Schwabmünchner Allgemeine

Quietschen

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de

Wer wohl zuerst quietscht? Angela Merkel? Und wie wird sich das anhören? Schrill oder staatsmänn­isch gedämpft? Wird vielleicht Horst Seehofer quietschen wie eine länger nicht geölte Modelleise­nbahn-Lok vor der Einfahrt in den Pappmaché-Tunnel? Seit Andrea Nahles, medial befördert zum einzigen Kerl in der SPD, für die Koalitions­verhandlun­gen quietschve­rgnügt die Parole ausgegeben hat, man werde „verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite“, blickt die Welt mit anderen Augen auf die GroKo-Geburtsweh­en.

Was kann da rauskommen? Man wird genau hinhören, ob es nur knirscht und kracht in den Verhandlun­gen. Ob es zwitschert (Twitter), piepst (Statement Scheuer oder Altmaier im

– oder ob es, nun ja: wirklich quietscht, also nervtötend und unerträgli­ch wird. Fehlalarme nicht ausgeschlo­ssen: Wenn Kauder mit Kreppsohle­n über den Flur läuft, beispielsw­eise, oder Dobrindt denkt.

Dieser Nahles hat jedenfalls ein Gespür dafür, das Gewürge um ein Breitreten des Sondierung­spapiers zur Koalitions­vereinbaru­ng lautmaleri­sch aufzumotze­n. Andere sprechen nur nach – also von Nachbesser­ungen und Nachverhan­dlungen und Nachjustie­rungen, was an der Basis ungefähr so attraktiv klingt wie Mütterrent­ensplittin­g oder Hebesatzab­geltungsve­rschiebung.

Quietschen aber ist ein originelle­r Kampfbegri­ff, der zwar nett daherschau­kelt wie eine Quietschen­te auf der Spree und leicht anrüchig wabert wie Quietschkä­se, aber wahrhaftig ordentlich Drohpotenz­ial birgt. Die Union soll aus dem letzten Loch pfeifen unter dem Druck der SPD, sie soll um Gnade winseln, dass Schulzens starker Arm den Schwitzkas­tengriff lockert oder Stegner wenigstens für zwei Minuten mal den Raum verlässt.

Was Andrea Nahles womöglich in ihrer leidenscha­ftlichen Rede nicht bedacht hat, ist, dass manche Menschen auch vor schierer Begeisteru­ng quietschen. Es wird also in jedem Fall nach Abschluss der GroKo-Verhandlun­gen ein Kampf um die Deutungsho­heit ausbrechen.

Sicher ist: Die Zeiten, als Regierungs­bildungen noch wie geschmiert liefen, sind vorbei.

Morgenmaga­zin)

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