistert
Bei den Olympischen Spielen 2020 gehen Athleten die Wände hoch. Was ist davon zu halten?
Allgäuer Kletterer werden bei den Olympischen Spielen 2020 in Japan nach Medaillen greifen. Das gefällt nicht allen. Beispielsweise äußerte Alpin-Legende Reinhold Messner scharfe Kritik an der Entscheidung. Wir haben uns unter Allgäuer Vertikalisten umgehört und verschiedene Meinungen zum olympischen Hallenklettern an Plastikgriffen gehört.
Ahnung haben die Allgäuer: Beispielsweise ist einer der drei Bundestrainer, Maxi Klaus, geborener Kempener und betrieb eben dort lange ein Bergsportgeschäft. Der 45-Jährige hat selbst Weltcup-Erfahrung und freut sich riesig über die Entscheidung. Er sagt: „Für uns als Verband ist es das klare Ziel, dort jemanden hinzubringen.“Denn nur jeweils 20 Frauen und Männer werden in Japan antreten.
Einer, der gerne dabei wäre, sich aber für 2020 noch keine großen Chancen ausrechnet, ist Philipp Martin, 22, aus Kaufbeuren. Er feierte zuletzt im süddeutschen Raum Erfolge und machte auch bundesweit auf sich aufmerksam (wir berichteten). Wie Maxi Klaus freut er sich über die Entscheidung. „Man merkt, dass sich etwas verändert, dass mehr Struktur in den Sport kommt“, sagt der BWL-Student. Zudem sei das Klettern präsenter in den Medien und werde somit stärker gefördert.
Dem kann Fabian Buhl gar nichts abgewinnen. „Klettern hat viel mit Lebenseinstellung zu tun“, sagt der 27-Jährige aus Oberstaufen. Kletterer hätten lange von fast nichts gelebt und alles investiert, um ihrer Leidenschaft nachzugehen. Dazu passe Olympia nicht. Buhl selbst gelangen in den vergangenen Jahren extrem schwierige und risikoreiche Alleingänge in großen, teils sogar winterlichen Wänden. Für ihn haben die Spiele keinen Reiz. „Mich interessiert das null, ich geh’ an den Fels klettern, ich gehe in die Berge“, sagt er.
Zudem kritisiert Buhl einen Aspekt, den auch die beiden anderen ähnlich sehen: Bei der Olympiade werden die drei Disziplinen Bouldern, Lead und Speed (siehe Infokasten) in einem kombinierten Format bewertet. Aufs Treppchen schafft es, wer in den drei Bereichen zusammen am Besten abschneidet. Philipp Martin beispielsweise kommt wie Buhl vom Bouldern und stieg erst später erfolgreich ins Lead-Klettern ein. Speed habe er, wie viele andere Kletterer, nie ernsthaft betrieben. „Einzeldisziplinen hätten mir und vielen anderen besser gefallen“, sagt er.
„Wir würden uns wünschen, dass die Einzeldisziplinen in die Medaillenwertung kommen“, sagt auch Maxi Klaus. Er spricht dabei für den Alpenverein, der als Sportverband die Nationalmannschaft betreut. Dennoch findet er das Kombiformat interessant, schließlich fordert es die Sportler auf mehreren Ebenen. Dadurch habe sich ihr Training verändert. Denn Bouldern und Lead liegen nicht so weit auseinander und fordern ähnliche körperliche Konstitution, Speed sei dagegen etwas völlig anderes.
Drastischer formuliert es Alpinist Buhl: „Speedklettern besteht aus stupiden Bewegungen, die ich einstudieren kann.“Tatsächlich findet diese Disziplin an einer standardisierten Route statt. Um das Problem hinter der Kombinationsmedaille zu verdeutlichen, zieht er einen Vergleich zum Skifahren. Seiner Meinung nach hätte sich der ganze Sport anders entwickelt, wenn es nur eine Medaille für Slalom, Alpin und Co. gegeben hätte. „Dann gäbe es die ganzen Spezialisten nicht. Das kann dazu führen, dass die Leistungen beim Klettern stagnieren“, sagt er.