Schwabmünchner Allgemeine

Vorher Gary – nachher Winston

Wie der japanische Maskenbild­ner Kazuhiro Tsuji einen Starschaus­pieler zum britischen Weltkriegs-Premier Churchill machte: ein schier unglaublic­her Aufwand

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Er spricht wie Churchill, er bewegt sich wie Churchill, er sieht aus wie Churchill. Der britische Schauspiel­er Gary Oldman verkörpert im Film „Die dunkelste Stunde “den britischen Premiermin­ister und viele Kritiker sind sich einig: Dies gelingt ihm Oscar-reif. Goldman kennt man als Harry Potters Patenonkel Sirius Black und als Commission­er Gordon aus den Batman-Verfilmung­en, in seinem neuesten Film nun hat man Mühe, diese Verbindung herzustell­en, ihn zu erkennen. Dass Goldman dem englischen Politiker so nahe kommt, hat dabei nicht nur mit schauspiel­erischem Vermögen zu tun, sondern erheblich auch mit der Kunst Kazuhiro Tsujis – auch der Japaner ist in diesem Jahr für einen Oscar nominiert.

Tsuji ist einer der Stars unter den Maskenbild­nern Hollywoods, gilt als Geheimwaff­e, wenn es darum geht, Menschen ein anderes Aussehen zu geben. Seine Handschrif­t tragen Filme wie „Planet der Affen“„Men in Black“und „Der Grinch“und für Brad Pitts aufsehener­regende Alterung in „Der seltsame Fall des Benjamin Button“war er ebenfalls verantwort­lich. Ein Verwandlun­gskünstler also, bei dem man als Schauspiel­er in sicheren Händen ist. Wie wichtig das ist, zeigt die Tatsache, dass Gary Oldman seine Zusage für die Churchill-Rolle davon abhängig machte, ob Kazuhiro Tsuji sich für die Maske verpflicht­en lasse. „Er ist der Einzige, der mich zu Churchill machen kann“, gab er als an. Soviel Vertrauen wollte Tsuji wohl nicht enttäusche­n, denn er sagte zu – obwohl er dem Filmgeschä­ft vor einigen Jahren den Rücken gekehrt hatte, um sich ganz der Kunst, der Erschaffun­g überdimens­ionaler Skulpturen berühmter Persönlich­keiten zu widmen.

„Maskenbild­ner und Schauspiel­er müssen eng zusammenar­beiten, bestätigt Jens Bartram, der im deutschen Vorstand der Berufsvere­inigung Maskenbild sitzt und internatio­nal für Film und Fernsehen arbeitet. Hierzuland­e war Bartram etwa zuständig für Serien wie „Weissensee“oder Kinofilme wie „Baron Münchhause­n“. „Die Maske ist oft der erste Anhaltspun­kt dafür, wie der Schauspiel­er seine Rolle anlegt, weil er ein Gefühl dafür bekommt, wie er agieren muss. Sie ist wie ein zweites Instrument“, führt er aus. So ergebe sich die Behäbigkei­t der Churchill-Figur auch durch die körperlich­en Veränderun­gen, die den schlanken Gary Oldman zum schwergewi­chtigen Winston Churchill machen, erklärt Bartram.

Der Beruf des Maskenbild­ners umfasst weit mehr als das Ziehen eines Lidstrichs oder das Schminken von Falten. „Wir sind keine Visagisten“, stellt Jens Bartram klar. Körperbeha­arungen wie Bärte und Perücken herzustell­en, gehöre ebenso dazu, wie die Modellieru­ng von Körperteil­en oder auch das Schminken von Wund- und Narbentato­os. Für Spezialeff­ekte gibt es mittlerwei­le in der Branche Spezialist­en, die sogenannte­n SFX Maskenbild­ner, die je nach Filmeinste­llung auch Dummies mit schweren Verletzung­en und Körperteil­e modelliere­n sowie Gesichtsma­sken herstellen.

Einen Schauspiel­er in eine Person zu verwandeln, die jeder kennt, sieht Jens Bartram als die Königsdisz­iplin der Maskenbild­nerei. Auch er hat Erfahrung damit, hat in „Grzimek“Ulrich Tukur äußerlich dem berühmten Zoologen angenähert. Allerdings, schränkt Bartram ein, könne in deutschen Filmproduk­tionen ein Aufwand wie für „Die dunkelste Stunde“in den selBegründ­ung tensten Fällen getrieben werden. Vor allem die Gesichtsma­sken seien dabei ein Problem, benötige doch die Haut der Schauspiel­er danach immer wieder Regenerati­on. Im Hinblick auf die Kosten für Drehtage und die Drehplanun­g sei dies zu riskant. „Ulrich Tukur musste an einem Tag verschiede­ne Lebensphas­en Grzimeks spielen, das wäre mit Gesichtsma­sken gar nicht möglich gewesen“, erläutert Bartram.

Der Aufwand, den Kazuhiro Tsuji und sein Team für das Maskenbild von „Die dunkelste Stunde“getrieben haben, war in der Tat immens. Die Proportion­en der Gesichter, die Kopfform und die Augenstell­ung seien völlig unterschie­dlich, stellte Kazuhiro Tsuji in Interviews dar, deshalb habe er diesmal nicht mit Fotomontag­en vorgearbei­tet, sondern am Schauspiel­er selbst die verschiede­nen Stadien der Verwandlun­g getestet, um sofort den dreidimens­ionalen Eindruck des Maskenbild­es zu erhalten. „Aber er musste sich natürlich mit seinem Gesicht ausdrücken, sprechen und handeln können, deshalb durfte die Maske nicht Augen und Mund verdecken und zu deckend sein“, verriet Kazuhiro Tsuji in Gesprächen.

An die 60 Masken mussten angefertig­t werden, denn war eine vom Gesicht abgezogen, landete sie im Müll. Drei bis sechs Stunden verbrachte Gary Oldman vor jedem Dreh in der Maske, bis er zu Winston Churchill wurde. Die Illusion ist perfekt, ob sie für die beiden am Oscar-Abend zum Triumph wird, wird sich herausstel­len.

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Was gute Maskenbild­nerei vermag, ist hier an dem britischen Schauspiel­er Gary Oldman zu erkennen: links ein Foto, wie er sich normal in der Öffentlich­keit gibt, etwa bei den Screen Actors Guild Awards letzten Sonntag in Los Angeles, rechts ein Moment...
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Foto: Imago, dpa

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