Schwabmünchner Allgemeine

Die Hände des Meisters

Neben der Totenmaske besitzt das Brechthaus nun einen weiteren Abguss

- VON ALOIS KNOLLER

Friedlich ruhen sie übereinand­ergelegt. Sie haben geschriebe­n, sicher auch gestikulie­rt bei den Proben seiner Stücke. Bertolt Brechts Hände, abgeformt von Gerhard Thieme auf dem Totenbett, zieren nun das Brechthaus in Augsburg. In der Vitrine liegen die weißen Hände aus Gips in Nachbarsch­aft zur Totenmaske. Beide Memorabili­en, wie die Museumsleu­te sagen, befanden sich im Besitz des ostdeutsch­en Bühnenbild­ners Hainer Hill (1913–2001). Dank der Wilhelm-Carl-Nagel-Stiftung konnten die Kunstsamml­ungen Augsburg sie nun ankaufen.

Brecht hatte Hill 1950 am Leipziger Schauspiel­haus entdeckt und ans Berliner Ensemble geholt, wo er bis 1953 mit ihm arbeitete. Auch Kunstsamml­ungs-Leiter Christoph Trepesch betrachtet beide Exponate als „ganz besondere Preziosen“.

Eigentlich hätte Hainer Hill sie an Helene Weigel zurückgebe­n müssen, erzählt Sarah Klein, die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an den Kunstsamml­ungen. In einem Brief vom 6. November 1956, drei Monate nach Brechts Tod, hatte seine Witwe die Memorabili­en zurückgefo­rdert. „Es ist der Wunsch der Kinder Brecht und auch der meinige, dass nur wenige Menschen die Totenmaske Brechts haben sollen“, schrieb Weigel. Den Brief hatte er aufbewahrt, aber nachgekomm­en ist er ihm nicht. Ein in Aussicht gestelltes letztes Bild Brechts schien ihm wohl weniger attraktiv als die Hände und die Maske. Hill habe die Abdrücke stets in Ehren gehalten und in seinem Arbeitszim­mer aufbewahrt, erfuhr Sarah Klein von der Witwe Antje Hill.

Dass von Geistesgrö­ßen ein letzter Gesichtsab­druck genommen und auch die Hände abgeformt wurden, erklärt Kurator Thilo Grabach mit dem Geniekult, der vor allem in der Romantik blühte. So bleibt der Meister für alle Zeiten präsent, auch wenn er die Hände – Inbegriff seines irdischen Schaffens – endgültig in den Schoß gelegt hat.

Für einige Monate präsentier­t das Brechthaus nun die Neuzugänge.

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Foto: Annette Zoepf Auf Bertolt Brechts Totenbett hat Gerhard Thieme 1956 die Hände und die Totenmaske abgeformt.

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