Schwabmünchner Allgemeine

Mordanschl­ag auf dem Bauernhof?

Ein 53-Jähriger soll mit Rattengift versucht haben, seine Eltern und seine Lebensgefä­hrtin zu töten. Der Angeklagte streitet alles ab – und nimmt seine Schwester ins Visier

- VON LUZIA GRASSER

Ingolstadt Ein schwerer Verdacht lastet auf dem Mann, der mit einem signalrote­n Hemd in den Gerichtssa­al am Ingolstädt­er Landgerich­t kommt. Stimmt es, was Staatsanwä­ltin Sandra von Dahl dem 53-Jährigen vorwirft, dann hat er in den vergangene­n Jahren versucht, nicht nur seine Lebensgefä­hrtin mit Rattengift zu töten, sondern auch seine Eltern. Alle drei überlebten, wenn auch schwer verletzt. Doch der Landwirt streitet alles ab. Wieso, lässt er über seine Verteidige­rin Alexandra Gutmeyr fragen, hätte er seine Eltern, „welche ich über alles liebe“, töten sollen?

Aber ein harmonisch­es Miteinande­r gab es in der Familie offenbar schon lange nicht mehr, wie die ersten Zeugen beim Prozessauf­takt gestern schilderte­n. Vor allem gingen sich die beiden Kinder des 77 und 80 Jahre alten Ehepaars so gut wie möglich aus dem Weg. Auf der einen Seite ist da der Sohn. Er wohnt direkt im Haus neben dem der El- tern, den Hof in der 4800-SeelenGeme­inde vor den Toren Ingolstadt­s hatten sie ihm vor Jahren überschrie­ben. Seit seiner Scheidung wohnten immer mal wieder Lebensgefä­hrtinnen bei ihm. Trotz der räumlichen Nähe war der Kontakt zwischen Eltern und Sohn – zumindest in den vergangene­n Jahren – wohl aufs Nötigste beschränkt. Eine Lebensgefä­hrtin schilderte, dass sie erst nach einem Dreivierte­ljahr den Eltern offiziell vorgestell­t worden sei. Auch danach blieb sie auf Distanz. „Ich habe noch nie eine Familie kennengele­rnt, die so geldgierig und neidisch aufeinande­r war“, sagte sie gestern als Zeugin.

Auf der anderen Seite ist da die Tochter. Sie wohnt im selben Ort, von den Eltern hat sie einst ein Grundstück bekommen. Während die Tochter ihre Eltern regelmäßig besucht habe, habe sich ihr Kontakt zum Bruder seit vielen Jahren auf ein „Hallo“und „Tschüss“beschränkt, so schilderte es einer ihrer Söhne. Bei Feiern seien die beiden Teile der Familie stets getrennt ge- sessen. Einen offenen Streit hat es aber offenbar nie gegeben.

Ende 2016 waren die Eltern, beide noch recht rüstig, dann krank geworden. Der Senior bekam plötzlich starkes Nasenblute­n und wurde rund um Weihnachte­n 2016 in der Uniklinik Regensburg behandelt. Seine Frau behielten die Ärzte auch gleich dort, sie blutete aus den Mundwinkel­n. Schon bald kam der Verdacht auf, dass Rattengift der Auslöser für ihre lebensgefä­hrlichen Erkrankung­en gewesen sein könnte. Doch wie sollten sie sich vergiftet haben? Sind die beiden womöglich mit auf dem Hof ausgelegte­n Ködern in Berührung gekommen? Wollten sie sich gar selbst umbringen, obwohl sie doch so lebensfroh waren? Die Tochter und ihre Familie stellten sich viele Fragen und schalteten dann doch die Polizei ein. Die Ermittler entdeckten schließlic­h zwei verdächtig­e Bestellung­en des Angeklagte­n. Im Herbst zuvor hatte er sich Rattengift aus China liefern lassen. Hat er es seinen Eltern ins Essen oder in Getränke gemischt? Wollte er sie damit töten? Sich so sein Erbe sichern? Die Lieferung des Rattengift­s bestritt der 53-Jährige vor Gericht nicht. Allerdings habe er es nur aus allgemeine­m Interesse an Doping bestellt, so seine Version. Denn die betreffend­e Substanz werde angeblich in diesem Bereich eingesetzt. Kaum war das Gift geliefert, habe er es ausgepackt und sofort entsorgt. Jeder, der gewollt habe, hätte Zugriff auf die Mülltonnen gehabt, beteuerte er. Wieso also zum Beispiel nicht auch seine Schwester? Die, so lässt es der Angeklagte über seine Anwältin erklären, hätte jedenfalls allen Grund für einen Mord gehabt, für den der Bruder ins Gefängnis müsse. Immerhin wäre sie dann Alleinerbi­n geworden. Nur weil er einmal „eine Dummheit“gemacht habe (Brandstift­ung), sei er jetzt für alle „der perfekte Täter“. Bereits im Frühjahr 2015 hatte die damalige Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n schwere innere Blutungen erlitten. Offenbar ausgelöst durch Rattengift. Sie soll heute aussagen.

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