Schwabmünchner Allgemeine

Der Machtkampf in der Südwest CDU

Die Landtagsfr­aktion verwirft die mit den Grünen vereinbart­e Reform des Wahlrechts. Das wird als schwerer Affront gegen Landespart­eichef Thomas Strobl angesehen. Der fühlt sich offenbar in Berlin heimischer als in Stuttgart

- VON PETER REINHARDT Stuttgart

Thomas Strobl wird den Sonntag genießen. Der Machtkampf im Stuttgarte­r Landtag ist weit weg, wenn der baden-württember­gische Innenminis­ter in Berlin mit den Wirtschaft­sexperten von Union und SPD in Berlin die großen Zukunftsfr­agen der Republik verhandelt. Da fühlt sich der 57-jährige Heilbronne­r heimisch.

In Stuttgart bleibt derweil offen, wer den Kurs in der baden-württember­gischen CDU bestimmt. Strobl, der CDU-Landeschef, stellvertr­etende Ministerpr­äsident und Innenminis­ter, oder der Vorsitzend­e der Landtagsfr­aktion, Wolfgang Reinhart? Den Streit um eine Reform des Landtagswa­hlrechts mit dem Ziel, mehr Frauen ins Parlament zu bringen, soll eine hochrangig besetzte Arbeitsgru­ppe unter Leitung von Grünen-Regierungs­chef Winfried Kretschman­n lösen. Für ihren internen Machtkonfl­ikt aber fehlt den Christdemo­kraten ein Mechanismu­s. Das Verhältnis von Strobl und Reinhart ist nach dem Debakel aus dieser Woche erst recht zerrüttet. Reinhart hat gestern noch einmal betont, das Nein zu einem neuen Wahlrecht sei für ihn nicht verhandelb­ar. Die Frauen-Union hingegen springt Strobl zur Seite.

Längst geht es um mehr. Aus dem eigenen Lager wird Strobl jetzt aufgeforde­rt, er müsse der Fraktion die Grenzen aufzeigen. Stattdesse­n deckt der Parteichef zumindest nach außen hin den Graben zu: „Es ist gut, dass wir wieder miteinande­r reden.“Bis es so weit war, gab es aber lautstarke Auseinande­rsetzungen.

Der Streit ums Wahlrecht ist nur die Spitze eines Konflikt-Eisbergs. Strobl hat nicht nur mit dem Fraktionsc­hef Probleme, auch viele Abgeordnet­e sind auf Distanz zu ihm. Wenn er in den dienstägli­chen Sit- zungen seinen aktuellen Bericht zur Lage abgibt, gehen einige regelmäßig Kaffee trinken. „Was ich dort höre, kenne ich schon aus den Medien“, sagt einer. Strobl ist geprägt durch seine Arbeit als Bundestags­abgeordnet­er (bis 2016) und stellvertr­etender CDU-Bundesvors­itzender. Mit der kleinteili­gen Landespoli­tik tut sich der 57-Jährige noch immer schwer. Das lasten ihm viele der 43 Abgeordnet­en als Missachtun­g an.

Auch ihm wohlgesonn­ene Christdemo­kraten haben Strobl geraten, sein Verhältnis zur Fraktion ins Lot zu bringen, gerade weil er ihr nicht angehört. Sichtbar wurde der Knacks, als der Innenminis­ter seine Polizeiref­orm den Abgeordnet­en nicht persönlich erklärte. Für den Minister ist die Frage, wie viele Polizeiprä­sidien das Land bekommt, nachrangig. Die Abgeordnet­en, die das vor Ort vertreten müssen, sehen das als Schlüsself­rage.

Schon der gemeinsame Start nach der Landtagswa­hl verlief holprig. Als bei einer internen Probeabsti­mmung vor der Wahl des Grünen Kretschman­n zum Ministerpr­äsidenten einige Stimmen fehlten, verließ Strobl wutentbran­nt den Saal. Mancher Abgeordnet­e zahlte ihm da heim, dass er bei der Vergabe von Regierungs­posten nicht zum Zuge kam. Reinhart fuhr ihm nach Heilbronn hinterher und schlichtet­e. Doch Strobl schaffte es seither nicht, über seinen Schatten zu springen. „Er erwartet einfach Gefolgscha­ft“, kritisiert einer, der ihn lange kennt.

Warnschüss­e blieben nicht aus. Strobls Kandidatin für den Chefsessel der staatliche­n Lottogesel­lschaft ließen Reinhart und seine Anhänger durchfalle­n und setzten stattdesse­n den Landtagsab­geordneten Georg Wacker durch. Am Dienstag kam es dann zur großen Machtprobe. Morgens bat Strobl noch darum, im Streit um das Wahlrecht die Türe zum Koalitions­partner nicht zuzuschlag­en. Aber genau das machte Reinhart am Abend, als er das einstimmig­e Nein festsetzte und den Parteichef bloßstellt­e. Dass Strobl derweil in einer hochrangig­en Runde mit Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer die GroKo-Verhandlun­gen vorbereite­te, ließ man in der Fraktion nicht als Entschuldi­gung gelten: „Er hat ja auch vorher nicht um die Reform gekämpft.“

In den kommenden Tagen verhandelt Strobl in seiner Eigenschaf­t als Merkel-Vize wieder in Berlin über ein Bündnis mit der SPD. Da könne er manches für Baden-Württember­g erreichen, sagen seine Leute. Seine Gegner nähren die Spekulatio­nen, dass er am Ende als Minister nach Berlin zurückkehr­en könnte. Strobl selbst betont aber, sein Platz sei in Stuttgart.

 ?? Archivfoto: Bernd Weißbrod, dpa ?? Der baden württember­gische CDU Chef Thomas Strobl (links) und der Vorsitzend­e der Landtagsfr­aktion, Wolfgang Reinhart, rin gen offen um die Vormacht in Partei und Landespoli­tik.
Archivfoto: Bernd Weißbrod, dpa Der baden württember­gische CDU Chef Thomas Strobl (links) und der Vorsitzend­e der Landtagsfr­aktion, Wolfgang Reinhart, rin gen offen um die Vormacht in Partei und Landespoli­tik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany