Der Popstar schwärmt von Verdi
Rufus Wainwright ist ein höchst erfolgreicher kanadisch-amerikanischer Singer-Songwriter. Das Theater Augsburg zeigt seine Oper „Primadonna“als deutsche Erstaufführung. In New York sprachen wir mit ihm
Es gibt nicht viele Popstars, die Opern komponieren. Und es gibt wahrscheinlich noch viel weniger Opernkomponisten, die gleichzeitig erfolgreiche Sänger sind. Rufus Wainwright ist beides. Seine Oper „Primadonna“, 2009 in Manchester uraufgeführt und seitdem in vier weiteren Produktionen in London, Toronto, New York und Budapest gezeigt, kommt in Deutschland erstmals am Theater Augsburg auf die Bühne – in eigens angefertigter deutscher Übersetzung des ursprünglich französischen Librettos.
Der Mittvierziger sitzt im lässigen, ausgewaschenen Hoodie vor einer Tasse Tee im japanischen Restaurant direkt neben seinem New Yorker Appartement. Über eine Stunde nimmt er sich für das Gespräch Zeit. Der amerikanisch-kanadische Singer-Songwriter hat sieben Studioalben, drei DVDs und drei Live-Alben aufgenommen – alle mehr oder weniger hochdotiert – seine „Judy Garland Tribute-Performance“wurde 2007 sogar für den Grammy nominiert. Er arbeitete mit Sting, David Byrne, Robbie Williams und Elton John, der ihn als den „besten Songwriter auf dem Planeten“bezeichnete. Mit diversen Soloprogrammen tourt er seit beinahe 20 Jahren um die Welt.
Die lobte ihn für seine „wahrliche Originalität“und meinte neben der schillernden Persönlichkeit sicher nicht zuletzt auch den musikalischen Grenzgänger. Den Sohn zweier Musiker hat die sozial- und gesellschaftskritische Richtung der Eltern – Folk-Musik im uramerikanischen Sinn – geprägt, seine Ausdrucksform wurde die des Singer-Songwriters, der mit klangvollen Melodien zwischen Pop und Klassik zu einem der großen kanadischen Popstars avancierte.
Die Liebe zur Oper entdeckte Wainwright im dafür ungewöhnlichen Alter von 13 Jahren, als ihm die Mutter eine Aufnahme des VerdiRequiems schenkte. Daran erinnert er sich noch ganz genau und ebenso daran, dass er ab diesem Zeitpunkt von Opernmusik fasziniert war. Während des Klavier- und Kompositionsstudiums hat er sogar die Aufnahmeprüfung für Operngesang versucht. Allerdings war dieser Karriere aufgrund seiner „unbeugsamen Haltung zum Tragen von Clogs während der Prüfung“ein vorzeitiges Ende beschert: Die Aufforderung der Jury, die Schuhe auszuziehen, quittierte Wainwright mit dem finalen Abgang von der Bühne.
New York Times
Aus heutiger Sicht nicht ohne Bedauern: „Oper war in den frühen 90ern noch ein Elfenbeinturm. Ein undefinierbares Establishment der Branche arbeitete hart daran, das Genre für die Masse unerreichbar zu halten. Heute gibt es dagegen mehr Balance zwischen einer Öffnung und dem Bewahren der Qualität und Intensität, die den Verbleib in einem Elfenbeinturm rechtfertigen würde.“Nein, ein Erneuerer der Oper wollte er nie sein. Eher das Gegenteil. „Ich bin eine Art Opern-Umweltschützer in dem Sinn, dass ich eine Notwendigkeit darin sehe, zur Kultivierung, Wiederherstellung und Sicherung von Melodiekultur und romantischer Kraft in der Tradition des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts beizutragen.“
Wainwright schwärmt von Verdi, seiner persönlichen Schlüsselfigur, dem „ultimativen Opernkomponisten mit dem magischen Gefühl für Melodie und den perfekten Moment“. So ist es auch wenig verwunderlich, dass seine Erstlingsoper „Primadonna“wie eine Hommage an die Musik der italienischen Meister wirkt, garniert mit modernerer Tonsprache à la Richard Strauss. Und wie komponiert ein Popstar eine Oper? „Ich vergleiche meine Arbeitsweise gerne mit der eines Renaissancemalers. Unter meiner genauen Anleitung erschaffen meine Assistenten und ich ein großes Tableau – in unserem Fall Musik.“Wainwright denkt und komponiert ausgehend von Melodien, ob Popsong oder Opernarie macht für ihn dabei keinen Unterschied.
Die Handlung von „Primadonna“ist schnell erzählt, sie besteht aus einem einzigen Tag im Leben der Opernsängerin Regine Saint Laurent. Sechs Jahre zuvor hat die Diva während einer Aufführung ihre Stimme verloren und damit die größte Katastrophe und das Ende ihrer Gesangskarriere erlebt. Die unmittelbare Dramatik dieses Schicksalsschlages wird, datiert auf 14. Juli 1970, an verschiedenen Begegnungen festgemacht: Der Butler möchte sie aus eigenem Ehrgeiz zum Comeback überreden, ein zum Interview geladener Journalist reißt die alte Wunde der Niederlage wieder auf und fördert damit eine trügerische Sehnsucht danach. Nur das Zimmermädchen scheint sich für den wirklichen Seelenzustand ihrer „Madame“zu interessieren ...
Und was weiß Rufus Wainwright über Augsburg? Wie viel Einfluss hatte der kanadische Popstar überhaupt darauf, die deutsche Erstaufführung seiner Oper an das Theater Augsburg zu geben? In unserm Gespräch erzählt er von vielen persönlichen Kontakten zu Theatermachern und Spielstätten auf der halben Welt. Er berichtet von Verhandlungen über Bedingungen, Orchestergrößen und Regiekonzepte, an denen er jeweils persönlich teilgenommen hat. Nicht zu vergessen: Wainwright hat gerade zu Deutschland einen sehr persönlichen Bezug, denn er ist mit dem Hamburger Kunstkurator Jörn Weisbrodt verheiratet – und hat sich informiert: „Augsburg, das ist die Stadt mit der berühmten Familie, die in früheren Jahrhunderten viel Geld gemacht hat. Und Mozarts Wurzeln stammen von dort.“
Es stellt sich die Frage nach der Erwartungshaltung an das Theater Augsburg: „Ich habe „Primadonna“bewusst offen gehalten für viele Arten der Interpretation und momentan noch keine Ahnung, wie die Augsburger Inszenierung aussehen wird. Darauf bin ich schon sehr gespannt. In Deutschland versteht man generell mit Interpretationen umzugehen, etwas das ich sehr mag. Es ist nicht hilfreich, Geschichten immer in ihrer Entstehungszeit zu lassen. Die Musik wird überleben, wenn sie gut ist. Egal in welcher Inszenierung.“Im Frühjahr wird Rufus Wainwright selbst nach Augsburg kommen und eine der zehn Vorstellungen der Oper besuchen.
Er komponiert in der Art eines Renaissancemalers