Die Schatten der Vergangenheit
Die AfD hat ihre Kandidaten für die Posten an der Spitze des Haushalts-, des Rechts- und des Tourismus-Ausschusses nominiert. Warum sie auf Widerstand in den anderen Parteien stoßen
Berlin Kann ein Politiker Vorsitzender des ebenso wichtigen wie einflussreichen Haushaltsausschusses des Bundestags werden, der die Bundeskanzlerin als „Merkelnutte“oder „Führerin Merkel“bezeichnet haben soll und obskuren Verschwörungstheorien anhängt?
Kann ein Politiker Vorsitzender des nicht minder bedeutsamen Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Bundestags werden, den der MDR „Thüringens wütendsten Abgeordneten“nennt, weil er wegen beleidigender Zwischenrufe dutzendweise Ordnungsrufe erhielt? Der sogar aus dem Sitzungssaal geschmissen wurde und auf Twitter das Bild einer Machete postete mit der Frage, wie er das Gerät „künstlerisch“gegen die Antifa einsetzen könne?
Und kann ein weiterer Politiker den Vorsitz über den TourismusAusschuss des Bundestags übernehmen, der zu einer – noch nicht rechtskräftig gewordenen – Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 10000 Euro verurteilt wurde, weil er nach Ansicht des Gerichts mit anderen Hooligans des 1. FC Kaiserslautern Anhänger des FSV Mainz überfallen und angegriffen hat? Und dessen Immunität als Abgeordneter für das anstehende Berufungsverfahren aufgehoben wurde?
Die AfD-Abgeordneten Peter Boehringer, Stephan Brandner und Sebastian Münzenmaier waren bisher der breiten Öffentlichkeit eher unbekannt. Doch das hat sich schlagartig geändert, seitdem die AfD-Fraktion im Parlament die drei Männer als Vorsitzende der drei der Partei zustehenden Ausschüsse nominiert hat. Doch in den anderen Parteien regt sich Widerstand gegen die Kandidaten, die allesamt dem rechten Rand der AfD angehören.
Der bekennende Euro-Gegner Boehringer, der in SchwäbischGmünd geboren wurde und auf dem zweiten Platz der Landesliste Bayern in den Bundestag einzog, machte sich als Finanzfachmann einen Namen. Er forderte schon früh eine Rückholung der deutschen Goldreserven, zudem entwickelte er für die AfD das Projekt des mittlerweile verbotenen Goldbarrenverkaufs, um damit die staatlichen Parteizuschüsse zu steigern.
Gleichzeitig aber verbreitet Boehringer auf seinem privaten Blog Verschwörungstheorien. So arbeite ein von Eliten geknüpftes internationales Netzwerk namens „Neue Weltordnung“(NWO) daran, die Weltherrschaft zu übernehmen, und habe in Deutschland bereits die Regierung, die Medien, die evangelische Kirche und viele andere Gruppen und Institutionen, die nicht auf AfD-Linie liegen, unterwandert, behauptet der Vermögensberater. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise warf Boehringer 2015 der Regierung vor, einen „Austausch des deutschen Staatsvolks durch zu 98 Prozent illegale Eindringlinge aus weitgehend muslimischen Herkunftsstaaten“zu betreiben.
Boehringer wies die Vorwürfe zurück. Ein ihm unterstelltes „Wort aus dem Rotlichtmilieu in Verbindung mit unserer Kanzlerin“habe er „nie veröffentlicht“, erklärte er am Donnerstag, die Kritik an seiner Person sei eine „Kampagne gegen die Demokratie“. Und dass er Verschwörungstheorien verbreite, sei eine „völlig falsche und unbelegbare Behauptung“. Die Abkürzung NWO sei kein AfD-Begriff, sondern auch von früheren US-Präsidenten genutzt worden.
Massive Kritik gibt es auch an den beiden anderen AfD-Kandidaten. So war der 28-jährige Sebastian Münzenmaier aus Rheinland-Pfalz vor seinem Eintritt in die AfD Mitglied bei der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“, die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird.
Und der 51-jährige Stephan Brandner, der zuvor schon Mitglied der CDU wie der CSU war, ist ein enger Vertrauter von Björn Höcke. Im Thüringer Parlament, bei Reden und auf Twitter hetzte er gegen Angela Merkel („Anklagen. Einknasten“), die Grünen („Koksnasen“, „Kinderschänder“) oder syrische Familien („Vater, Mutter, zwei Ziegen“).