Unbewusstes Überwachen
Die Ermittlungsmethode der „stillen SMS“ist umstritten. Dennoch halten die Behörden daran fest
„Die stille SMS funktioniert!“, ruft Tobias Reisser den beiden Hauptkommissaren Ballauf und Schenk zu. Auf deren verwundertes Nachfragen antwortet Reisser: „Das zu erklären, dauert jetzt zu lange.“Die Szene stammt aus dem jüngsten Kölner „Tatort“. Aber die beiden Fernseh-Kommissare sind sicher nicht die Einzigen, die nicht wissen, wie eine stille SMS funktioniert. Dabei ist sie ein beliebtes Instrument für Ermittler.
Was also ist eine „stille SMS“? Dahinter verbirgt sich ein Instrument zur Ortung von Straftätern. Zum Einsatz kommt es beispielsweise bei Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt (BKA) oder Landespolizei. „Im Prinzip handelt es sich dabei um eine normale SMS, die so konfiguriert ist, dass sie auf dem Empfänger-Handy nicht angezeigt wird“, sagt Thomas Petri, Landesbeauftragter für Datenschutz in Bayern. „Beim Empfangen der Nachricht protokolliert der Netzbetreiber automatisch den Standort des Handys“, erklärt er weiter. Die ermittelnde Behörde müsse dann nur noch den Standort beim Netzbetreiber erfragen. „Das Ganze geht natürlich nur mit richterlicher Anordnung“, sagt Petri.
Die Methode kommt immer häufiger zum Einsatz: Hatte der Verfas- sungsschutz, wie berichtet, im zweiten Halbjahr 2016 noch 144 000 stille SMS verschickt, waren es im selben Zeitraum des Folgejahrs knapp 180 000. Noch deutlicher war die Steigerung beim BKA. Dort stieg die Zahl von 5000 auf fast 22 000.
Verwendet werde die Methode bei schweren Straftaten und zur Gefahrenabwehr, erklärt das BKA auf Nachfrage. Dazu zählten beispielsweise Mord, Erpressung oder Computerbetrug. Warum die Anzahl der stillen SMS im letzten Jahr so stark gestiegen ist, erklärt die Behörde lediglich mit „statistischen Schwankungen“. Patrick Sensburg, Bundestagsabgeordneter der CDU und Geheimdienstexperte, fügt hinzu, die Methode werde häufig auch bei Ermittlungen zu terroristischen Anschlägen eingesetzt. Es gebe immer mehr Personen, die wegen Anschlagsgefahr überwacht werden. „Wir müssen von unseren Polizeibehörden erwarten können, dass sie wissen, wo sich Gefährder aufhalten“, sagt Sensburg. Außerdem steige die Zahl der Mobilfunkanschlüsse stetig an, und Kriminelle wechselten häufig ihre SIM-Karten.
Die Methode ist aber umstritten. Vor dem Hintergrund drastisch gestiegener Zahlen verschickter Nachrichten „braucht es Klarheit darüber, in welchen Fällen welche Sicherheitsbehörden diese Fahndungsmittel verwendet haben“, sagt Konstantin von Notz, Bundestagsabgeordneter der Grünen. „Im Zweifelsfall bedarf es einer besseren Kontrolle der Sicherheitsbehörden durch das Parlament.“
Auch die Linken wünschen sich stärkere parlamentarische Kontrolle: „Die Bundesregierung macht nicht mehr alle Angaben öffentlich, etwa die ebenfalls steigenden Zahlen stiller SMS des Zolls. Völlige Geheimhaltung herrscht beim Bundesnachrichtendienst“, sagt der Abgeordnete der Linkspartei, Andrej Hunko. Außerdem kritisiert er, die Maßnahmen würden inzwischen zum Standard bei Ermittlungen und der Gefahrenabwehr. Viele Unschuldige gerieten dabei in das Raster. Hunko: „Dabei bewegen sich die Behörden mindestens in einer Grauzone, im Bereich der stillen SMS aus unserer Sicht sogar in der Illegalität.“
Das BKA dagegen sieht in der stillen SMS ein „wirkungsvolles Ermittlungsinstrument“und „ein unverzichtbares Einsatzmittel“. Zu den Befürwortern gehört auch Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Kritik sieht er als „typisch linke Vorbehalte“und „standardisiertes Misstrauen gegen den Staat“. Beim Einsatz der Methode gebe es hohe Hürden, wie die Anordnung des Richters, der einen Einsatz nur bei dringendem Tatverdacht genehmige. Außerdem sei die Gefahr von Terroranschlägen im Jahr 2016 gestiegen, sagt Wendt. „Wir jagen hier ja keine Eierdiebe. Die Polizei braucht entsprechende Instrumente, um Terrorismus zu bekämpfen.“
Auch der CDU-Abgeordnete Sensburg sieht die Gefahren gelassen. Staatliche Behörden müssten sich an Vorgaben halten, die von Richtern überprüft würden. „Sollte es hier zu einem rechtswidrigen Einsatz kommen, würde das auch bekannt werden.“
Der bayerische Datenschutzbeauftragte Petri meint, bei bestimmten Einsätzen sei gegen die stille SMS nichts einzuwenden. „Es ist aber ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre und darf als solches nicht zum massenhaft eingesetzten Standardinstrument werden.“