Schwabmünchner Allgemeine

Kerber geht nur kurz in die Knie

Die 30-Jährige verliert das Halbfinale der Australian Open auf dramatisch­e Art und Weise. Für die Zukunft aber lassen ihre Leistungen viel Positives für die laufende Saison erwarten

- Melbourne

Am Ende eines Spektakels ohne Happy End sehnte sich Angelique Kerber völlig entkräftet nach Ruhe und ein paar freien Tagen zu Hause. Sie wolle jetzt „einfach mal den Schläger in die Ecke legen“, erzählte die 30 Jahre alte Kielerin nach ihrem Wahnsinns-Match. Gegen die Weltrangli­sten-Erste Simona Halep lag Kerber bei den Australian Open früh 0:5 zurück, wehrte später zwei Matchbälle ab, vergab selber zwei Matchbälle und musste sich doch 3:6, 6:4, 7:9 geschlagen geben. „Ich fühle nicht, dass ich das Match verloren habe, sie hat es am Ende gewonnen“, sagte Kerber nach dem Halbfinale.

Zum ersten Mal im neuen Jahr musste die Comeback-Königin der vergangene­n Wochen wieder eine Niederlage kommentier­en. Und konnte ihre Gefühle nicht so richtig einordnen. Sie sei „traurig“, sagte Kerber, aber auch „stolz und glücklich“. 19 Matches in 25 Tagen hat Kerber 2018 gespielt. Beim Hopman Cup in Perth gewann sie all ihre Einzel, beim Turnier in Sydney holte sie den Titel, und beim Grand Slam in Melbourne wurde sie erst gestoppt, als nur noch vier Spielerinn­en im Tableau waren. „Wenn mir jemand noch vor vier Wochen gesagt hätte, dass ich so viele Matches in Folge gewinne, dass ich 2018 schon einen Titel gewinne und hier im Halbfinale stehe mit der Chance aufs Finale, und dass ich wieder mein Tennis spiele, da weiß ich nicht, ob ich das direkt so geglaubt hätte“, sagte Kerber – und schob hinterher: „Aber das ist eingetroff­en und einen besseren Start hätte ich mir nicht vorstellen können.“

Die erste Niederlage nach zuvor 14 Siegen in Serie ließ die neue Nummer neun der Welt nicht verzweifel­n. Das Australien-Abenteuer war genau das richtige Aufbauprog­ramm für Kerber nach dem verkorkste­n Vorjahr. Obwohl es gegen die stark aufspielen­de Halep nicht zum vierten Grand-Slam-Endspiel reichte und der heimliche Traum vom dritten großen Titel nach den Australian Open und US Open 2016 nach zwei Stunden und zwanzig Minuten in der tobenden Rod-LaverArena zerstob, darf Kerber stolz und voller Zuversicht ihre Heimreise antreten. In dem Wissen, dass sie zurück ist. Oder zumindest auf dem besten Weg zu ihrem magischen Jahr 2016.

Im Endspiel am Samstag (9.30 Uhr Eurosport) geht es auch um die Nummer 1 der Tennis-Welt. Im Duell zwischen Halep und der Dänin Caroline Wozniacki wird eine neue Grand-Slam-Siegerin gekrönt. Kerber aber wird weitere Chancen bekommen. Wenn sie so spielt wie in den ersten drei Wochen, dann auch noch in diesem Jahr. „Ich habe wieder mein Herz auf dem Platz gelassen und bis zum Schluss gekämpft. Das zeichnet mich aus, das hat mich 2016 ausgezeich­net, und ich glaube, dass ich das auch mitnehmen werde für den Rest des Jahres“, sagte Kerber. Den Satz, dass sie das vermaledei­te Jahr 2017 hinter sich gelassen habe und nicht mehr zurückblic­ke, hat Kerber in den vergangene­n Tagen auf Wiedervorl­age gelegt und ihn immer wieder in wechselnde­n Variatione­n zum Besten gegeben.

Dass sie es unter ihrem neuen Trainer Wim Fissette wieder genieße, Tennis zu spielen, war auch keine Breaking News mehr an diesem Abend im Melbourne Park. „Die Wende“, sagte Kerber, „die Wende war nicht heute, die habe ich schon in Perth und in Sydney gespürt. Ich werde die positiven Dinge aus den letzten Wochen mitnehmen. Ich fliege mit einem positiven Gefühl nach Hause und freue mich auf die nächsten Turniere.“

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Foto: Witters Am Ende eines begeistern­den Matches musste sich Angelique Kerber geschlagen ge ben. Jetzt möchte sie erst mal „den Schläger in die Ecke legen“.

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