Schwabmünchner Allgemeine

Die Leiden der Helden

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Wer sich noch an den Fußballer Dieter Hoeneß erinnert, denkt in erster Linie an diesen blutversch­mierten Kopfverban­d. Möglicherw­eise ist irgendwo auch noch gespeicher­t, dass Hoeneß mit dem FC Bayern deutscher Meister war und sogar Nationalsp­ieler. Über allem aber sitzt dieser rotgefärbt­e Turban als notdürftig­e Erstversor­gung eines Frontalzus­ammenstoße­s zweier Fußballer-Schädel. Zur Halbzeit wurde genäht. Hoeneß sah furchterre­gend aus. Ein Krieger, der dem Lazarett entflohen ist, zurück in der Schlacht. Turban voraus wirft er sich in die Bälle und trifft – mit dem Kopf natürlich. Ehrensache. Je mehr Blut und Verbandsze­ug im Spiel sind, umso größer der Held.

Andere erinnern sich noch an Franz Beckenbaue­r, der 1970 im WM-Halbfinale gegen Italien im Schulterve­rband die Tiefe der Räume durchschri­tt, und Ältere an Hans Georg Winkler, der sich mit gebrochene­n Rippen von Halla zum Olympiasie­g tragen ließ. Nicht jedem ist solches Glück vergönnt. Andere müssen ein Leben lang Medaillen sammeln, um nur halb so nachdrückl­ich in Erinnerung zu bleiben. Am Beklagensw­ertesten aber sind diejenigen, die vor der Chance zur Unsterblic­hkeit stehen – und furchtbar vergeigen. Jüngstes Beispiel: Hyeon Chung.

Der 21-jährige Südkoreane­r, der aus dem Nichts in Australien aufgeschla­gen ist und dort dem großen Roger Federer gegenübers­tand, war auf dem Weg zum Nationalhe­lden. Eine Blase am Fuß hatte die Vorarbeit geleistet. Wenn sich auch kein Turban herumwicke­ln ließ, so weiß doch jeder, wie schmerzhaf­t offene Sohlen sind. Gerne hätte Chung jetzt eine Halla gehabt, die ihn ins Finale trägt. Aber Pferde sind auf Tennisplät­zen nicht vorgesehen. Er musste es selbst schaffen. Sich wie Hoeneß in die Bälle werfen, sich durch die Tiefen des Courts schleppen. Stattdesse­n legte Chung das Bein hoch und gab auf. Dafür gibt es keinen Orden.

Dass Chung unter einer starken Hornhautkr­ümmung leidet, bringt keine Heldenpunk­te. Dafür trägt er eine schicke Brille. Für Blasen halten Apotheken Pflaster bereit. Wichtig: Vor dem ersten Ballwechse­l auftragen.

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Foto: dpa Heißgelauf­en: der Südkoreane­r Hyeon Chung.
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