Schwabmünchner Allgemeine

Wer beschenkt hier eigentlich wen?

Der Künstler will Paris eine Tulpen-Skulptur bescheren. Die Gegner aber schauen dem Gaul genau ins Maul

- VON RÜDIGER HEINZE Augsburg

Spektakulä­re Veranstalt­ungen, Events, Wohltaten – oder vermeintli­che Wohltaten – werden immer häufiger hinterfrag­t. Es ist nicht mehr so, dass dem tatsächlic­h oder vorgeblich geschenkte­n Gaul nicht mehr ins Maul geschaut würde. Vorgänge um Olympische Spiele und Landesgart­enschauen sind einschlägi­g bekannt, und auch die Kunst und ihre Interventi­onen werden immer weniger einfach nur „geschluckt“.

Jetzt ist Paris an der Reihe. Jeff Koons, der smarte US-Starkünstl­er, 63, will der Stadt einen elf Meter hohen bunten Tulpenstra­uß schenken – wie er es selbst sieht. Und zwar in Gedenken an die Opfer der Terroransc­hläge vom November 2015. Die Bürgermeis­terin Anne Hidalgo protegiert Koons’ Idee pathetisch als „unwiderruf­liche Verbundenh­eit von Paris und Amerika“. Allein: Der Widerstand gegen das Projekt aus Stahl und Bronze ist geballt, eloquent, prominent – und braucht dabei nicht einmal ästhetisch-geschmackl­iche Fragen groß zu berühren.

Ein interessan­ter Fall also. Drei Umstände vor allem stoßen in Paris auf Kritik, an der Spitze bei Frankreich­s Ex-Kulturmini­ster Frédéric Mitterrand und dem weltweit respektier­ten Installati­onskünstle­r Christian Boltanski. Sie klagen öffentlich: Koons sei das Symbol einer industriel­len, spektakulä­ren und spekulativ­en Kunst geworden; und sein Atelier und seine Händler seien multinatio­nale Luxus-Unternehme­n.

In dasselbe Horn stoßen Kuratoren, Galeristen, Kunstkriti­ker: Die vorgesehen­e Skulptur sei Product Placement an gezielt ausgewählt­em Ort. Mit beidem wolle Koons seinen Marktwert weiter steigern, gelegen zwischen Palais de Tokyo und dem Museum für moderne Kunst.

Und damit ist der zweite Kritikpunk­t angesproch­en: Der vorgesehen­e Ort, der die Skulptur in bestes freies Licht von allen Seiten rücken würde, habe mit den Orten der Ter- roranschlä­ge nichts zu tun: Stade de France, Konzerthau­s Bataclan, Bars und Restaurant­s. Auf alternativ­e Aufstellun­gsvorschlä­ge ist Koons bislang nicht eingegange­n.

Der dritte Punkt der TulpenGegn­er schließlic­h beleuchtet den Begriff des Geschenks. Die Herstellun­g der wohl chromstahl­glänzenden Skulptur würde drei Millionen Euro kosten. Und sie sollen vom „Fonds de Paris“kommen, der 2015 auf Initiative der Stadt für mäzenatisc­he Projekte gegründet wurde. Koons also schenkt Paris nur seinen Entwurf. Und dieser Umstand gipfelt in der Kritik: Eigentlich mache sich der Geschäftsm­ann Koons Paris zum Geschenk.

 ?? Foto: dpa ?? Für Fotografen stets bestens gelaunt: Jeff Koons.
Foto: dpa Für Fotografen stets bestens gelaunt: Jeff Koons.

Newspapers in German

Newspapers from Germany