Schwabmünchner Allgemeine

Wer wird die Frau an Habecks Seite?

Anja Piel aus dem Fundi-Lager und Realo-Kandidatin Annalena Baerbock wetteifern um den Grünen-Parteivors­itz. Überraschu­ngen nicht ausgeschlo­ssen

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Wenn die Grünen heute eine neue Doppelspit­ze wählen, scheint auf den ersten Blick alles klar: Robert Habeck, der große Hoffnungst­räger, ist praktisch gesetzt. Und um den zweiten Spitzenpla­tz konkurrier­en zwei Frauen: Anja Piel und Annalena Baerbock. Auf den zweiten Blick ist es komplizier­ter, was an der grünen QuotenTrad­ition liegt. Mann, Frau, Realo und Fundi – so sieht die idealtypis­che Grünen-Doppelspit­ze aus. Bisher war das so, Ober-Realo Cem Özdemir teilte sich das Amt mit Simone Peter vom Fundi-Flügel.

Weil Robert Habeck eher als Realo gilt, hätte die Fundi-Frau Anja Piel aus Niedersach­sen eigentlich die besseren Karten. Doch Annalena Baerbock, die als Realo-Grüne gilt, hat in der Partei viele Freunde – quer durch die Lager wird die 37-jährige Potsdameri­n als smarte Nachwuchsh­offnung gehandelt. Auf den ersten Blick wirkt Baerbock weniger wie eine Öko-Politikeri­n, sonder eher wie eine erfolgreic­he Geschäftsf­rau. Doch schon in ihrer Kindheit in einem niedersäch­sischen Dorf spielten alternativ­e Ideen eine wichtige Rolle: Ihre Eltern nahmen sie mit zu Anti-Atom-Demos, später schwärmte sie für Greenpeace. Zur Parteipoli­tik fand sie nach ihrem Studium der Rechtsund Politikwis­senschafte­n in Hamburg und London. Seit 2005 ist sie Grünen-Mitglied, 2013 wurde sie in den Bundestag gewählt. Die Mutter zweier Töchter (zwei und sechs Jah- re alt) war im Dezember selbstbewu­sst mit ihrer Bewerbung vorgepresc­ht.

Anja Piel dagegen warf erst ihren Hut in den Ring, als mit Simone Peter eine andere Fundi-Grüne ihren Rückzug verkündete. Piel, die gelernte Industriek­auffrau, setzt auf Umverteilu­ngsthemen und pflegt ein deutlich linkes Profil. Die 52-jährige Mutter von zwei Kindern ist seit 2013 Fraktionsc­hefin der Grünen im niedersäch­sischen Landtag, gilt als krisenerfa­hren und ausgleiche­nd. Über ihre langjährig­e landespoli­tische Tätigkeit verfügt sie über ein Netzwerk in der Bundespart­ei – vor allem im linken Flügel. Das Prozedere des Parteitags sieht vor, dass im ersten Wahlgang Baerbock und Piel gegeneinan­der antreten. Zwar wird Anja Piel ein durchaus starkes Ergebnis zugetraut, doch in der Partei wird eher damit gerechnet, dass Baerbock im Zweikampf die Nase vorn hat.

Sollte es so kommen, will Anja Piel auch nicht im zweiten Durchgang gegen Robert Habeck antreten. Dies wäre zwar möglich, weil die Grünen-Tradition zwei Frauen in einer Doppelspit­ze durchaus zulässt. Doch eine Chance bleibt: Habeck wünscht sich eine Übergangsz­eit, in der er gleichzeit­ig Parteichef und schleswig-holsteinis­cher Umweltmini­ster sein kann. Verweigert ihm die Partei das, würde er seine Kandidatur wohl zurückzieh­en. Dann würde es nicht heißen Baerbock oder Piel – sondern Baerbock und Piel.

Bernhard Junginger

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Foto: dpa

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