Schwabmünchner Allgemeine

Der singende Anarchist

Konzert Hans Söllner ist zwar inzwischen fast im Rentenalte­r, aber er rebelliert im Spektrum noch wie ein Junger

- VON JOSEF KARG

Hans Söllner ist keiner, der lange um den heißen Brei herumredet. Der Liedermach­er sagt geradehera­us, was er denkt und fühlt. Zwei wesentlich­e Lebensthem­en hat der inzwischen 63-jährige Ex-Rastafari: Drogen und Staat. Seine Welt ist sauber in Gut und Böse aufgeteilt und das spiegelver­kehrt zum normalen Staatsbürg­er. Denn da ist einerseits der Marihuana-Baum als sein Freund und auf der anderen Seite der Staat mit seinen Organen Justiz und Polizei.

Offenbar spricht der gebürtige Bad Reichenhal­ler mit seinen Texten das Anarchisch­e im Bayern an. Denn sein Konzert am Dienstagab­end im Augsburger Spektrum ist ausverkauf­t, das Publikum wirkt weitaus jünger als bei gleichaltr­igen Liedermach­er-Kollegen. Und: Den Leuten gefällt, was der Solist mit seiner Gitarre zum Besten gibt. Immer wieder erhält er Szenenappl­aus.

Am stärksten ist Söllner, der sich als Halbwüchsi­ger das Gitarrespi­elen selbst beibrachte, aber nicht in seinen teilweise schlicht gereimten Liedern, sondern in den Anekdoten zwischen denselben. Sein Gesang klingt krächzend, ein wenig nach Bob Dylan mit Stimmbande­ntzün- dung. Seine Gitarrenkü­nste und Zupfvarian­ten sind ebenfalls überschaub­ar. Egal. Die Pointen, die er in seinen wunderbar erzählten Anarcho-Gschichter­ln fast beiläufig in den Raum streut, sind oft lustig. Und zugegeben: Als Zuhörer kommt man meist nicht um ein Schmunzeln herum.

Man könnte also sagen: Der Söllner Hans hat eine ähnlich stimuliere­nde Wirkung wie seine geliebten Marihuana-Pflänzchen. Man weiß nicht genau, warum man gut drauf ist, aber die Wirkung ist eindeutig spürbar.

Musikalisc­h bedient sich Söllner traditione­ller Stilformen. Mit seinen bisweilen hintersinn­igen Texten lässt er das Konzert auch gerne zur Plauderstu­nde verkommen. Dabei schimpft er mal über seine Mundharmon­ika, die in den USA gebaut und so schlecht verarbeite­t ist, dass er sich an ihr seinen Bart ausrupft. Dann wieder gibt er jede Menge Tipps, wie man mit der Polizei umzugehen hat: „Ihr müsst einen Polizeiwag­en verfolgen und warten, was passiert.“Plötzlich erzählt er von Genitalver­stümmelung im Sudan und besingt den Untersberg.

Irgendwie geht es vogelwild durcheinan­der und doch scheint alles bei den Auftritten Söllners einem roten Faden zu folgen. Witzig ist auch seine Story von seinem „persönlich­en Staatsanwa­lt, der mich über 15 Jahre begleitete“. Er berichtet amüsiert von der Soko „Söllner“, die im Allgäu eigens seinetwege­n eingericht­et wurde, und erinnert sich an diverse Fahrzeugko­ntrollen. Das meiste kann Söllner aus eigener Anschauung erzählen, wodurch alles ziemlich authentisc­h wirkt. Denn der Liedermach­er sah sich in Bayern wegen des Besitzes von Betäubungs­mitteln bereits mehreren Ermittlung­sverfahren ausgesetzt. Interessan­t: Keines dieser Verfahren führte offenbar zu einer Verurteilu­ng.

Und dann kommt er noch zum Thema Hühner, die er als seine Lieblingst­iere bezeichnet. Von dort ist es nicht mehr weit zum vegetarisc­hen Appell: „Versprecht mir, dass ihr ein Jahr keine Hendln esst!“Überhaupt sind seiner Meinung nach Hühner dem Menschen als Spezies überlegen. Söllners Begründung: „Ein Gockel kann völlig problemlos mit fünf Hühnern zusammenle­ben...“Trotz solcher platten Pointen, eines muss man dem derb fluchenden Rebell aus Reichenhal­l lassen: Er hat die Beleidigun­g zu einer Art Kunstform erheben, und er hat sich in den Jahren nicht verbiegen lassen. Das allein ist einen Applaus wert.

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Foto: Jakob Stadler Hans Söllner hat eine ähnliche Wirkung wie seine geliebten Marihuana Pflänzchen: Man weiß nicht genau, warum man gut drauf ist, aber die Wirkung ist eindeutig spür bar.

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