In Bobingen: Probeabstimmung für Bonn
Die SPD-Basis ist bei der Koalitionsfrage hin- und hergerissen
Kurz vor dem Sonderparteitag der SPD an diesem Sonntag ist die Haltung an der Basis nicht mehr so eindeutig. Kurz nach der Bundestagswahl hatte sich der Ortsverein von Bobingen recht schnell und geschlossen der Entscheidung von Martin Schulz angeschlossen: Die SPD muss in die Opposition gehen – für einen Neuanfang. Zwischenzeitlich waren weitere Diskussionsabende ein treffliches Stimmungsbarometer zu dem Ringen um eine Große Koalition in Berlin. Am Donnerstagabend zeigte nun ein weiteres Treffen des Ortsvereins, wie schwer sich auch in Bobingen die Genossen mit der Abwägung tun.
Eigentlich reizt die weitere Zusammenarbeit mit der Union keinen, schien es. Doch wie weit reicht die staatsmännische Pflicht, Deutschland regierbar zu halten, womöglich schlimmere Einflüsse auf die Politik fernzuhalten?
Für Ortsvorsitzenden Armin Bergmann war es ein spannender Abend mit knapp 30 Parteifreunden und einigen Sympathisanten. Am Ende stellte er nach einer Probeabstimmung in einem Pressestatement fest: „60 Prozent lehnen Koalitionsverhandlungen ab, genau 40 Prozent sind dafür.“Überraschend für die einen, selbstverständlich für die anderen ist in der Bobinger Diskussionsrunde eine Personalfrage: Hätte Martin Schulz Koalitionsgespräche abhängig gemacht von einem Personalwechsel an der Regierungsspitze, dann wäre die Laune bei der SPDBasis besser – zumindest in Bobingen. Die „Laissez-faire-Politik der Bundeskanzlerin“wollen viele Genossen nicht länger unterstützen, sagt Bergmann.
Frische Köpfe an die Spitze, diese Inspiration ist aus Frankreich nach Bobingen gekommen. Überhaupt: Präsident Emmanuel Macron gefällt hier den Sozialdemokraten.
Mit Macron kann Deutschland Europa auf richtigem Kurs halten
Armin Bergmann vernahm von seinen Mitgliedern jedenfalls ein gewichtiges Argument für eine weitere Regierungsbeteiligung. Zusammen mit Macron könnte Deutschland das wankende Europa auf richtigem Kurs halten. Auf die Details komme es an. Und die sind für viele Genossen in den Sondierungsgesprächen nur annähernd geklärt.
Andererseits sei das Sondierungspapier so schlecht auch wieder nicht. Kapitel für Kapitel wurde es durchgegangen. Da sei nichts, was auf Ablehnung stoße, einiges, was durchaus den Gründzügen der SPD-Anliegen entspreche. Aber anderes gehe auch nicht weit genug.
Klar sagen die einen, dafür wären die anstehenden Koalitionsverhandlungen da. Andere schmerzt ein ganz anderes Grundproblem: „Was zerreißt die Partei eher?“Weitere Kompromisse mit der Union oder die Unglaubwürdigkeit, nun den Wendehals zu zeigen und kleiner Partner zu werden?
Es sind Partei- und Staatspolitik, die auch am Stammtisch in Bobingen diskutiert werden. Die Abwägung fällt schwer. So schwer wie am Sonntag in Bonn.