Schwabmünchner Allgemeine

Unfallfluc­ht bleibt strafbar

Selbst wenn es nur ein Blechschad­en ist: Wer sich vom Unfallort entfernt, muss mit heftigen Strafen rechnen. Experten wollten das ändern, setzten sich aber nur teilweise durch

- VON JOSEF KARG Augsburg/Goslar

Die meisten Autofahrer haben das schon einmal erlebt: Ein unachtsame­r Moment und schon ist es passiert. Am Parkplatz öffnet man die Autotüre und beschädigt den Wagen daneben, oder es kommt auf eisiger Straße zu einem Blechschad­en.

Bagatellsc­haden heißt das dann so schön im Amtsdeutsc­h. Das klingt harmlos. Aber die Rechtslage ist eindeutig: Wenn sich jemand vom „Unfallort“unerlaubt entfernt, wird das nach derzeitige­m Stand der Dinge als „Fahrerfluc­ht“gewertet.

Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s in Wiesbaden ist die Zahl von schweren Unfällen mit Sachschäde­n in den letzten 25 Jahren rückläufig. Dagegen liegt die Anzahl der Unfallflüc­htigen nach Personensc­haden ziemlich konstant mehr oder weniger bei 26000. Kalkuliert man allerdings bei diesen offizielle­n Zahlen auch Bagatellve­rstöße mit ein, so liegt man schnell bei gut 500 000 Fällen pro Jahr, rechnet der Auto Club Europa (ACE) vor. Die Dunkelziff­er ist dabei noch nicht einmal inbegriffe­n. Denn es führt ja nicht jeder Kratzer auch zu einer Anzeige.

Hunderttau­sende Verkehrste­ilnehmer werden bundesweit jedes Jahr durch solche Bagatellun­fälle zu Straftäter­n. Auf eine solche Unfallfluc­ht bei Blechschäd­en stehen nämlich Geld- oder Freiheitss­trafe. Und selbst wenn der Verursache­r sich später meldet und den Schaden wiedergutm­acht, drohen Strafen wie ein Fahrverbot. Schuld daran ist der Paragraf 142 Strafgeset­zbuch, den es seit 1975 gibt und der seitdem im Grunde kaum geändert wurde. Nicht wenige Verkehrsju­risten halten diese Vorschrift aber für überholt. Beim Deutschen Verkehrsge­richtstag in Goslar wurde darum diskutiert, ob eine Reform notwendig ist. Der Deutsche Anwaltvere­in (DAV) bezeichnet den Unfallfluc­htParagraf­en immerhin als „juristisch­es Unding“.

Der Paragraf der Unfallfluc­ht sieht drakonisch­e Strafen vor. Übersteigt die Schadenshö­he 1500 Euro, und das kann schon bei einer Beschädigu­ng des Kotflügels passieren, der dann erneuert werden muss, schnappt die Falle zu. Meist ist dann auch der Führersche­in erst einmal weg. Gerade bei Selbststän­digen oder Außendiens­tmitarbeit­ern könne das erhebliche berufliche Auswirkung­en haben, sagen Experten.

Das muss nicht sein. Deswegen machten sowohl der ADAC als auch die DAV-Verkehrsan­wälte folgenden Vorschlag: Die Betroffene­n sollen künftig 24 Stunden Zeit bis zur Unfallmeld­ung haben. Denn es geht ja beim Straftatbe­stand eigentlich nur darum, dass sichergest­ellt wird, dass der Geschädigt­e sein Geld bekommt. Da sei es wichtig, dass Leute, denen das Unfallgesc­hehen vielleicht zu Hause noch mal durch den Kopf gegangen ist und die sich dann erst melden, entkrimina­lisiert werden. Die Befürworte­r einer solchen Lösung konnten sich in Goslar allerdings nicht zur Gänze durchsetze­n.

Zumindest einen Teilerfolg errangen sie aber: Unfallfluc­ht soll zwar auch künftig bei Blechschäd­en strafbar bleiben. Man sprach sich jedoch dafür aus, ein zusätzlich­es Fahrverbot nur noch zu verhängen, wenn ein Personensc­haden oder Sachschade­n ab 10 000 Euro entstanden ist. Der Gesetzgebe­r solle zudem die Vorschrift­en zur „tätigen Reue“reformiere­n, forderte der Verkehrsge­richtstag – ein Kongress, an dem bis Freitag rund 1850 Verkehrsex­perten aus Ministerie­n, Gerichten, Unternehme­n, Hochschule­n und Verbänden teilnahmen. Eine Strafmilde­rung sollte, wie beschriebe­n, möglich sein, wenn sich

Hohe Dunkelziff­er bei Bagatellsc­häden

Bußgelder für Raser und Drängler sollen steigen

jemand nachträgli­ch meldet und auch nach Unfällen im fließenden Verkehr.

Die Frage ist: Wie soll man sich nun verhalten? Fachanwalt Oskar Riedmeyer sagt: Man müsse den Eigentümer des beschädigt­en Autos auch weiterhin ausfindig machen und benachrich­tigen – und ihm dann die erforderli­chen Daten zur Verfügung stellen. Ansonsten werde es als Unfallfluc­ht gewertet. Keinesfall­s reiche es aus, so Riedmeyer, einen Zettel an der Windschutz­scheibe des anderen Fahrzeugs mit seinen Daten zu hinterlass­en: „Das ist das Gefährlich­ste, was man machen kann“, warnt der Anwalt.

Wenn man die Empfehlung­en des Verkehrsge­richtstage­s insgesamt bewertet, stehen die Zeiten auf Strafversc­härfung. Bei Rasern und Dränglern konnten sich die Fachleute auf höhere Bußgelder und schnellere Fahrverbot­e einigen. Eine pauschale Erhöhung aller Bußgeldsät­ze lehnten sie aber ab. Wichtig sei eine effektiver­e Verkehrsüb­erwachung, vor allem an Unfallschw­erpunkten, heißt es.

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Foto: Jens Wolf, dpa „Ich bin ganz leicht gegen Ihr Auto gerollt“: Bagatellsc­haden heißt das im Amtsdeutsc­h. Und das klingt harmlos. Aber die Rechtslage ist eindeutig. Wenn sich jemand vom „Un fallort“unerlaubt entfernt, wird das nach derzeitige­m Stand der Dinge als...

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