Die starke Frau im Wunderteam
Katja Berg ist Roxy, die Hauptfigur in der gleichnamigen Fußball-Operette. Das Theater Augsburg hat mit ihr eine Musicalsängerin verpflichtet, die weithin an großen Bühnen begehrt ist
Um in Augsburg auf der Bühne zu stehen, nimmt sie jedes Mal einen weiten Weg auf sich. Viereinhalb Stunden beträgt von Wien die Netto-Fahrtzeit im Zug, zurück natürlich noch einmal so lang. Aber da liegt jeweils eine Nacht im Hotel dazwischen nach einer Vorstellung von „Roxy und ihr Wunderteam“. Katja Berg singt und spielt die Titelrolle in der viel applaudierten Augsburger Inszenierung von Paul Abrahams Fußball-Operette, sie ist Roxy, das Mädchen, das am Ende den Jungs auf dem Spielfeld zum Sieg verhilft.
Für die Produktion wurde sie als Gast verpflichtet, und zusammen mit Uli Scherbel, der den Mannschafts-Spielführer Hatschek gibt, bringt Katja Berg Musical-Glanz in die Inszenierung. Seit Jahren schon ist die 40-Jährige ein Name im Musical-Business, mit führenden Rollen in bekannten Stücken und Engagements im Berliner Friedrichstadt Palast, im Kölner Musical Dome oder im Ronacher in Wien, um nur drei Beispiele aus einer langen Liste herauszugreifen. Doch die ursprünglich aus dem thüringischen Gera stammende Musicaldarstellerin ist auf dem Boden geblieben. Wenn man sie vor einer der „Roxy“-Aufführungen im Foyer des Martiniparks trifft, gibt sie sich locker, unkompliziert, lacht gerne – die Diva scheint ihr nicht zu liegen. Und doch hält sie mit ihrer Meinung nicht – das Wortspiel lässt sich kaum vermeiden – hinter dem Berg.
In der turbulenten Augsburger Inszenierung zeigt sie Variabilität, spielt als Roxy zunächst die graue Maus und dann das sexy Groupie (beides mit Neigung zur Karikatur), um sich schließlich zur Frau fürs Leben des sympathischen Fußballers Gjurka zu mausern. Wie viele andere ist auch Katja Berg vor ihrem Augsburger Engagement dem Stück von Paul Abraham nie begegnet. Inzwischen weiß sie, dass die Augsburger „Roxy“eine tief greifende Bearbeitung des ursprünglichen Stoffes darstellt. Zwar findet sie Martin G. Bergers Bearbeitung temporeich und in sich stimmig. Gesanglich aber, sagt sie, „gäbe es für mich eigentlich mehr zu tun, da ist in Augsburg doch einiges weggefallen“, und ein wenig Bedauern ist dabei nicht zu überhören. In der Urfassung stecke viel mehr Roxy drin, „eigentlich müsste das Stück in der Augsburger Fassung nur noch ,Das Wunderteam’ heißen.“Klare Worte, die dennoch nicht so klingen, als würde sie sich furchtbar darüber grämen.
Aber das Singen steht bei ihr nunmal an erster Stelle, noch vor den weiteren Tugenden eines Musicaldarstellers, Schauspiel und Tanz. Und gerade wegen ihrer Gesangsvorliebe war ihr vor dem Stück zunächst etwas mulmig. „Von der Stimme her bin ich eigentlich kein Operettentyp“– Paul Abrahams „Roxy“-Genremix kann den musikalischen Schwerpunkt des Kompo- nisten, der mit der Operette „Viktoria und ihr Husar“1930 einen Welterfolg feierte, nicht verleugnen. Katja Berg aber mag es, wenn sie in Musicals mit der Stimme aufdrehen kann, Gelegenheiten, die sich in „Roxy“eher selten bieten. Dennoch überzeugt sie auch in gedämpfteren Gesangsnummern wie im großen seelenvollen Duett mit Thaisen Rusch als Gjurka.
Und dann der Stepptanz, den Roxy in der Augsburger Inszenierung zumindest in einer Szene hinlegen muss! „Ich hatte zuvor 17 Jahre nicht mehr gesteppt, und dann jetzt ausgerechnet zusammen mit Uli Scherbel, der großartig beim Steppen ist.“Regelrecht Angst habe sie vor dieser Szene gehabt, erzählt sie. Letztlich aber habe sie die Beklemmung überwunden, die Szene klappt, und jetzt ist sie stolz darauf. „Das war sozusagen mein ,learning’ hier in Augsburg.“Augsburg applaudiert.
Der Kontakt ans hiesige Theater kam durch Daniel Herzog zustande, den neuen Operndirektor, der früher am Theater in Kiel beschäftigt war, wo auch Katja Berg ein Engagement hatte. Dass sie nun in Augsburg keine stattliche Theaterumgebung vorfindet, sondern mit einer Ausweichspielstätte vorliebnehmen muss, stört sie nicht. „Finde ich ziemlich cool“, ist ihre Meinung über den Martinipark. Bloß die Pu- blikums-Bestuhlung kommt ihr etwas „büromäßig“vor, „das wäre vielleicht noch ausbaufähig“. Ansonsten: „Freuen wir uns auf ein neu renoviertes Theater!“– das Große Haus hat sie noch kennengelernt, als sie für die Partie der Roxy zum Vorsingen anreiste.
Gerade ist in Augsburg Halbzeit erreicht bei den „Roxy“-Vorstellungen, schon steht Katja Berg vor einer neuen Premiere. Nächsten Donnerstag geht an der Oper Graz das Musical „Ragtime“an den Start, in dem die Sängerin in die Rolle der Emma Goldman schlüpft, einer historischen US-Anarchistin und Feministin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Produktion verspricht opulent zu werden, auf den üppigem Kostüm- und Maskenzauber freut Katja Berg sich schon jetzt, „das ist wie bezahlter Fasching“. In der vergangenen Spielzeit stand die schon einmal in Graz auf der Bühne („Chess“), in der kommenden ist sie dort für „Kiss me Kate“verpflichtet. Das kommt der Mutter von zwei jungen Söhnen entgegen, verkürzt sich hier doch im Gegensatz zur Strecke Wien-Augsburg die Fahrzeit um die Hälfte.
Ohne Reisen aber geht es nicht als Freiberuflerin in der Musicalbranche. Katja Berg versucht sich fit zu halten durch größtmögliche Disziplin, durch achtsame Planung ihrer Auftritte („Gerade für die Stimme besteht Gefahr, dass man sie schnell verbraucht“) sowie durch gesunde Lebensführung – keine Zigaretten, kein Alkohol, keine Drogen.
Berufsbedingt kommt sie viel herum, arbeitet mit immer neuen Kolleginnen und Kollegen zusammen, in einem Metier, in dem die Konkurrenz groß ist und der Körperkontakt schon auch mal eng. Sodass in #MeeToo-Zeiten die Frage an Katja Berg nahe liegt, wie es denn eigentlich in der Musical-Szene um sexistische Anmache bestellt ist. Die Antwort kommt schnell und entschieden. „Ich bin jemand, der sehr klar Grenzen setzt, im persönlichen wie im beruflichen Bereich.“Kurze Pause. „Vielleicht bin ich naiv…“– was man ihr nun gar nicht abnehmen will – „… aber mit Missbrauch in der Musicalszene bin noch nie in Berührung gekommen.“Weil sie im Gespräch bis dahin kein Blatt vor den Mund genommen hat, mag man auch an diesem Wort nicht zweifeln.
Das nächste Stück, das ist für sie „wie bezahlter Fasching“
ODie nächsten Vorstel lungen von „Roxy und ihr Wunderteam“finden am 4., 17. und 18. Februar statt. Weitere Vorstellungen bis Anfang Juni. Kartentelefon: 0821 324 4900.