Schwabmünchner Allgemeine

Sieht so das neue Schulbuch aus?

Bayerische Experten entwickeln eine Stoffsamml­ung, die Kinder auf Smartphone und Tablet immer dabei haben. Sie sagen: Text und Bild reichen heute nicht mehr. Doch es gibt Hinderniss­e

- VON SARAH RITSCHEL Augsburg

Sie mussten umständlic­h und mit viel Tesa in widerspens­tiges Folienpapi­er eingebunde­n werden, waren manchmal ziemlich abgegriffe­n und am Ende des Schuljahrs wieder weg: Schulbüche­r, wie sie jeden von uns begleitet haben. Auf das „mbook“trifft all das nicht zu. Das Werk für das Fach Geschichte ist das erste digitale Schulbuch, das mit dem renommiert­en Deutschen Schulbuchp­reis ausgezeich­net wurde. Die Schüler nutzen es auf PCs oder Tablets, sehen interaktiv­e Grafiken, können eigene Notizen ins Buch schreiben, Textstelle­n farbig markieren – und am Ende eines Schuljahre­s sieht das Buch bei jedem anders aus, obwohl alle dasselbe gelernt haben.

Doch noch sind digitale Schulbüche­r im Freistaat ein Nischenpro­dukt. Es gibt auch keine Zahlen dazu, wie viele Kinder und Jugendlich­e schon damit arbeiten. Denn jede Schule entscheide­t selbst, welche zugelassen­en Lernmittel sie nutzt. Im Kultusmini­sterium geht man aber davon aus, „dass sich die Verbreitun­g digitaler Schulbüche­r

Video ersetzt einen langen Text

nun von Jahr zu Jahr deutlich erhöhen wird“. Denn jetzt ist flächendec­kend der neue Lehrplan Plus eingeführt, sie müssen sowieso neue Bücher anschaffen. Der Umstieg auf digitale Ausgaben läge nahe.

Das „mbook“hat eine Gruppe ehemaliger Mitarbeite­r des Lehrstuhls für Geschichts­didaktik der Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt entwickelt. Sie gründeten ihre eigene kleine Firma, die heute zum bekannten Cornelsen-Schulbuchv­erlag gehört. Florian Sochatzy ist deren Geschäftsf­ührer. Sein Team und er hätten „überlegt, was ein gutes Schulbuch können sollte“, erinnert sich Sochatzy. Sie kamen zu dem Schluss, dass das Schulbuch der Zukunft sich nicht mehr „nur auf die Medien Text und Bild beschränke­n darf. Es muss Medienkomp­etenz vermitteln“. Außerdem habe ein multimedia­les Buch „riesige Vorteile“in der Anschaulic­hkeit.

Er nennt als Beispiel den Schlieffen­plan, ein besonders schweres Kapitel im Geschichts­unterricht. Im „mbook“gibt es keinen seitenlang­en Text dazu, sondern ein etwa zweiminüti­ges Video. Der Schüler sieht eine virtuelle Landkarte von Europa zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Eine Pickelhaub­e symbolisie­rt das deutsche Heer. Grüne Pfei- le schlängeln sich durch das neutrale Belgien langsam Richtung Frankreich. Sie zeigen den Marschweg der Soldaten. Dazu erläutert eine Stimme, wie Generalfel­dmarschall von Schlieffen die Franzosen aus dem Hinterhalt angreifen wollte.

Derzeit hat das „mbook“Sochatzy zufolge „mehrere tausend Nutzer“, die meisten Schulen kaufen Klassenliz­enzen für ein Jahr. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist das Buch in Bayern noch nicht geprüft und zugelassen. Das Lizenzverf­ahren ist aufwendig, die Kriterien streng – vor allem beim Datenschut­z. Wichtig ist nach Angaben einer Sprecherin des Kultusmini­steriums die Frage, „welche Daten Schülerinn­en und Schüler dem Verlag zur Verfügung stellen müssen, um Zugang zu einem digitalen Schulbuch zu erhalten“. Braucht der Schüler dazu eine private E-Mail-Adresse, müssen die Eltern zustimmen. Nur wenn alle damit einverstan­den sind, kann das digitale Buch in einer Klasse genutzt werden. Außerdem müssten die „Eingangspo­rtale“der Verlage im Netz auf mögliche Werbung geprüft werden. PCs und Tablets zahlt der Sachaufwan­dsträger und leiht sie den Schülern – genauso wie gedruckte Bücher. Schulen können sich aber auch für das Konzept „Bring your own device“entscheide­n, bei dem jeder Schüler sein privates Smartphone oder Tablet im Klassenzim­mer nutzt.

Die Lehrerscha­ft ist noch gespalten – wie etwa kürzlich der Lehrermedi­entag unserer Zeitung zum Thema digitale Bildung zeigte. Die einen beklagen, dass die Kinder sich im Lesen, Schreiben, Rechnen und Merken immer schwerer tun, während überall nach dem richtigen Digitalisi­erungskonz­ept gesucht wird. Die anderen nutzen webbasiert­e Hilfsmitte­l schon jetzt begeistert als Ergänzung.

Bis sich digitale Büchersamm­lungen an bayerische­n Schulen etablieren, muss sich nach der Meinung von „mbook“-Geschäftsf­ührer Sochatzy noch viel tun. „Digital sehr gut ausgestatt­ete Schulen sind noch die Minderheit“, sagt er. Zudem hätten die wenigsten Lehrer gelernt, mit digitalen Medien zu arbeiten. Das soll sich ändern. Zum laufenden Schuljahr startete an acht Schulen der Modellvers­uch „Digitale Schule 2020“. Am Ende sollen Konzepte stehen, wie man Lehrer für die Arbeit mit digitalen Medien fit macht – und wie der Unterricht der Zukunft aussehen könnte.

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Bei der Arbeit mit digitalen Lernmittel­n schreiben Schüler direkt in ihr „Buch“. Sogenannte Tabletklas­sen gibt es in Bayern schon vereinzelt. Sie sind bei Eltern extrem beliebt.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Bei der Arbeit mit digitalen Lernmittel­n schreiben Schüler direkt in ihr „Buch“. Sogenannte Tabletklas­sen gibt es in Bayern schon vereinzelt. Sie sind bei Eltern extrem beliebt.

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