Der Jazz hat eine arabische Affäre
Das Harrycane Orchestra bringt westliche Improvisation mit östlicher Melodik zusammen. Heute spielt das Sextett in Augsburg. Doch die Pläne reichen weiter
Vor dem abendlichen Konzert ist wohl auch an diesem Freitag erst einmal andere Arbeit zu tun. Für den in Augsburg lebenden Drummer und Komponisten Harry Alt stehen wie an jedem Tag in den letzten Monaten mindestens zwei Stunden „Booking“und damit TelefonAkquise bei potenziellen Veranstaltern auf dem Plan. Offensichtlich ist es schwerer, als der Laie denkt, ein so außergewöhnliches Jazzensemble wie das Harrycane Orchestra, das Alt gemeinsam mit weiteren fünf Profi-Musikern aus der Region im Jahr 2015 gegründet hat, auf Klubbühnen zu bringen.
Ob es an der Musik liegt? Die ist eine originelle Mischung aus modernem Jazz und orientalischer Melodieführung mit arabeskem Gesang. Das Faible für diese Art moderner Weltmusik, die Faszination für arabische Rhythmik sowie die Leidenschaft für Improvisation, bilden das Fundament der Stücke, die Harry Alt für das Ensemble schreibt. „Mit diesem Repertoire bieten wir für eingefleischte Jazzer zu viel Weltmusik und für die Weltmusik-Szene noch zu viel Jazz“, meint Alt mit verschmitztem Lächeln.
Trotzdem, seine gute Laune und die nötige Portion Gelassenheit und Optimismus hat sich der Drummer bewahrt. Er hat in München studiert und seither mit Jazzgrößen wie Claudio Roditi gespielt, war viel mit dem Pianisten Tim Allhoff oder dem FaksTheater unterwegs. Alt wurde aber auch schon vom (damals noch eigenständigen) SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden engagiert und mehrfach auch vom Theater Augsburg für (Freilicht-)Produktionen wie „Hair“oder „Blues Brothers“.
Groß ist Alts Vorfreude auf den Auftritt am heutigen Freitag im Augsburger Jazzclub, denn das bedeutet mal wieder ein Konzert am Stammsitz des Ensembles. Hier fand vor zwei Jahren im Rahmen der Langen Kunstnacht die Konzertpremiere des Harrycane Orchestra statt, und zwar im Alten Stadtbad – für Alt, der hier ziemlich alle Konzertstätten kennt, eine echte Wunsch-Location. 2017 spielte das Orchestra beim Künstlerempfang im Goldenen Saal, und für das laufende Jahr stehen immerhin schon fünf Termine fest. Das bedeutet intensive Probenarbeit für das kleine, aber feine Orchester. Neben Alt mit dabei sind Tarkan Yesil als Sänger und Riqspieler, Joe Aykut (Cümbüc), Giuseppe Puzzo (Bass), David Kremer (Klavier) sowie Kay Fischer (Saxophon/Klarinette/ Flöte).
Die Musiker treffen sich einmal in der Woche, um das Repertoire zu vertiefen. „Ich habe schon hohe Ansprüche, was die musikalische Qualität und die Gestaltung betrifft“, sagt Alt. Für die kommenden Jahre will der Bandleader den Fokus vor allem auf die künstlerische Fortentwicklung des Potenzials richten, das im Harrycane Orchestra steckt. Wer die Band live erlebt, der, ist Harry Alt überzeugt, dürfte schnell erkennen, „was wir beabsichtigen und in welcher Qualität wir uns musikalisch ausdrücken.“
Aus den Konzerten heraus ergeben sich oft weitere Engagements. Bevorzugen würde Alt natürlich Auftritte auf größeren Festivals, damit seine Kompositionen und damit sein Faible für die mit „Arabic Jazz Affairs“beworbene Musik entsprechend zur Geltung kommen. Wann genau nach der ersten, mit Erfolg vom Label Galileo Music Communication vertriebenen CD „Phosphorus“die von Alt erhoffte Deutschlandoder gar Europatour kommt und wann das zweite Album vorliegt, das ist derzeit aber noch offen. Der Elan, mit dem Harry Alt jedoch alle Hürden zu überwinden versucht, dürfte bei der Realisierung der Visionen von Vorteil sein.