Schwabmünchner Allgemeine

Wie alt darf ein Minderjähr­iger sein?

Wie das Jugendamt das wahre Alter junger Geflüchtet­er feststellt. Das kann durchaus eine wichtige Frage sein. Im Moment kommen keine neuen Flüchtling­e hinzu

- VON JANA TALLEVI Landkreis Augsburg

Fast zwei Drittel aller Minderjähr­igen im Landkreis Augsburg sind schon volljährig – zumindest, wenn es um die 142 sogenannte­n unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e geht, die derzeit hier leben. Diese Zahl hat die Leiterin des Amtes für Jugend und Familie im Landkreis, Christine Hagen, auf der jüngsten Sitzung des Jugendhilf­eausschuss­es genannt. Denn das Jugendamt kann sich durchaus auch dann noch etwas länger um Jugendlich­e kümmern, auch wenn diese bereits 18 Jahre alt sind. Denn eines der Probleme dieser jungen Erwachsene­n, die zumeist schon einige Jahre im Landkreis Augsburg leben, ist, dass sie keine eigenen Wohnmöglic­hkeiten finden. „Das klappt nur in Ausnahmefä­llen“, so Christine Hagen. Auf eine Anweisung des bayerische­n Sozialmini­steriums hin dürfen diese Jugendlich­en inzwischen aber nicht mehr in Unterkünft­e umziehen, die der Landkreis für erwachsene Flüchtling­e bereitstel­lt. Weil aber auch von denen zur Zeit immer weniger kommen, plant das Jugendamt, eine dieser Unterkünft­e im Landkreis demnächst komplett in ein Wohnheim für junge Erwachsene umzuwandel­n.

Doch welcher unbegleite­te Flüchtling ist eigentlich wirklich minderjähr­ig? „Bei zwei jungen Männern hier im Landkreis sind wir da im Moment im Zweifel“, gibt Christine Hagen zu. Doch weil deren 18. Geburtstag kurz bevorstehe, bereite das dem Amt kein Kopfzerbre­chen mehr. Denn das wirkliche Alter eines Jugendlich­en festzustel­len, das sei gar nicht immer so einfach. „Wir haben da einige Versuche gemacht, lange bevor die aktuelle Diskussion zu dem Thema aufkam“, berichtete Christine Hagen im Ausschuss auf Nachfrage von CSU-Kreisrätin Ulrike Höfer.

Bereits vor ein paar Jahren, als die ersten unbegleite­ten Minderjähr­igen nach Bayern kamen, hatte das Amt bei einigen von ihnen Zweifel wegen ihres tatsächlic­hen Alters. „Wir haben sie dann mit ihrem Einverstän­dnis von einem Arzt untersuche­n lassen“, so Hagen. Das Ergebnis habe dann dem sprichwört­lichen Hornberger Schießen geglichen, erinnert sich die Amtschefin. „Die Untersuchu­ng ergab, dass die Jugendlich­en, um die es ging, alle zwischen 17 und 20 Jahre alt waren.“Stattdesse­n setzt das Jugendamt nun auf seine eigenen Mitarbeite­r. Sie sollen die Jugendlich­en in Augenschei­n nehmen und sich ihre Geschichte anhören. Dann entscheide­n sie, ob die plausibel ist oder nicht. Und dann gibt es noch eine dritte Art, über das Alter von Jugendlich­en zu entscheide­n: wenn das Familienge­richt für einen jungen Flüchtling einen Vormund bestellt. „Dann ist der Jugendlich­e automatisc­h minderjähr­ig. Denn wäre es volljährig, bräuchte er ja keinen Vormund“, erklärt Christine Hagen den juristisch­en Unterschie­d.

Dabei ist für das Jugendamt durchaus entscheide­nd, ob ein Geflüchtet­er schon volljährig ist oder nicht. Denn Jugendlich­e unter 18 Jahren werden in einer Art Kinderheim betreut, meist in Form von Wohngruppe­n, so wie alle anderen Kinder und Jugendlich­en in Obhut des Jugendamts auch. Tag und Nacht werden sie dort von fachkundig­em Personal betreut, außerdem müssen sie natürlich in die Schule gehen. Wer aber zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschlan­d schon 18 Jahre alt ist, wohnt zumeist in einer dezentrale­n Unterkunft mit anderen Erwachsene­n zusammen.

Unter anderem unterschei­den sich die Kosten für den Landkreis erheblich. Im vergangene­n Jahr hat die Kommune mehr als 4,6 Millionen Euro für die Unterbring­ung von

Wenn der Arzt zwischen 17 und 20 Jahren schätzt

Fachkundig betreut, und zwar Tag und Nacht

unbegleite­ten Minderjähr­igen sowie jenen bezahlt, die eigentlich schon volljährig sind. Allerdings gibt es dafür staatliche Zuschüsse. Zudem kommen schon seit vielen Monaten keine weiteren unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e mehr in den Landkreis: In der Vergangenh­eit waren hier so viele aufgenomme­n worden, dass es im Vergleich zu anderen Städten und Landkreise­n noch einen dicken Vorsprung gibt. Erst, wenn ein bayernweit­er Schlüssel erfüllt ist, könnten weitere junge Flüchtling­e hinzukomme­n.

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