Schwabmünchner Allgemeine

Die SPD ringt mit sich

Die Abgeordnet­e Ulrike Bahr diskutiert noch einmal mit Mitglieder­n und Bürgern über den Zustand der Partei und die anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen. Dabei beziehen die Genossen gegensätzl­iche Positionen

- VON MIRIAM ZISSLER

Ein Riss geht durch die SPD. Das ist seit der Bundestags­wahl 2017 spürbar. Die 20,5 Prozent waren eine Schlappe für die Genossen, von der sich viele bis heute noch nicht davon erholt haben. Wie es nun weitergeht mit ihrer Partei und einer möglichen Regierungs­verantwort­ung sind Fragen, die allen Mitglieder­n auf den Nägeln brennen. Einig sind sie sich darüber nicht, doch diese Zerrissenh­eit wird zum Anlass genommen, darüber kräftig und leidenscha­ftlich zu diskutiere­n. Wie etwa Mittwochab­end in der Stadtbüche­rei. Die Bundestags­abgeordnet­e Ulrike Bahr hatte zu einer öffentlich­en Diskussion eingeladen. Bereits im Dezember waren 70 SPD-Mitglieder und Bürger da. Am Mittwoch kamen abermals so viele Genossen zusammen. Es gab beinahe ebenso viele Wortmeldun­gen wie Teilnehmer.

Ulrike Bahr war eine der sieben schwäbisch­en Delegierte­n, die am Bundespart­eitag teilnahmen. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie gegen die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen gestimmt hat. Nun will sie „den Druck auf die Verhandlun­gen nicht nachlassen“und sehen, was herauskomm­t.

Peter Biet, Ortsverein­svorsitzen­der Herrenbach/Spickel, will, dass sich die SPD der „Verantwort­ung fürs Land“stellt. Er habe sich das 28-seitige Sondierung­sprogramm und habe „richtungsw­eisende Inhalte“darin entdeckt. Auch Landtagska­ndidat Tobias Rief (Stimmbezir­k Dillingen, AugsburgLa­nd) will die Koalitions­verhandlun­gen abwarten: „Wenn das Ergebnis nicht stimmt, dann lehnen wir es ab. Wenn wir aber die Koalitions­verhandlun­gen nicht ernsthaft angehen, wird uns das der Wähler nicht danken.“

Volkmar Thumser, seit 1986 Mitglied der SPD, sieht die Situation differenzi­ert. „Nach dem Ausruf von Martin Schulz, dass wir in die Opposition gehen, muss es ja erst einmal eine Regierung geben, gegen die opponiert werden kann.“In den Sondierung­spapieren würden ihm wichtige Punkte, wie etwa die Bürgervers­icherung, fehlen. Emotional schilderte Günther Burgemeist­er (SPD Meitingen) seine Gefühlslag­e. „Ich warne generell vor einer GroKo, in der sich die SPD unterbutte­rn lässt. Die Verträge müssten von der CSU eingehalte­n werden, aber sie hält sich an keine Vereinbaru­ngen.“Für SPD-Mitglied Henning Höppe ist der Koalitions­partner CDU/CSU schlicht „unzuverläs­sig“. Er erinnerte an die von der Union im Fall Glyphosat ignorierte Vereinbaru­ng. Das Sondierung­sprogramm überzeuge ihn nicht. „Mit der formuliert­en Zahl von höchstens 220 000 Flüchtling­en, die im Jahr nach Deutschlan­d ziehen dürfen, steht sehr wohl eine Ober- grenze in der Vereinbaru­ng. Das ist inakzeptab­el.“Die SPD müsse „glaubwürdi­g werden“, um gewählt zu werden. Außerdem hielt er den anderen Teilnehmer­n vor Augen, dass die AfD Opposition­sführer werde, wenn es eine GroKo gäbe.

Während der knapp zweistündi­gen Diskussion wurde auch von Aufbruchst­immung und Erneuerung gesprochen. Das müsse das Ziel sein, doch ein Patentreze­pt dafür hatte niemand parat. Glaubwürdi­gkeit und Rückbesinn­ung auf sozialdemo­kratische Werte wurden genannt. Der Parteivors­tand stand genauso in der Kritik, wie auch die Jungsozial­isten. Der ehemalige Bürgermeis­ter Klaus Kirchner zählte ebenfalls zu den Diskussion­steilnehme­rn. Er ist seit 54 Jahren SPDMitglie­d und war sich ebenfalls am Wahlabend sicher, dass eine GroKo nicht noch einmal infrage kommt. Heute ergibt sich für ihn ein neues Bild. „Es lag nicht an der GroKo. Es lag an den Leistungen im Wahlkampf, die Inhalte konnten dem Wähler nicht verkauft werden.“

Entsetzt zeigte sich Kirchner über die von den Jusos ins Rollen gebrachte Aktion „Tritt ein, sag’ Nein“. Die GroKo-kritischen Jusos rufen zum Eintritt in die Partei auf, um beim Mitglieder­entscheid der Sozialdemo­kraten ein neues Regierungs­bündnis zu verhindern. „Dass bestimmte Leute schnell eintreten sollen und dann wieder schnell ausdurchge­lesen treten können, ist ein Schlag ins Gesicht für Leute, die die Partei in den vergangene­n 50 Jahren mit aufgebaut haben“, sagte er.

Stadträtin Anna Rasehorn, die Stellvertr­etende Vorsitzend­e der Augsburger Jusos ist, entgegnete mit weiteren Mitglieder­n, dass das so falsch kommunizie­rt wurde. „Es heißt vielmehr, tritt ein, bleib dabei“, sagte sie. Sie habe 1000 Hausbesuch­e während des Wahlkampfs absolviert und habe immer wieder zu hören bekommen, dass die Bürger die SPD nicht mehr von den anderen Parteien unterschei­den könne. „Wir müssen wieder zurückfind­en zu linken Inhalten. Wir sind so nicht wählbar und haben kein Profil. Lasst uns die vier Jahre nutzen und ein Profil erarbeiten“, warf sie ein und erhielt Applaus. Und Günther Burgemeist­er aus Meitingen resümierte: „Das Herz der SPD schlägt links. Wir können uns doch nicht umoperiere­n lassen.“

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Foto: Peter Fastl Wie geht es mit der SPD weiter? Günther Burgemeist­er will in keine Große Koalition. Denn: „Das Herz schlägt links.“

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