Schwabmünchner Allgemeine

Warum Europa Flüchtling­e nicht fair verteilen kann

Bundesregi­erung kommt den Ost-Ländern entgegen. Muss Deutschlan­d mehr aufnehmen?

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Berlin/Sofia Im Streit um die Aufnahme von Flüchtling­en haben Länder wie Ungarn und Polen einen Teilerfolg errungen. Der Versuch, Asylbewerb­er mithilfe fester Quoten möglichst gleichmäßi­g auf die Mitgliedsl­änder der Europäisch­en Union zu verteilen, ist fürs Erste gescheiter­t. Nach den Worten von Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) ist die Bundesregi­erung bereit, diese Forderung vorerst zu den Akten zu legen. Am Rande eines Treffens mit seinen EU-Kollegen in Sofia deutete er auch an, dass die osteuropäi­schen Staaten sich teilweise von Verpflicht­ungen freikaufen könnten – etwa durch entspreche­nde Zahlungen oder das Bereitstel­len von Grenzschüt­zern. Dass Deutschlan­d deshalb zwangsläuf­ig mehr Flüchtling­e aufnehmen will, glaubt de Maizière nicht, da Europa auch den Schutz seiner Außengrenz­en verstärke: Je geringer die Zahl von illegalen Migranten sei, die kämen, sagt er, umso weniger relevant sei das Problem der Verteilung.

„In der Substanz brauchen wir selbstvers­tändlich eine faire Verteilung“, betonte de Maizière. Darüber soll allerdings erst wieder gesprochen werden, wenn die EU sich in anderen strittigen Fragen wie der Vereinheit­lichung der Asylverfah­ren und der Aufnahmebe­dingungen verständig­t hat – das heißt frühestens im Sommer. Polen, Ungarn, Tschechien oder die Slowakei lehnen bislang jede Art von Zwang bei der Aufnahme von Flüchtling­en ab und haben im neuen österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz einen populären Mitstreite­r bekommen. Die EU-Kommission, Deutschlan­d und eine Reihe weiterer Mitgliedsl­änder favorisier­en dagegen ein Modell, das in Ausnahmesi­tuationen wie in den Jahren 2015 und 2016 eine Umverteilu­ng auf die EU-Länder inklusive einer Aufnahmepf­licht für jedes Land vorsieht.

Die Reform soll nicht nur Länder wie Griechenla­nd oder Italien entlasten, sondern auch Deutschlan­d. Die Bundesrepu­blik würde nach dieser Logik davon profitiere­n, wenn Asylbewerb­er künftig in allen EU-Staaten wirklich gleich behandelt würden und nicht mehr auf der Suche nach den besten Bedingunge­n illegal durch Europa zögen.

Kritiker wie Kurz argumentie­ren dagegen, dass die Flüchtling­e überhaupt nicht bereit seien, nach Bulgarien, Polen, Tschechien oder Rumänien zu gehen – selbst wenn man sie mit Polizeigew­alt dorthin schaffe, würden sie sobald wie möglich nach Deutschlan­d, Österreich oder Schweden ziehen. Luxemburgs Außenminis­ter Jean Asselborn dagegen warnt: „Es geht hier um die Solidaritä­t in der Europäisch­en Union.“Wenn sie sich nicht auf eine gemeinsame Flüchtling­spolitik verständig­e, „werden wir darin ersticken“.

Im Moment schätzen die einzelnen Mitgliedsl­änder die Lage in Afghanista­n, im Iran oder in Eritrea höchst unterschie­dlich ein – entspreche­nd unterschie­dlich fallen auch ihre Asylentsch­eidungen aus. Ein Bewerber aus Afghanista­n, zum Beispiel, wird in Italien heute in der Regel anerkannt, in Frankreich dagegen nicht.

Mit dem Streit um die Quote beschäftig­t sich auch der Kommentar.

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