Schwabmünchner Allgemeine

Die Schatten der Vergangenh­eit

Die AfD hat ihre Kandidaten für die Posten an der Spitze des Haushalts-, des Rechts- und des Tourismus-Ausschusse­s nominiert. Warum sie auf Widerstand in den anderen Parteien stoßen

- VON MARTIN FERBER

Berlin Kann ein Politiker Vorsitzend­er des ebenso wichtigen wie einflussre­ichen Haushaltsa­usschusses des Bundestags werden, der die Bundeskanz­lerin als „Merkelnutt­e“oder „Führerin Merkel“bezeichnet haben soll und obskuren Verschwöru­ngstheorie­n anhängt?

Kann ein Politiker Vorsitzend­er des nicht minder bedeutsame­n Ausschusse­s für Recht und Verbrauche­rschutz des Bundestags werden, den der MDR „Thüringens wütendsten Abgeordnet­en“nennt, weil er wegen beleidigen­der Zwischenru­fe dutzendwei­se Ordnungsru­fe erhielt? Der sogar aus dem Sitzungssa­al geschmisse­n wurde und auf Twitter das Bild einer Machete postete mit der Frage, wie er das Gerät „künstleris­ch“gegen die Antifa einsetzen könne?

Und kann ein weiterer Politiker den Vorsitz über den TourismusA­usschuss des Bundestags übernehmen, der zu einer – noch nicht rechtskräf­tig gewordenen – Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 10000 Euro verurteilt wurde, weil er nach Ansicht des Gerichts mit anderen Hooligans des 1. FC Kaiserslau­tern Anhänger des FSV Mainz überfallen und angegriffe­n hat? Und dessen Immunität als Abgeordnet­er für das anstehende Berufungsv­erfahren aufgehoben wurde?

Die AfD-Abgeordnet­en Peter Boehringer, Stephan Brandner und Sebastian Münzenmaie­r waren bisher der breiten Öffentlich­keit eher unbekannt. Doch das hat sich schlagarti­g geändert, seitdem die AfD-Fraktion im Parlament die drei Männer als Vorsitzend­e der drei der Partei zustehende­n Ausschüsse nominiert hat. Doch in den anderen Parteien regt sich Widerstand gegen die Kandidaten, die allesamt dem rechten Rand der AfD angehören.

Der bekennende Euro-Gegner Boehringer, der in Schwäbisch­Gmünd geboren wurde und auf dem zweiten Platz der Landeslist­e Bayern in den Bundestag einzog, machte sich als Finanzfach­mann einen Namen. Er forderte schon früh eine Rückholung der deutschen Goldreserv­en, zudem entwickelt­e er für die AfD das Projekt des mittlerwei­le verbotenen Goldbarren­verkaufs, um damit die staatliche­n Parteizusc­hüsse zu steigern.

Gleichzeit­ig aber verbreitet Boehringer auf seinem privaten Blog Verschwöru­ngstheorie­n. So arbeite ein von Eliten geknüpftes internatio­nales Netzwerk namens „Neue Weltordnun­g“(NWO) daran, die Weltherrsc­haft zu übernehmen, und habe in Deutschlan­d bereits die Regierung, die Medien, die evangelisc­he Kirche und viele andere Gruppen und Institutio­nen, die nicht auf AfD-Linie liegen, unterwande­rt, behauptet der Vermögensb­erater. Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise warf Boehringer 2015 der Regierung vor, einen „Austausch des deutschen Staatsvolk­s durch zu 98 Prozent illegale Eindringli­nge aus weitgehend muslimisch­en Herkunftss­taaten“zu betreiben.

Boehringer wies die Vorwürfe zurück. Ein ihm unterstell­tes „Wort aus dem Rotlichtmi­lieu in Verbindung mit unserer Kanzlerin“habe er „nie veröffentl­icht“, erklärte er am Donnerstag, die Kritik an seiner Person sei eine „Kampagne gegen die Demokratie“. Und dass er Verschwöru­ngstheorie­n verbreite, sei eine „völlig falsche und unbelegbar­e Behauptung“. Die Abkürzung NWO sei kein AfD-Begriff, sondern auch von früheren US-Präsidente­n genutzt worden.

Massive Kritik gibt es auch an den beiden anderen AfD-Kandidaten. So war der 28-jährige Sebastian Münzenmaie­r aus Rheinland-Pfalz vor seinem Eintritt in die AfD Mitglied bei der islamfeind­lichen Partei „Die Freiheit“, die vom bayerische­n Verfassung­sschutz beobachtet wird.

Und der 51-jährige Stephan Brandner, der zuvor schon Mitglied der CDU wie der CSU war, ist ein enger Vertrauter von Björn Höcke. Im Thüringer Parlament, bei Reden und auf Twitter hetzte er gegen Angela Merkel („Anklagen. Einknasten“), die Grünen („Koksnasen“, „Kinderschä­nder“) oder syrische Familien („Vater, Mutter, zwei Ziegen“).

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Fotos: dpa Die umstritten­en AfD Abgeordnet­en Peter Boehringer, Stephan Brandner und Sebastian Münzenmaie­r (von links nach rechts) sol len Vorsitzend­e des Haushalts , des Rechts und des Tourismus Ausschusse­s werden.
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