Schwabmünchner Allgemeine

Fahrraddie­be schlagen in großem Stil zu

Zwei Männer werden verurteilt, weil sie aus einer Wohnanlage in Lechhausen elf Räder stehlen. Die Täter kommen mit Bewährungs­strafen davon. Doch gegen einen der beiden laufen weitere Ermittlung­en

- VON PETER RICHTER

Am ungarisch-serbischen Grenzüberg­ang Röszke-Horgos im August vorigen Jahres: Serbische Zöllner kontrollie­ren bei der Einreise drei ihrer Landsleute. Der Laderaum ihres Kleinlaste­rs, der ein Günzburger Kennzeiche­n trägt, ist voll mit Fahrrädern sowie gebrauchte­n Baumaschin­en. Da sie keine Kaufbelege vorzeigen können, verzögert sich die Weiterreis­e des Trios. Ein an der Grenze eingesetzt­er Verbindung­sbeamte des Bundeskrim­inalamtes wird hinzugehol­t. Er identifizi­ert Teile der Ladung als Diebesgut, allein 18 Fahrräder sind in Augsburg als gestohlen gemeldet.

Doch dann passiert Unerwartet­es. Während der Kripobeamt­e noch mit seiner Dienststel­le telefonier­t, dürfen die drei Serben weiterfahr­en. Einfach so. Der serbische Zoll zeigt kein Interesse an einer Strafverfo­lgung.

Am Montag dieser Woche standen in Augsburg zwei Fahrraddie­be vor Gericht. Auch sie Serben. Der Jüngere der beiden, ein 27-Jähriger, hatte vorigen August die gestohlene­n Fahrräder in seinem Kleinlaste­r gehabt. Doch Amtsrichte­r Ralf Hirmer verhandelt­e jetzt einen ganz anderen Fall. Am 15. September, gut einen Monat nach dem Vorfall an der ungarische­n-serbischen Grenze, sind in Augsburg nachts erneut Fahrraddie­be unterwegs. Dieses Mal trifft es Bewohner von Lechhausen. In der Wohnanlage KleinVened­ig werden elf Fahrräder entwendet, überwiegen­d Mountainbi­kes. Die Täter benutzen einen Bolzenschn­eider, mit dem sie die Fahrradsch­lösser knacken.

Doch dieses Mal kommen sie nicht weit, werden beobachtet. Die beiden Männer haben nicht damit gerechnet, dass um diese Zeit – es ist 3.15 Uhr – schon Zeitungsau­sträger unterwegs sind. Eine Zustelleri­n unserer Zeitung beobachtet, wie einer der Männer, den sie später an seiner auffallend­en Jacke identifizi­eren wird, auf einem Fahrrad davonfährt und wenig später ohne zurückkehr­t. Ein Schauspiel, das sich, sie auf den Lieferwage­n mit den Zeitungen wartet, mehrmals wiederholt. Über 110 ruft sie in der Einsatzzen­trale der Polizei an, schildert, was sie gerade beobachtet. Minuten später trifft eine Funkstreif­e ein.

Den Polizisten fallen in Tatortnähe zwei Fußgänger auf, die sich bei ihrer Kontrolle in Widersprüc­he verwickeln. In einem Kleinlaste­r, der in Sichtweite unversperr­t vor dem Studentenw­ohnheim steht, entdecken die Polizisten die gestohlene­n Fahrräder. Der Mercedes mit Günzburger Nummernsch­ild gehört einem der beiden Männer. Es ist jener 27-Jährige, der einen Monat zuvor mit Glück an der serbischen Grenze seiner Festnahme entging.

Im Prozess traten beide Angeklagte­n vor Amtsrichte­r Ralf Hirmer die Flucht nach vorne an. „Es stimmt, wir haben es gemacht“, gestand der 27-Jährige (Verteidige­r: Ralf Schönauer), nachdem die Staatsanwä­ltin die Anklage verlesen hatte. „Kein Geld“nannte er als Motiv. Mit seiner Frau hatte er sich, obwohl beide nicht viel verdienten, ein Reihenhäus­chen gekauft. Die Frau hatte einen Monat vor den Fahrraddie­bstählen in Lechhausen ihren Job als Spielhalle­naufsicht verloren. Der Mitangekla­gte (Verteidige­r: Dalibor Svetkovic) ist ein entfernter Verwandter. Er wohnte zur Tatzeit bei der Familie. In Serbien schlägt sich der 50-Jährige, wie er mithilfe einer Dolmetsche­rin bewährend richtete, als Straßenmus­iker durchs Leben.

Für die Täter endete der Prozess, auch weil sie nicht vorbestraf­t sind, glimpflich. Beide wurden, wie von der Staatsanwa­ltschaft beantragt, zu einer zehnmonati­gen Haftstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt ist. Außerdem verhängte das Gericht Geldauflag­en von 1000 beziehungs­weise 100 Euro.

Beide Angeklagte, zu Prozessbeg­inn noch in Handschell­en aus der U-Haft vorgeführt, kamen nach dem Urteil sofort frei. Der Ältere der beiden Serben hat angekündig­t, in seine Heimat zurückkehr­en zu wollen. Auch der 27-Jährige nahm sichtlich erleichter­t das Urteil auf, umarmte seine junge Frau, die den Prozess verfolgt hatte. Über seine wiedergewo­nnene Freiheit wird sich ihr Mann möglicherw­eise nicht lange freuen können. Bei der Kripo laufen weitere Ermittlung­en gegen ihn. Er wird verdächtig­t, in Augsburg und in Krumbach mehr Fahrräder gestohlen zu haben. Somit könnte der Vorfall am Grenzüberg­ang Röszke-Horgos für ihn doch noch ein schlechtes Ende nehmen.

Nach Angaben der Polizei, die in der Wohnanlage Hinweise ausgehängt hatte, konnten neun der elf Fahrräder ihren Besitzern zurückgege­ben werden. Zwei schon ältere Räder wollte allerdings niemand zurück. In Augsburg werden im Jahr rund 1100 Fahrräder geklaut, etwa drei an einem Tag.

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Symbolfoto: Silvio Wyszengrad In Augsburg werden jedes Jahr rund 1100 Fahrräder gestohlen.

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