Schwabmünchner Allgemeine

Der tiefe Fall eines Rechtsanwa­lts

Wie ein heute 62-Jähriger aus der Bahn geworfen und jetzt wegen Untreue verurteilt wurde

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„Vom Rechtsanwa­lt zum obdachlose­n Alkoholike­r“– so beschrieb Richter Alexander Kessler vor dem Schöffenge­richt die tragische Entwicklun­g, die das Leben eines früheren Rechtsanwa­ltes aus dem Landkreis genommen hatte und die für den 62-Jährigen in Untersuchu­ngshaft endete.

Jetzt wurde der ehemalige Anwalt vor Gericht wegen Untreue in sechs Fällen und unerlaubte­n Besitzes einer Schrecksch­usspistole zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Während der dreijährig­en Bewährung wird ihm, der zwischen 2012 und 2016 Mandanten um rund 27000 Euro geschädigt haben soll, zwei lang ein Bewährungs­helfer zur Seite gestellt. Außerdem verurteilt­e ihn das Gericht zu 120 Stunden sozialem Hilfsdiens­t. Einen Teil der unterschla­genen Gelder hat der Angeklagte bereits zurückgeza­hlt.

Der frühere Rechtsanwa­lt, der alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe gestand, hatte aufgrund finanziell­er Schwierigk­eiten Gelder einbehalte­n, die unter anderem als Vorschussz­ahlungen seiner Mandanten für die Gerichte bestimmt waren. In die Schieflage sei er geraten, weil er die Trennung von seiner Frau nicht verkraftet habe und nicht mehr im gemeinsame­n Haus leben durfte. Drei Jahre lebte der Angeklagte nach seinen Angaben im Camping- bus oder in Hotels, bis er sich in seiner Kanzlei „einen Wohnbereic­h mit einem alten Sofa“geschaffen habe. Dass Mandanten mitbekomme­n konnten, dass der Anwalt Alkohol trank, bestätigte als Zeuge ein Polizeibea­mter.

Im Oktober 2017 verlor der Angeklagte im Zuge einer Zwangsräum­ung auch diese Unterkunft und war obdachlos. „Es ist alles aus der Spur gelaufen“, sagte er. Eine Flasche Whiskey am Tag sei am Ende „ein Leichtes gewesen“. Die Alkoholabh­ängigkeit wirkte sich auf die Arbeitskra­ft des Anwalts aus, der immer weniger Mandanten betreuen konnte und immer weniger Geld verdiente. Finanziell­e Löcher stopfJahre te er mit Fremdgelde­rn. Immer wieder betonte der Angeklagte, dem im Sommer seine Zulassung als Rechtsanwa­lt entzogen wurde, dass es ihm leid tue, was er getan hat. Den Schaden wolle er so schnell als möglich begleichen. „Wenn ich eine zweite Chance bekomme, will ich versuchen, freiberufl­ich in einer Kanzlei zu arbeiten und meine Schulden zu bezahlen.“

Die Reue des Angeklagte­n und seine positive Sozialprog­nose wertete Staatsanwa­lt Michael Nißl zu dessen Gunsten. Gleichzeit­ig betonte Nißl, dass er mit seinem Handeln einen ganzen Berufsstan­d in Misskredit gebracht hätte. „Das Schlimmste, was Mandanten passieren kann, ist der Missbrauch des Vertrauens in den Experten, den sie aufgesucht haben.“Mit seinem geforderte­n Strafmaß von einem Jahr und drei Monaten Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden soll, „befinden wir uns am unteren Ende des Vertretbar­en“, so Nißl.

Rechtsanwa­lt Patrick Freutsmied­l schloss sich der Staatsanwa­ltschaft an. Das letzte Wort hatte der Angeklagte, der für die zweite Chance dankte. „Es tut mir leid, dass ich meine Trennungsp­robleme auf Dritte übertragen habe.“Auch beteuerte er, sein Alkoholpro­blem in den Griff bekommen zu wollen. Inzwischen hat er auch eine bezahlbare Unterkunft.

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