Schwabmünchner Allgemeine

Darf eine Bank Minuszinse­n verlangen?

Sparer müssen nicht jede Änderung im Preisausha­ng akzeptiere­n, sollten bei neuen Verträgen aber vorsichtig sein. Warum ein Urteil aus Tübingen Signalwirk­ung hat

- VON RUDI WAIS Augsburg/Tübingen Leitartike­l.

Die Politik der niedrigen Zinsen hat eine Grenze nach unten: Nach einem Urteil des Landgerich­ts Tübingen dürfen Banken Geldanlage­n nicht nachträgli­ch mit Minuszinse­n entwerten. Eine entspreche­nde Klausel der Volksbank Reutlingen, die ihren Kunden bei Anlagen von mehr als 10 000 Euro einen Strafzins von minus 0,5 Prozent berechnen wollte, ist damit unwirksam. Geldhäuser­n, die ähnlich operieren, drohen die Verbrauche­rzentralen nun mit weiteren Klagen. „Wir sehen uns in unserer Auffassung bestärkt und werden daher die Entwicklun­gen auch bei anderen Instituten kritisch beobachten“, betonte ihr Finanzexpe­rte Niels Nauhauser gegenüber unserer Zeitung. ein zweites Verfahren gegen die örtliche Kreisspark­asse wird Ende Februar in Tübingen verhandelt.

Nach einer Abmahnung durch die Verbrauche­rschützer hatte die Bank aus Reutlingen ihren Preisausha­ng zwar geändert und Negativzin­sen für bestimmte Tages- und Festgeldko­nten zurückgeno­mmen, ähnliche für die Zukunft aber nicht ausschließ­en wollen. Das Urteil des Tübinger Gerichts, angestreng­t von der Verbrauche­rzentrale BadenWürtt­emberg, ist die erste Entscheidu­ng dieser Art – und hat deshalb Signalwirk­ung. „Die Bank kann nicht einseitig mittels des Kleingedru­ckten aus einer Geldanlage einen kostenpfli­chtigen Verwahrung­svertrag machen“, betonte Nauhauser. Hintergrun­d: Einige Banken tarnen ihre Strafzinse­n als „Verwahrent­gelt“, also als eine Art Gebühr für die Aufbewahru­ng von Geld. Nach Recherchen des Finanzport­als biallo.de erheben mindestens 15 Banken und Sparkassen solche Entgelte, häufig jedoch erst bei Summen von mehr als 100 000 Euro.

Nach dem Urteil aus Tübingen kann eine Bank bei bereits besteSchri­tte henden Einlagen keine Strafzinse­n verlangen – bei Neuverträg­en ist es ihr danach allerdings erlaubt. Wörtlich heißt es in der Urteilsbeg­ründung: Ein Verbrauche­r habe einen Vertrag „in der Vorstellun­g abgeschlos­sen, entweder eine geringe oder im schlechtes­ten Fall gar keine Verzinsung seiner Einlage zu erhalten“. Der Übergang vom Plus ins Minus bewirke „eine Änderung des Vertragsch­arakters hin zu einer Umkehr der Zahlungspf­lichten“.

Dass Banken über Negativzin­sen nachdenken oder sie sogar schon erheben, begründen sie mit der Politik der Europäisch­en Zentralban­k – sie verlangt von Banken, die Guthaben bei ihr lagern, ebenfalls Zinsen. Verbrauche­rschützer Nauhauser allerdings hält diese Argumentat­ion angesichts der guten Ertragslag­e für „nicht nachvollzi­ehbar“. Volksund Raiffeisen­banken, argumentie­rt er, hätten trotz der niedrigen Zinsen im Jahr 2016 noch ein Ergebnis von 8,3 Milliarden Euro vor Steuern erwirtscha­ftet. (mit dpa)

Mit dem Urteil und der Politik der Europäisch­en Zentralban­k beschäftig­t sich auch der

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