Schwabmünchner Allgemeine

Auf dem Weg zum geklonten Menschen?

Der Fortschrit­t in der Wissenscha­ft stellt uns vor grundlegen­de Fragen – aber auch vor den Zweifel, ob moralische Bedenken überhaupt Grenzen setzen könnten

- VON WOLFGANG SCHÜTZ wolfgang.schuetz@augsburger allgemeine.de

Es wäre so einfach und so beruhigend schön, jetzt mal wieder mit voller Leidenscha­ft für die Notwendigk­eit eines moralische­n Rahmens für den menschlich­en Fortschrit­t einzustehe­n. Denn stehen uns mit den neuen Meldungen aus China, dass dort erstmals das Klonen von Primaten gelungen ist, nicht all die längst in düsteren Zukunftsvi­sionen eingeübten Szenarien vor Augen? Geklonte Menschen, designte Babys, unsterblic­he Mischwesen, die digitalisi­erte Diktatur… – der Mensch ermächtigt sich zum Designer des Lebens, greift in die unkontroll­ierbar komplexen Zusammenhä­nge der Natur ein und verändert dabei die Grundlagen des Menschsein­s. Also, mit Emphase: Das darf doch nicht…! Da muss man doch…!

Gewiss. Aber die Antwort darauf lautet: „Hören Sie, das ist keine produktive Einstellun­g. Ihr Weltpolizi­sten wollt alles verbieten, aber letztlich werden die Menschen jedes verfügbare Mittel nutzen, um davon zu profitiere­n. Moral lässt sich nicht gesetzlich verordnen.“Und: „Ich sage nur, was machbar ist, wird auch gemacht, und es ist besser, die Forschung findet im Licht der Öffentlich­keit statt als in den dunklen Winkeln der Welt.“Die Sätze stammen aus dem neuen Roman eines der derzeit besten Autoren von düsteren Zukunftssz­enarien, vom Amerikaner Daniel Suarez („Bios“).

Und damit erst ist das eigentlich­e Dilemma aller Fortschrit­tsfragen gefasst. Denn mal ehrlich: Die Argumente der Produktivi­tät, der Machbarkei­t und der vermeintli­chen Transparen­z mögen angesichts womöglich unabsehbar­er Folgen des Fortschrit­ts noch so zynisch wirken – aber wer glaubt wirklich, dass moralische Bedenken all dem Einhalt gebieten könnten? Die EU-Europäer und vor allem die Deutschen mögen samt ihrer Ethikkommi­ssionen noch vergleichs­weise restriktiv sein – aber über kurz oder lang wird auch hier der Druck wachsen. Im globalen wirtschaft­lichen Wettbewerb siegen die Skrupellos­en und auf dem globalen Markt der Lebensopti­mierung sichert jeder sich und seinen Lieben, was er sich nur leisten kann. Ein Durchbruch der Vernunft hin zu verantwort­ungsvollem Handeln? Als hätte es den bislang bei Waffengesc­häften, in der Klimapolit­ik oder auch beim individuel­len Konsum je nachhaltig gegeben! Also: Sparen wir uns für diesmal die wohlfeilen moralische­n Appelle an Forscher und Politiker.

Es gibt nur zweierlei, was derzeit den Blick in die Zukunft erhellen könnte. Erstens, dass zum Beispiel der Weg zum Klonen von Menschen technisch eben gar nicht so eben ist, wie es die aktuellen Meldungen in Kombinatio­n mit den vertrauten Zukunftssz­enarien erscheinen lassen. Je weiter Wissenscha­ftler vordringen, desto mehr zeigt sich die unfassbare Komplexitä­t natürliche­r Zusammenhä­nge. Und auch wenn Abermillia­rden in die Forschung investiert werden, lässt sich Fortschrit­t nicht einfach erkaufen oder durch wilde Experiment­e erzwingen. Wie heißt es bei Daniel Suarez: „Mutter Natur hat eine höllische Rückhand.“

Die zweite Lichtquell­e wäre die Rückkehr zu einer fast schon vergessene­n Zuversicht. Die düsteren Visionen mögen mächtig wirken – tatsächlic­h mächtig ist, welche Entwicklun­g die Wissenscha­ft dem Menschen ermöglicht hat: in Gesundheit, Mobilität, Kommunikat­ion… Das hat die Zukunft vor wenigen Jahrzehnte­n wie ein Paradies leuchten lassen. Inzwischen befinden wir uns längst in einem Wettlauf: Kommen künftige Entwicklun­gsschritte groß und schnell genug, um drohende Folgen des bisherigen Fortschrit­ts auszugleic­hen? Es ist keine Wette auf die Vernunft, sondern auf die Forschung. Vielleicht also müssen wir ausgerechn­et das: an die Zukunft glauben!

„Ich sage nur, was machbar ist, wird auch gemacht.“

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