Schwabmünchner Allgemeine

Erst das Virus, dann die Flucht: Ist das reell?

Der Fernsehkri­mi im Faktenchec­k bei Experten aus dem Landkreis Augsburg bringt eine Geschichte ans Licht: Beinahe wäre auch einmal die JVA Gablingen evakuiert worden. Der Hintergrun­d war ein anderer

- VON MAXIMILIAN CZYSZ Gablingen Kann man sich überhaupt schüt zen? Gibt es bei uns noch Tollwut? Wie schnell verläuft eine Erkran kung? Kann auch nachträgli­ch geimpft werden?

Die Handlung war etwas konstruier­t: Im jüngsten FernsehTat­ort sucht der durchgekna­llte Kommissar Faber im Knast nach einem Häftling, der Mitgefange­ne mit Tollwut infiziert hat. Die JVA wird daraufhin evakuiert. Genau darauf spekuliert ein mehrfacher Mörder – er nutzt die Situation zur Flucht. Auch in der JVA Gablingen stand schon einmal eine Evakuierun­g im Raum. Sie ging allerdings nicht auf den Plan eines Schurken zurück.

Ende August 2016 entdeckten Experten bei Bodenunter­suchungen eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbom­be aus dem Zweiten Weltkrieg in unmittelba­rer Nähe des Gablinger Gefängniss­es. Sie hatte noch einen intakten Zünder. Deshalb wurde zunächst eine Sperrzone im Radius von 500 Metern um den gefährlich­en Sprengkörp­er eingericht­et. Dann wurde entschiede­n: Die Bombe wird abtranspor­tiert und in einem nahegelege­nen Waldstück entschärft. Da dies relativ gefahrlos möglich war, durften die Gefangenen in der JVA bleiben. Anders war es im vergangene­n Jahr in Regensburg: Die Häftlinge mussten wegen einer scharfen Fliegerbom­be ausziehen. Busse brachten die 109 Gefangenen in andere Anstalten. Nicht explosiver Sprengstof­f, sondern Hochwasser sorgte 2013 für eine Evakuierun­g, die wohl einzigarti­g in Bayern war: 59 Gefangene aus Passau wurden damals in andere Justizvoll­zugsanstal­ten gebracht; ein Häftling, der ohnehin einen Tag später zur Entlassung anstand, konnte sich über seine vorzeitige Entlassung freuen.

Im jüngsten Tatort hatte sich ein mehrfacher Mörder selbst entlassen: Er nutzte die Evakuierun­g der JVA Dortmund zur Flucht. Nach dem fiktiven Nervenkitz­el fragten sich viele Zuschauer: Gibt es tatsächlic­h keinen Schutz gegen Tollwut-Vi- ren, die im Film Mittel zum Zweck wurden? Die Antwort ist erschrecke­nd: „Die Erkrankung verläuft ohne rechtzeiti­ge medizinisc­he Hilfe nach Ausbruch der Symptome in nahezu allen Fällen tödlich“, sagt Dr. Claudia Moerner vom Gesundheit­samt am Landratsam­t Augsburg. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema:

Es gibt eine wirksame aktive Schutzimpf­ung mit einem Totimpfsto­ff, teilt Dr. Claudia Moerner mit. Die Tollwutimp­fung sei derzeit aber eine reine reisemediz­inische Vorsorgeim­pfung – eine vorsorglic­he Impfung wird bei einfachen Reiseverhä­ltnissen wie Rucksack- oder Trekkingre­isen nach Asien oder Afrika empfohlen.

● In den meisten westlichen Ländern Europas gibt es keine Tollwut mehr. Der letzte in Bayern positiv getestete Fuchs stammt aus dem Jahr 2001. Die Viren werden hauptsächl­ich durch Tierbisse übertragen – aber auch über Hautverlet­zungen oder direkten Kontakt des infektiöse­n Tierspeich­els mit der menschlich­en Schleimhau­t.

Symptome zeigen sich in der Regel erst nach drei bis acht Wochen, selten kürzer als neun Tage, in Einzelfäll­en bis zu einem oder sogar mehreren Jahren. Und: Ohne rechtzeiti­ge medizinisc­he Hilfe nach Ausbruch der Symptome ist Tollwut in nahezu allen Fällen tödlich.

Wenn der Verdacht besteht und die Person nicht geimpft ist, kann eine „postexposi­tionelle Immunproph­ylaxe“vom Arzt durchgefüh­rt werden – unverzügli­ch. Im Notfall kann laut Robert-Koch-Institut der Tollwutimp­fstoff, wenn nicht direkt verfügbar, über Notfalldep­ots bezogen werden. Sollte das Virus nach entspreche­nder Inkubation­szeit bereits ins Zentrale Nervensyst­em gelangt sein, dann ist eine nachträgli­che Immunproph­ylaxe allerdings unwirksam.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Die JVA in Gablingen: Wer hier eingesperr­t ist, kommt nicht so einfach raus. Im Fernseh Tatort wird ein Gefängnis evakuiert, weil ein Häftling Mitgefange­ne mit Tollwut in fiziert. Ein Faktenchec­k.
Foto: Marcus Merk Die JVA in Gablingen: Wer hier eingesperr­t ist, kommt nicht so einfach raus. Im Fernseh Tatort wird ein Gefängnis evakuiert, weil ein Häftling Mitgefange­ne mit Tollwut in fiziert. Ein Faktenchec­k.

Newspapers in German

Newspapers from Germany