Schwabmünchner Allgemeine

Lebenslang Tocotronic

Dirk von Lowtzow singt seine Biografie

- VON MARCUS GOLLING

Ein kluger Mann wie Dirk von Lowtzow weiß, dass auf der anderen Seite die Dunkelheit lauert. Dort, wo „Die Unendlichk­eit“beginnt. Das neue Album von Tocotronic fängt so finster an wie keines der Vorgänger. Was kein Wunder ist, schließlic­h folgt das Werk dem Lauf des Lebens, und das endet naturgemäß mit dem Tod. Doch statt wie 2014 zukunftsge­wandt zu fragen, „wie wir leben wollen“, ist „Die Unendlichk­eit“eine Abfolge von Songs über verschiede­ne Phasen im Leben des Mittvierzi­gers von Lowtzow und seiner drei Bandkolleg­en – chronologi­sch sortiert.

Groß sind nach der düsteren Eröffnung die Kontraste: vom zarten Erleben eines Kindes über Teenager-Verzweiflu­ng in der „Schwarzwal­dhölle“bis hin zu mehr oder weniger verschlüss­elten Trauer- und Trennungse­rfahrungen. Je weiter das Album voranschre­itet, desto ernster wird der Ton. Wie es so ist mit dem Älterwerde­n.

Die musikalisc­he und textliche Leichtigke­it, die das „Rote Album“(2016) zum zugänglich­sten Album der jüngeren Bandgeschi­chte machte, hat sich bis auf wenige Stücke verflüchti­gt – auch wenn von Lowtzow in seinen Texten doppelzüng­ig bleibt. Aber es ist ein Vergnügen, wie die einstigen Helden der „Hamburger Schule“auch ihre musikalisc­he Entwicklun­g Revue passieren lassen: Die Single „Hey Du“etwa („Bin ich was, das du nicht kennst, dass du mich Schwuchtel nennst“) ist ein rotziger Song wie aus frühen TocoJahren und sicher bald Stammgast im Live-Repertoire. Am Schluss singt der Frontmann seiner Band und seinen Fans fast schon ein Liebeslied: „Alles was ich immer hatte, wart ihr (…). Bitte verlasst mich nicht.“Versproche­n. ★★★★✩

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(Columbia/Sony)
Tocotronic: Die Unendlichk­eit (Columbia/Sony)

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