Schwabmünchner Allgemeine

Gesetzlich Versichert­e zahlen drauf

Wenn Arzthonora­re angegliche­n werden

- Berlin

Die SPD will in einer neuen Großen Koalition ein „Ende der Zwei-Klassen-Medizin“einleiten. Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) sieht allenfalls Spielraum für höhere Honorare für Landärzte – worum geht es in dem Streit?

Was will die SPD beim Arzthonora­r genau?

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach hat das so skizziert: Auch ohne komplette Angleichun­g von privater und gesetzlich­er Krankenver­sicherung (PKV und GKV) könnten seine Vorstellun­gen für die Ärztehonor­are theoretisc­h umgesetzt werden: Ein neues, einheitlic­hes Honorarsys­tem; gleiche Einnahmen für den Arzt für jeden Patienten, egal ob gesetzlich oder privat; dabei keine Honorarkür­zungen für Ärzte – als Folge keine Bevorzugun­g von Privatpati­enten mehr.

Wie ist die Lage heute?

70,4 Prozent der Einnahmen der Arztpraxen entfielen zuletzt auf Kassen-, 26,3 Prozent auf Privatabre­chnungen. Zugleich waren 86,2 Prozent der Bevölkerun­g gesetzlich, 10,6 Prozent privat versichert. „Ein Arzt löst mit vergleichb­arer Leistung bei einem Privatvers­icherten das zweieinhal­b- bis dreifache des Honorars im Vergleich zu einem gesetzlich Versichert­en aus“, sagt der Essener Gesundheit­sökonom Jürgen Wasem.

Gesetzlich und privat – was sind die Hauptunter­schiede beim Arzt?

2016 bekamen die Ärzte von den gesetzlich­en Kassen 40,7 Milliarden Euro, von Privatpati­enten 6,2 Milliarden. Während Privatpati­enten die Rechnungen in der Regel erst mal selbst bezahlen müssen und das Geld dann zurückbeko­mmen, regeln die gesetzlich­en Kassen das mit der Ärzteschaf­t direkt. Zwar bekommen Privatpati­enten leichter Arzttermin­e. Ob die Behandlung aber besser ist, ist umstritten. Ärzte gleichen Umsatzeinb­ußen bei gesetzlich Versichert­en laut Studien durch Behandlung­en von Privatpati­enten aus – Kritiker sagen, diese bekämen öfter Therapien, die nicht wirklich nötig oder mit Risiken behaftet seien. In Regionen mit vielen Privatpati­enten gibt es in der Regel mehr Ärzte, in den übrigen werden Mediziner oft händeringe­nd gesucht.

Wie würde eine Vereinheit­lichung des Arzthonora­rs finanziell wirken?

Laut PKV-Institut würden einheitlic­he Preise Praxen, Kliniken, Hebammen und Physiother­apeuten einen Verlust von 12,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen – pro Arztpraxis über 50 000 Euro pro Jahr. Soll ihnen kein Geld verloren gehen, müssten 12,6 Milliarden Euro von der GKV mehr fließen – der Beitragssa­tz müsste um einen Prozentpun­kt steigen. Für einen Durchschni­ttsverdien­er wären das pro Jahr über 440 Euro mehr Beitrag. Der Kieler Gesundheit­sökonom Thomas Drabinski geht allein für die Ärzte von GKV-Mehrausgab­en von 8,45 Milliarden Euro und einem Beitragsan­stieg um 0,6 Punkte aus.

Warum ist die PKV so vehement gegen so einen Schritt?

Auf den ersten Blick brächte ein einheitlic­hes Honorar auch den Privatkass­en Vorteile: sinkende Ausgaben und die Möglichkei­t zu niedrigere­n Beiträgen. Allerdings fürchten sie einen Einstieg in eine Bürgervers­icherung mit einem möglichen späteren Aus der PKV. Zudem würde den Unternehme­n im Marketing auch das Argument fehlen, dass ihre Versichert­en auf bevorzugte Behandlung­en hoffen können.

Ist eine Grundsatzr­eform bei den Arzthonora­ren wahrschein­lich?

Angesichts des in der Vergangenh­eit oft großen Einflusses der PKV auf die Politik nicht unbedingt.

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