Begehrtes Land
Der Landkreis ist eine Wachstumsregion und deshalb nehmen Häuser, Straßen und Fabriken immer mehr Platz ein. Während die Kosten für Grundstücke klettern, verliert die Landwirtschaft an Boden
Der Landkreis Augsburg ist eine Wachstumsregion. Während die Kosten für Grundstücke klettern, verliert die Landwirtschaft an Boden.
Neue Straßen, Fabriken und Häuser brauchen immer mehr Platz. In den vergangenen knapp 40 Jahren sind nach Berechnungen des Landwirtschaftsamtes in der Region Augsburg rund 15000 Hektar Ackerland verschwunden. Das entspricht in etwa der Größe der Stadt Augsburg. Gleichzeitig sind die Dörfer und Städte fast doppelt so schnell gewachsen wie der bayerische Durchschnitt und dieser Boom hat sich in den vergangenen Jahren beschleunigt. Ein Drittel der Unternehmen will investieren und wachsen, sagt die Industrie- und Handwerkskammer. Deren stellvertretender Hauptgeschäftsführer Peter Lintner: „Wir sind ein begehrter Standort.“
Doch wo soll dessen Wachstum enden? Die derzeitige Situation: Immobilienpreise und Mieten gehen durch die Decke, die Bauern klagen darüber, dass sie kaum noch Grundstücke bekommen, die sie bewirtschaften können. Der sogenannte Flächenfraß war deshalb jetzt Thema einer Veranstaltung des Bauernverbands in Gersthofen. Vor Bürgermeistern, Experten und Politikern sagte Martin Mayr, Kreisobmann des Bauernverbandes: „Wir fordern einen sparsameren Umgang mit landwirtschaftlichen Flächen.“
Danach aber sieht es derzeit nicht aus, wie Michael Higl verdeutlichte. Der Meitinger Bürgermeister ist Vorsitzender des Gemeindetags im Landkreis und schilderte die Situation in seinem Ort (über 11000 Einwohner): 250 Menschen, die auf eine günstige Wohnung warten, 200 Familien, die einen Bauplatz wollen, Handwerker, die erweitern wollen, Ansiedlungswünsche von Firmen, die sich nicht mehr erfüllen lassen. Higl: „Wir sind die Getriebenen.“
Landrat Martin Sailer warnte in diesem Zusammenhang vor den Folgen des derzeit laufenden Volks- begehrens gegen den Flächenverbrauch, das diesen auf höchstens fünf Hektar am Tag in Bayern beschränken will (derzeit rund 13 Hektar). Diese Begrenzung würde zu einer „Preisexplosion“führen, so der CSU-Politiker. Auch auf dem Land brauche man Raum für die wirtschaftliche Entwicklung. Ebenso wie der Wirtschaftsvertreter Lintner sprach sich Sailer für eine effizientere Nutzung der Flächen aus. Mit Förderprogrammen sollten innerörtliche Baulücken geschlossen werden. Logistik-Unternehmen müssten mehrstöckig bauen, statt nur in die Breite. Lintner sprach vom Ziel einer „verträglichen Expansion“.
Doch der größte Teil der Flächen geht nicht für Industrie- und Gewerbe drauf. Straßen und Wohnen kosten deutlich mehr Platz. Gleichzeitig wäre in vielen bestehenden Orten noch Platz. Baulücken und für heutige Verhältnisse große Grundstücke könnten genutzt, verödenende Ortskerne wieder belebt werden, sagt Gerlinde Augustin von der Schule für Dorf- und Landentwicklung. Dafür seien Förderprogramme nötig, aber auch entschlossenes Handeln in den Städten und Gemeinden. Diese müssten zuerst auf ihre Ortskerne schauen und einander nicht mit immer neuen Baugebieten Konkurrenz machen. Augustin glaubt: „Es wird zu viel ausgewiesen.“
Ein „grundsätzliches Umdenken“forderte der aus Hirblingen kommende Stadt- und Kreisrat Markus Brem (Freie Wähler) mit Blick auf die Gewerbeflächen. Diese seien noch immer viel zu billig. „Das muss man den Landwirten klar machen.“Nur mit höheren Preisen könnten Firmen dazu gebracht werden, sparsamer mit dem Land umzugehen. Brem: „Wir bewegen uns in einem Irrsinn.“
Angesichts geringster Zinsen und niedriger Verkaufsbereitschaft haben die Grundstückspreise seit 2010 deutlich angezogen, so Wolfgang Sailer, Chef des Landwirtschaftsamtes. Viele Bürgermeister fragen sich, wie sie angesichts der Preise, die bereits für Bauerwartungsland fällig sind, noch Bauland bereitstellen können, das auch den für Otto-Normalverdiener erschwinglich ist. Im Lichte der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt stelle sich für immer mehr Menschen die Frage der Bezahlbarkeit, sagt zum Beispiel der Wehringer Rathauschef Manfred Nerlinger.