Der singende Anarchist
Konzert Hans Söllner ist zwar inzwischen fast im Rentenalter, aber er rebelliert im Spektrum noch wie ein Junger
Hans Söllner ist keiner, der lange um den heißen Brei herumredet. Der Liedermacher sagt geradeheraus, was er denkt und fühlt. Zwei wesentliche Lebensthemen hat der inzwischen 63-jährige Ex-Rastafari: Drogen und Staat. Seine Welt ist sauber in Gut und Böse aufgeteilt und das spiegelverkehrt zum normalen Staatsbürger. Denn da ist einerseits der Marihuana-Baum als sein Freund und auf der anderen Seite der Staat mit seinen Organen Justiz und Polizei.
Offenbar spricht der gebürtige Bad Reichenhaller mit seinen Texten das Anarchische im Bayern an. Denn sein Konzert am Dienstagabend im Augsburger Spektrum ist ausverkauft, das Publikum wirkt weitaus jünger als bei gleichaltrigen Liedermacher-Kollegen. Und: Den Leuten gefällt, was der Solist mit seiner Gitarre zum Besten gibt. Immer wieder erhält er Szenenapplaus.
Am stärksten ist Söllner, der sich als Halbwüchsiger das Gitarrespielen selbst beibrachte, aber nicht in seinen teilweise schlicht gereimten Liedern, sondern in den Anekdoten zwischen denselben. Sein Gesang klingt krächzend, ein wenig nach Bob Dylan mit Stimmbandentzün- dung. Seine Gitarrenkünste und Zupfvarianten sind ebenfalls überschaubar. Egal. Die Pointen, die er in seinen wunderbar erzählten Anarcho-Gschichterln fast beiläufig in den Raum streut, sind oft lustig. Und zugegeben: Als Zuhörer kommt man meist nicht um ein Schmunzeln herum.
Man könnte also sagen: Der Söllner Hans hat eine ähnlich stimulierende Wirkung wie seine geliebten Marihuana-Pflänzchen. Man weiß nicht genau, warum man gut drauf ist, aber die Wirkung ist eindeutig spürbar.
Musikalisch bedient sich Söllner traditioneller Stilformen. Mit seinen bisweilen hintersinnigen Texten lässt er das Konzert auch gerne zur Plauderstunde verkommen. Dabei schimpft er mal über seine Mundharmonika, die in den USA gebaut und so schlecht verarbeitet ist, dass er sich an ihr seinen Bart ausrupft. Dann wieder gibt er jede Menge Tipps, wie man mit der Polizei umzugehen hat: „Ihr müsst einen Polizeiwagen verfolgen und warten, was passiert.“Plötzlich erzählt er von Genitalverstümmelung im Sudan und besingt den Untersberg.
Irgendwie geht es vogelwild durcheinander und doch scheint alles bei den Auftritten Söllners einem roten Faden zu folgen. Witzig ist auch seine Story von seinem „persönlichen Staatsanwalt, der mich über 15 Jahre begleitete“. Er berichtet amüsiert von der Soko „Söllner“, die im Allgäu eigens seinetwegen eingerichtet wurde, und erinnert sich an diverse Fahrzeugkontrollen. Das meiste kann Söllner aus eigener Anschauung erzählen, wodurch alles ziemlich authentisch wirkt. Denn der Liedermacher sah sich in Bayern wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln bereits mehreren Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Interessant: Keines dieser Verfahren führte offenbar zu einer Verurteilung.
Und dann kommt er noch zum Thema Hühner, die er als seine Lieblingstiere bezeichnet. Von dort ist es nicht mehr weit zum vegetarischen Appell: „Versprecht mir, dass ihr ein Jahr keine Hendln esst!“Überhaupt sind seiner Meinung nach Hühner dem Menschen als Spezies überlegen. Söllners Begründung: „Ein Gockel kann völlig problemlos mit fünf Hühnern zusammenleben...“Trotz solcher platten Pointen, eines muss man dem derb fluchenden Rebell aus Reichenhall lassen: Er hat die Beleidigung zu einer Art Kunstform erheben, und er hat sich in den Jahren nicht verbiegen lassen. Das allein ist einen Applaus wert.