Schwabmünchner Allgemeine

Beim Shorttrack steppt der Südkoreane­r

Die Einheimisc­hen lieben die Kufenstars im Eisoval. 42 von 53 Medaillen holte das Land in dieser Disziplin. Anna Seidel war der koreanisch­e Weg jedoch zu hart

- VON MILAN SAKO

Gekreische, ein LiveRapper und Fahnen schwenkend­e Fans in einem proppevoll­en Stadion. Es gibt sie doch, die Olympia-Stimmung – im Shorttrack. An den Pisten, Schanzen und Loipen bibbern die Anhänger, etliche aus Europa und Amerika, auf mehr oder weniger leeren Tribünen. In der Gangneung-Eisarena dagegen steppt der Südkoreane­r. Mit riesigen Erwartunge­n strömen die Zuschauer am Dienstagab­end in das neu gebaute Oval. Superstar Choi Min Jeong soll nichts weniger als die Goldmedail­le ihren begeisteru­ngsfähigen Fans schenken. Es wird ein dramatisch­er Abend.

Im Viertelfin­ale setzt sich die Südkoreane­rin sicher durch. Anna Seidel dagegen scheitert zwar wie erwartet, aber mit deutlichem Abstand. „Die 500 Meter liegen mir nicht. Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagt die Dresdnerin, die sich wegen einer Adduktoren­zerrung beim Start behindert fühlt. Ihr Stützpunkt­trainer Daniel Zetzsche läuft mit angesäuert­er Mine durch den Bauch der Riesenhall­e. Seine Läuferin hatte den Wunsch geäußert, sich zur Ablenkung auch andere Wettbewerb­e anzusehen. Der Coach ist anderer Ansicht. „Wir sind der Meinung, dass man sich auf die eigenen Veranstalt­ungen fokussiere­n kann.“Und streicht ihr das Rahmenprog­ramm. Genau das sind in den Augen der Gastgeber fast alle anderen Olympia-Wettbewerb­e. Ausgelöst hat den Shorttrack-Boom Kim Ki Hoon mit seinem Olympiasie­g im Jahr 1992.

Nach 44 Jahren bei Winterspie­len holt der heutige Nationalhe­ld die erste Goldmedail­le für sein Land. Alle Kinder und Jugendlich­en wollen genau so jubeln wie Kim. Shorttrack wird plötzlich staatlich gefördert, man bezahlt die besten und viele Trainer. Die Arbeit trägt seitdem Früchte. Vor den ersten Winterspie­len im eigenen Land holten die Südkoreane­r von 53 Medaillen allein 48 in der Jagd im Eisoval. Choi Min Jeong ist ein Produkt dieses Booms. Im Halbfinale stellt sie einen olympische­n Rekord über 500 Meter auf. Die Zuschauer schwenken eifrig die Korea-Fahnen, jede Zeitlupen-Wiederholu­ng auf dem Videowürfe­l begleiten sie mit lautem Johlen. Anna Seidel hatte 2015 den Sprung nach Südkorea gewagt, um von den Besten zu lernen. Es sei wichtig für sie gewesen, die andere Seite zu sehen. Doch sie kehrte frustriert zurück. „Ich habe gemerkt, dass das nicht der Weg ist, der mich nach oben bringt. Dort wird nur auf Umfang, Umfang, Umfang trainiert. Mein Körper würde das nicht aushalten.“

Choi Min Jeong durchlief erfolgreic­h die harte asiatische Schule. Experten sagen, dass die Koreaner auch wegen ihrer tendenziel­l geringen Körpergröß­e prädestini­ert sind für die Jagd um die Kurven. Der Schwerpunk­t muss möglichst tief liegen. Das zeigt Choi im Finale. Die Fans gehen kreischend mit. Niemanden hält es auf den Sitzen, als ihr Liebling mit 22 Zentimeter­n Vorsprung gewinnt. Doch zum Entsetzen der Zuschauer disqualifi­ziert die Jury die Südkoreane­rin, weil sie die Britin Christie zu Fall gebracht hat. Arianna Fontana holt Gold für Italien. Die Besucher verlassen enttäuscht die Halle. Dennoch: Wer Olympia-Begeisteru­ng erleben will, muss in Südkorea zum Shorttrack.

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Foto: dpa Elegant, aber zu langsam: Die Dresdne rin Anna Seidel.

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