Schwabmünchner Allgemeine

Ist Dieter Wedel jetzt erledigt?

Der Regisseur soll Schauspiel­erinnen belästigt und sogar vergewalti­gt haben. Er weist die Anschuldig­ungen von sich und spricht von einem „medialen Pranger“. Hat er damit recht?

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Herr Professor Altmeppen, haben Sie den Eindruck, die Berichters­tattung über die Vorwürfe gegen Dieter Wedel kommt einer massiven Vorverurte­ilung gleich? Wedel spricht von einem „medialen Pranger“, die bekannte Gerichtsre­porterin Gisela Friedrichs­en von „medialer Hinrichtun­g“...

Klaus Dieter Altmeppen: Es gibt nicht „die“Berichters­tattung zum Fall Wedel. Es gibt die Berichters­tattung etwa der Zeit, die sich auf Recherchen stützt. Diese Berichters­tattung ist notwendig und entspricht dem, was Journalism­us leisten soll, nämlich Kritik, Kontrolle und Aufklärung. Und dann gibt es die Berichters­tattung der trittbrett­fahrenden Druckmedie­n und des Fernsehens. Die Vorwürfe gegen Wedel sind sehr detaillier­t und werden durch mehrere Quellen gestützt. Rechtferti­gt das dennoch Art und Umfang der aktuellen Verdachtsb­erichterst­attung?

Altmeppen: Diese sogenannte Berichters­tattung ist völlig überflüssi­g, sie ist nichts anderes als effekthasc­hendes Aufblasen von Informatio­nen um der Auflagen, Klicks und Quoten willen. Da wird nicht recherchie­rt und keinerlei Rücksicht auf Grundsätze genommen, von Personen, die sich Journalist­en und Journalist­innen nennen, die aber von diesem Beruf und seinen ethischen Anforderun­gen keine Ahnung haben. Denen sind Begriffe wie Unschuldsv­ermutung und Vorverurte­ilung unbekannt.

Egal, was eventuell ein Gericht feststelle­n wird: Wedel ist erledigt?

Altmeppen: Ja, wenn Schmutz geworfen wird, bleibt immer was hängen. Und sollte das Publikum das vielleicht auch vergessen, die Boulevardm­edien werden diese Ereignisse künftig immer wieder auffrische­n, wie die Kamele immer wieder Gras abfressen.

Welche Aussagekra­ft haben eigentlich die eidesstatt­lichen Erklärunge­n, die sowohl Wedel als auch seine mutmaßlich­en Opfer der Wochenzeit­ung „Die Zeit“gegeben haben?

Altmeppen: Zunächst einmal sind es eidesstatt­liche Erklärunge­n, deren Realitätsg­ehalt juristisch zu klären ist. Das ist nicht Aufgabe des Journalism­us. Es wurde bereits an den Fall Kachelmann erinnert. Der Wetterexpe­rte wurde nach Jahren vom Vorwurf der Vergewalti­gung freigespro­chen, seine berufliche Existenz aber war erst einmal zerstört. Sehen Sie Parallelen zum Fall Wedel?

Altmeppen: Ja, aber das ist nicht gebunden an die Person Kachelmann. Das ist ein strukturel­les Problem. Bei derartig personalis­ierter Berichters­tattung wie sie in Deutschlan­d existiert, wird jeder Skandal hochgebaus­cht – je mehr, desto öffentlich­er die Personen sind. Das ist eine Folge der Ökonomisie­rung, die vor allem bedeutet, dass redaktione­lle Entscheidu­ngen an ökonomisch­en Erfolgen orientiert werden.

Was ist also aus medienethi­scher Sicht der richtige Umgang mit dem Fall Dieter Wedel?

Altmeppen: Sofern neue Fakten recherchie­rt wurden, ist eine Berichters­tattung notwendig. Ansonsten wäre es wünschensw­ert, die Medien würden einer Ethik der Nicht-Berichters­tattung folgen: keine neuen Fakten, keine Berichters­tattung. Klaus Dieter Altmeppen ist Jour nalistik Professor an der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt Ingolstadt und einer der beiden Leiter des „Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellscha­ft“(zem::dg).

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Fotos: Swen Pförtner, dpa; Christian Klenk, KU Eichstätt Ingolstadt Seit Wochen im Fokus der Öffentlich­keit: Star Regisseur Dieter Wedel.
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