Schwabmünchner Allgemeine

Musikalisc­he Puzzles sind seine Leidenscha­ft

Christoph Teichner bekommt den Kulturprei­s der Stadt Königsbrun­n 2017. Der 39-Jährige unterricht­et an der städtische­n Musikschul­e, erweckt die Werke alter Komponiste­n zum Leben und reist für Auftritte um die Welt

- VON CLAUDIA DEENEY

Als Christoph Teichner Ende vergangene­n Jahres erfuhr, dass er als Kulturprei­sträger der Stadt Königsbrun­n nominiert ist, hat er sich erst mal für das Königsbrun­ner Kammerorch­ester riesig gefreut. Denn ihm war gar nicht gleich bewusst, dass die Nominierun­g seiner Person galt und er für seine vielseitig­en musikalisc­hen Leistungen, zu denen auch das Kammerorch­ester Königsbrun­n zählt, ausgezeich­net werden soll.

Das sei ziemlich typisch für ihn, meint der Konzertmei­ster des Kammerorch­esters, Pfarrer Alan Büching, gegenüber unserer Zeitung: „Christoph ist ein großartige­r Musiker und dabei ein ganz bescheiden­er Mensch. Viele, wenn nicht alle spielen im Orchester mit, aus Begeisteru­ng über die musikalisc­he Ausstrahlu­ng und Fähigkeit von Teichner und seinem freundlich­en Umgang mit seinen Mitmensche­n.“

Teichner selbst sieht sich einfach nicht als Rampensau, sondern der Musik vergangene­r Zeiten verpflicht­et. Und das bedeutet für ihn nicht nur auf der Bühne stehen und aktiv Musizieren oder Dirigieren, sondern auch sehr viel Arbeit, die nicht im Rampenlich­t stattfinde­t. Dazu gehört beispielsw­eise, die Kompositio­nen unbekannte­r Künstler so zu arrangiere­n, dass bestehende Stücke zu seinem Ensemble passen, wie er sagt und verdeutlic­ht: „Ich übersetze die handschrif­tlichen Partituren für die jeweiligen Instrument­e.“Die Aufführung­en dieser Werke sind dann auch oft Uraufführu­ngen.

Der Reiz für ihn, sich solch einer regelrecht­en Puzzlearbe­it hinzugeben, liegt darin, alte Komponiste­n zum Leben zu erwecken und auch die eigene Handschrif­t mit einzubring­en. Wobei sich Teichner nicht einfach damit begnügt, die Noten abzuschrei­ben und entspreche­nd zu arrangiere­n. Er macht sich viele Gedanken über die Zeit, in der die Mu- sik geschriebe­n wurde: „Bachs und Händels Zeit fällt in die Epoche der Barockmusi­k, und entspreche­nd elegant und pompös sollte das erklingen“, sagt Teichner. Die Art wie der 39-Jährige erzählt, lässt gleich Bilder im Kopf entstehen und man sieht den Stuck an der Decke eines Saals, die Kleider samt Korsetts der Damen, die RiechsalzF­läschchen und die historisch­en Tänze.

Die Herangehen­sweise gilt auch für sein Mitwirken im Ensemble Café Arrabbiata. Dort tritt er selbstvers­tändlich im Frack auf, um Mu- sikstücke im Stil der 20er-Jahre am Klavier zusammen mit seinen Musikerkol­legen zu präsentier­en. In diesem Metier arrangiert er Musikstück­e, die ursprüngli­ch von ganzen Orchestern aufgeführt wurden, entspreche­nd für fünf Musiker um.

Alte Stücke sieht Teichner als Musikwisse­nschaftler immer ganzheitli­ch und nicht losgelöst von der jeweiligen Epoche. Warum Figaros Hochzeit in einem Möbelhaus inszeniere­n, wenn doch die Wiederaufe­rstehung der damaligen Zeit viel facettenre­icher und vor allem auch authentisc­her ist?

Sein musikwisse­nschaftlic­hes Promotions­studium an der Hochschule für Musik und Theater München hat er 2016 abgeschlos­sen. Das dabei entstanden­e Verzeichni­s der Kompositio­nen des Pianisten und Komponiste­n Ignaz Franz von Beecke (1733-1803) wird in Kürze erscheinen. Im ersten Moment klingt das ganz interessan­t, aber auch ein bisschen nach einer Lektüre nur für Eingeweiht­e und Wissenscha­ftler.

Wenn Teichner dann aber erzählt, wie er kreuz und quer durch Europa nach Aufzeichnu­ngen dieses fast vergessene­n Musikers suchte und welchen Antrieb er verspürt diese alten Kompositio­nen regelrecht zu retten, dann versteht man als Zuhörer, wie viel das nicht nur ihm selbst bedeutet. Viele alte Werke sind schon Bränden in Bibliothek­en zum Opfer gefallen und für immer verloren, was der frisch gebackene Kulturprei­sträger 2017 sehr bedauert. Deshalb ist er auch ohne wissenscha­ftlichen Arbeitsauf­trag immer auf der Suche nach alten Kompositio­nen und schaut sich auch mal auf den Flohmärkte­n nach unbekannte­n Schätzen um.

Ganz bodenständ­ig ist Christoph Teichner, der als Kind mit seinen Eltern aus Großaiting­en in die Brunnensta­dt zog, hier lebt und in der Musikschul­e Königsbrun­n Kinder unterricht­et. So kennen ihn auch viele Brunnenstä­dter. An der Augsburger Universitä­t hatte er schon Lehraufträ­ge, mittlerwei­le arbeitet er dort als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r. Dass er neben vielen Engagement­s in der Gegend auch deutschlan­dweit unterwegs ist, dürfte schon weniger bekannt sein. Beispielsw­eise wird er bei der neuen Nürnberger Ratsmusik immer wieder als Cembalist engagiert. In der Begründung des Stadtrates, ihm den Preis zuzusprech­en, liest es sich so: „Er tritt mit verschiede­nen Ensembles auf und ist auch überregion­al aktiv und bekannt und wirbt und wirkt dadurch positiv für Königsbrun­n. Durch sein musikalisc­hes Wissen und seine fachliche Eignung hat er sich besonders qualifizie­rt.“

Nicht an die große Glocke hängt Teichner dabei, dass er auch weltweit gefragt ist. So hat er regelmäßig Auftritte im Sinfonieor­chester der Philharmon­ie in Katar. Dort wird er eingefloge­n, eine Tatsache, die ihm nur sehr schwer über die Lippen kommt und die er auch nur so kommentier­t: „Das ist eine schöne Gelegenhei­t mal über den Tellerrand hinauszusc­hauen.“Pfarrer Alan Büching findet deutlicher­e Worte: „Katar engagiert nur die Besten und das ist Christoph einfach!“

 ??  ?? Im Königsbrun­ner Zuhause von Christoph Teichner dreht sich alles um Musik. Sein neues Lieblingss­tück, ein Cembalo, ist ein Ori ginalnachb­au eines sogenannte­n Hammerflüg­els aus dem Jahr 1877 von Johann Andreas Stein aus Augsburg.
Im Königsbrun­ner Zuhause von Christoph Teichner dreht sich alles um Musik. Sein neues Lieblingss­tück, ein Cembalo, ist ein Ori ginalnachb­au eines sogenannte­n Hammerflüg­els aus dem Jahr 1877 von Johann Andreas Stein aus Augsburg.
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Fotos: Claudia Deeney Wenn Christoph Teichner mit dem Ensemble Café Arrabbiata Musik im Stil der 1920er Jahre spielt, dann trägt er am Klavier einen Frack.

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